Vorwürfe gegen US-Soldaten Quälereien in Saddams Folterknast

Sie wurden nackt zu Pyramiden gestapelt und mit dem Tod bedroht: Irakische Häftlinge, die den amerikanischen Besatzungssoldaten im Gefängnis Abu Ghraib überantwortet wurden, hatten ein hartes Los gezogen. Bei Irakern wecken die Zustände Erinnerungen an Saddams Folterkerker. Eine Brigadegeneralin wurde nun vom Dienst suspendiert.



Hamburg - Der Gefangene musste sich auf eine Kiste stellen. Sein Kopf steckte in einem Sack, an seinen Händen befestigten die US-Soldaten Kabel. Sobald er von der Kiste falle, würde das einen tödlichen Stromschlag auslösen, erklärten ihm die Militärs. Zwischenfälle wie dieser sollen sich zu Beginn der US-Besatzung im irakischen Gefängnis Abu Ghraib gehäuft haben. Dutzende derartiger Szenen wurden auf Fotos festgehalten - Fotos, die zu Ermittlungen gegen mehrere Soldaten führten und die jetzt der amerikanische Fernsehsender CBS ausstrahlte.

Die Bilder sollen schon über ein Jahr alt sein. Doch erst vor kurzem wurden sie CBS zugespielt. Gedrängt vom Verteidigungsministerium, verschob der Sender die Ausstrahlung sogar noch einmal um zwei Wochen. Das Pentagon hatte geltend gemacht, die Fotos könnten die zu der Zeit besonders heikle Situation im Irak weiter verschärfen.

Insgesamt 17 Soldaten wurden mittlerweile vom Dienst suspendiert, 6 von ihnen wird der Prozess gemacht. Die Armee gibt sich entsetzt. Der stellvertretende Befehlshaber der US-Truppen im Irak, Brigadegeneral Mark Kimmitt, sagte: "Wenn wir nicht selbst vorbildlich sind im respektvollen und würdigen Umgang mit Menschen, können wir das auch von anderen Nationen im Umgang mit unseren Soldaten nicht erwarten." Die Vorfälle in Abu Ghraib tut er freilich als Einzelfälle ab: "Wir sind alle enttäuscht von der Handlung einiger weniger - an manchen Tagen sind wir nicht immer stolz auf unsere Soldaten."

Auf vielen der Fotos posieren amerikanische Soldaten und Soldatinnen mit irakischen Gefangenen. Die Soldaten trugen Uniform, die Iraker waren nackt. Auf manchen Bildern mussten die Gefangenen sich zu einer menschlichen Pyramide stapeln lassen, auf anderen wurden männliche Häftlinge gezwungen, vor der Kamera so zu tun, als hätten sie Oralsex. Ihre Peiniger lachten auf den Bildern oder hielten grinsend den nach oben zeigenden Daumen in die Kamera.

Die Fotos waren von Armeeangehörigen gemacht worden, die als Militärpolizisten in dem Gefängnis stationiert waren. Die Misshandlungen flogen auf, als ein nicht beteiligter Soldat solche Aufnahmen von einem Freund bekam und diese an seine Vorgesetzten weitergab.

Für die Iraker ist es nicht neu, dass sich mit dem Namen Abu Ghraib Angst und Schrecken verbindet. Unter Saddam Hussein verschwanden viele Gefangene, die nach Abu Ghraib gebracht wurden, für immer. Die, die wiederkamen, erzählten schreckliche Geschichten von Folterungen und Hinrichtungen.

In der CBS-Sendung "60 Minutes II", die einige der Bilder jetzt zeigte, kommt auch Sergeant Chip Frederick zu Wort. Er soll an etlichen der Folteraktionen teilgenommen oder sie tatenlos beobachtet haben. Außerdem wird ihm vorgeworfen, Gefangene dazu gezwungen zu haben, sich gegenseitig zu schlagen. Derzeit wartet Frederick in Bagdad auf seinen Prozess vor einem Militärgericht.

"Nicht schuldig", sagt Frederick zu den Vorwürfen. Nicht dass er die Taten als solches bestreitet, die sind auf den Fotos eindeutig festgehalten. Der Soldat macht die Armee für die Zustände in Abu Ghraib verantwortlich. Die Art und Weise, wie die Armee das Gefängnis geführt hat, habe zur Misshandlung der Gefangenen geführt.

"Wir hatten keine Unterstützung, keinerlei Training", rechtfertigt sich der Beschuldigte. "Ich habe immer wieder nach Regeln und Richtlinien gefragt. Aber es passierte einfach nichts." Der Soldat beklagt sich sogar darüber, dass man ihm nie eine Kopie der Genfer Konventionen zur Behandlung von Kriegsgefangenen zu lesen gegeben habe.

Ist auch die Verteidigung mehr als fragwürdig, man habe nicht gewusst, dass Gefangene nicht misshandelt werden dürften, weil es hierfür keine Vorschriften gegeben habe, so scheint es in der Tat auch an höherer Stelle einige Versäumnisse gegeben zu haben. Zumindest teilte ein Armeesprecher jetzt mit, dass bereits im Januar im Zuge der Ermittlungen auch die für das Gefängnis zuständige Brigadegeneralin Janis Karpinski vom Dienst suspendiert worden sei.

Dominik Baur

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