

Kuala Lumpur - Malaysias Oppositionsführer Anwar Ibrahim ist ein freier Mann. Ein malaysischer Richter beendete das Verfahren wegen Homosexualität am Montag mit einem Freispruch. Es gebe nicht genügend Beweise, um die Anschuldigungen von Anwars früherem Mitarbeiter Saiful Bukhari Azian zu stützen, sagte er. Bei einem Schuldspruch hätten Anwar 20 Jahre Haft gedroht.
"Gott sei Dank, es wurde Gerechtigkeit geübt", sagte Anwar nach der Urteilsverkündung. Der 64-Jährige umarmte seine Frau, seine Kinder und andere Oppositionspolitiker. Vor dem Gerichtsgebäude brachen tausende Anhänger Anwars in Jubel aus. "Mein Augenmerk gilt jetzt den nächsten Wahlen", sagte er. "Nach diesem wichtigen Sieg ist mein Kopf jetzt frei für die Arbeit." Anwar will die seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1957 regierenden UMNO-Partei mit ihren Koalitionspartnern stürzen. Das hatte er bei einer Kundgebung vor Zehntausenden Anhängern am Wochenende bekräftigt. Die Wahlen müssen spätestens im Frühjahr 2013 stattfinden. Premierminister Najib Razak kann sie aber auch früher ausrufen.
Anwar hatte die Vorwürfe stets als absurd bezeichnet und der Regierungskoalition ein Komplott vorgeworfen, um seine politische Karriere zu beenden. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE hatte er das Verfahren als Farce bezeichnet. "Im nächsten Jahr stehen in Malaysia Wahlen an, und die Regierung versucht, mich auf diese Weise aus dem Verkehr zu ziehen."
Auch Menschenrechtler kritisierten das Verfahren als Schauprozess. Die Anklage erfolgte 2008 wenige Wochen nach einem beispiellosen Wahlerfolg Anwars. Er verhinderte damals erstmals die sonst übliche Zweidrittelmehrheit der Koalition.
Freispruch überrascht Menschenrechtler
Human Rights Watch begrüßte das Urteil. "Das Verfahren gegen Anwar war politisch motiviert und durchzogen von Unregelmäßigkeiten", teilte die Menschenrechtsorganisation mit. Ähnlich äußerte sich Tan Jo Hann, Direktor der Menschenrechtsorganisation Pusat Komas. Der Freispruch habe viele Menschen überrascht, weil die Mehrheit ebenfalls an die Komplotttheorie glaubte. Das Ergebnis könnte der Regierungskoalition Sympathie und damit Stimmen für die nächsten Wahlen bringen.
Anwar hat schon einmal einen ähnlichen Prozess erlebt - ebenfalls, als er der Regierungskoalition gefährlich wurde. Damals war er Mitglied von UMNO und stellvertretender Regierungschef. Als er bei seinem Chef 1998 in Ungnade fiel, wurde er wegen Homosexualität und Korruption angeklagt. Das Urteil wegen Homosexualität wurde später aufgehoben. Er verbrachte sechs Jahre im Gefängnis. Ungeachtet der politischen Dimension des Prozesses gegen Anwar rief Human Rights Watch die Regierung auf,das archaische Gesetz, das gleichgeschlechtliche Beziehungen verbietet, aufzuheben.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Freispruch für Anwar Ibrahim: Anhänger jubeln vor dem Gerichtsgebäude. Gegen ihn lief ein Prozess, weil er angeblich homosexuell ist und einen Mitarbeiter zum Sex gezwungen haben soll - er selbst dementiert das vehement.
Anwar Ibrahim ist ein bekannter Mann in Malaysia. Er war Finanzminister und stellvertretender Premier. Jetzt führt der 64-Jährige die Opposition an. Menschenrechtsaktivisten nennen ihn die "Stimme der Demokratie" in ihrem Land.
Ibrahim wirft den Gerichten in seinem Land vor, nicht unabhängig zu sein. "Malaysia ist ein autoritärer Staat." Er hat bereits acht Jahre im Gefängnis gesessen.
Es war nicht das erste Mal, dass Ibrahim wegen des Vorwurfs der Homosexualität vor Gericht stand. Als Drahtzieher wird der politische Gegner vermutet.
Ein Unterstützer Ibrahims protestierte vor dem Gerichtsgebäude in Kuala Lumpur gegen den Prozess. Ibrahim drohten 20 Jahre Haft.
Ibrahim wandte sich an die Medien, bevor das Urteil gesprochen wurde, um möglichst viele Menschen im Land zu erreichen und seine Unschuld zu beteuern.
Homosexualität ist in Malaysia bei Strafe verboten, Schwule und Lesben werden systematisch verfolgt. Es kursieren die absurdesten Gerüchte, etwa dass Homosexualität zu Schweinegrippe führt und dass Zitronen und Kokosmilch gegen Schwulsein "helfen". Hier demonstrieren Anhänger Ibrahims vor dem Gerichtsgebäude.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden