Parlamentswahl im Vereinigten Königreich Johnsons Triumph, Corbyns Desaster - So haben die Briten gewählt
Die wichtigsten Parteien
Konservative Die Konservativen, auch Tories genannt, bekennen sich zum privaten Unternehmertum, zur kapitalistischen Wirtschaftsform und zu Privatisierungen. Unter Margaret Thatcher (Premier von 1979 bis 1990) wurden die von Labour nach 1945 verstaatlichten Unternehmen reprivatisiert, private Bereiche im Bildungswesen gefördert, die Gewerkschaften geschwächt und die Einwanderung nach Großbritannien gebremst. Die Conservative Party konnte seit 2005 vom Niedergang der Labour Party profitieren und übernahm nach der Wahl 2010 von ihr die Macht. Mays Amtsvorgänger David Cameron musste allerdings eine Koalition mit den Liberaldemokraten eingehen. Nach der Wahl 2015 regierten die Tories wieder allein. Premierministerin Theresa May kündigte im April 2017 vorgezogene Neuwahlen an, um ihre Position im Parlament zu stärken und Rückendeckung für ihren Brexit-Kurs zu erhalten. Ihr Kalkül ging jedoch nicht auf, da ihre Partei 13 Sitze verlor und eine Koalition mit der nordirischen DUP eingehen musste.
Sozialdemokraten 1900 gegründet, war die Labour Partei ("Arbeiterpartei") traditionell gewerkschaftsnah ausgerichtet. Spätestens seit den 1980er Jahren setzte eine Bewegung hin zur Mitte ein. Tony Blair, der Labour 1994 bis 2007 führte, modernisierte die Partei und machte sie mit seiner pragmatischeren Politik unter dem Schlagwort New Labour auch für die Mittelschicht attraktiv. Von 1997 bis 2010 stellte die Partei die Regierung. Seit 2015 ist der als sehr weit links geltende Jeremy Corbyn Parteichef. Er verfügt über größere Unterstützung an der Basis, doch fremdeln mit ihm etablierte Labour-Abgeordnete. Für Unmut sorgte auch seine eher unklare Haltung zu EU und Brexit. Labour will unter anderem in Schulen und Krankenhäusern investieren, die Studiengebühren abschaffen und eine grüne industrielle Revolution starten. Außerdem möchte die Partei eine weiteres Brexit-Referendum abhalten.
Liberale Die Liberaldemokraten werden seit Juli 2019 von der 39-jährigen Jo Swinson geführt. Bis zu ihrer schweren Wahlniederlage 2015 hatte die Partei mit Nick Clegg sogar den Vizepremier in einer Koalition mit den Konservativen gestellt. Die Lib Dems waren die einzige der großen britischen Parteien, die sich klar für einen Verbleib in der EU aussprachen. Nun wollen sie bei einem Wahlsieg den Brexit abblasen. Gestiegene Kosten im Gesundheitssystem sollen durch ein Prozent der Einkommenssteuer aufgefangen werden. Außerdem sieht ihr Programm zusätzliche Investitionen von umgerechnet rund zehn Milliarden Euro in Bildung vor.
Schottische Nationalisten Die SNP regiert seit 2007 in Schottland. Geführt wird sie von der Ersten Ministerin der Schotten, Nicola Sturgeon. Die Partei der schottischen Nationalisten verlor das Referendum über die Unabhängigkeit der Schotten im September 2014 knapp 45 zu 55 Prozent. Dennoch konnte die SNP bei den Unterhauswahlen 2015 einen großen Erfolg erzielen und gewann 56 der 59 schottischen Sitze im britischen Parlament. Sturgeon forderte nach dem Brexit-Entscheid ein zweites Unabhängigkeits-Referendum für die eher einen EU-Verbleib favorisierenden Schotten. Bei den vorgezogenen Unterhauswahlen 2017 verlor die SNP jedoch 21 Sitze, vor allem an konservative Unionsanhänger. Die Partei ist sozialdemokratisch und gegen eine strenge Austeritätspolitik. Sie will ein erneutes schottisches Unabhängigkeitsreferendum und einen Verbleib Schottlands in der EU durchsetzen.
Rechtspopulisten Der frühere UKIP-Chef Nigel Farage führt diese Partei an, die in erster Linie nur ein Ziel verfolgt: einen Brexit ohne Deal. Sie wurde im Frühjahr 2019 gegründet, nachdem sich abzeichnete, dass die Hängepartie bei den Brexitverhandlungen so schnell kein Ende finden würde. Die Brexit-Partei ist offiziell nicht UKIP-Nachfolgerin, hat aber eine Reihe früherer Mitglieder und Unterstützer der radikalen Leave-Partei abgeholt. Bei der Europawahl erzielte sie auf einen Schlag mehr als 30 Prozent der Stimmen und wurde damit stärkste Kraft auf der Insel. Farage hat den Tories für die Wahl 2019 angeboten, dass seine Partei in vielen Wahlkreisen auf eine Kandidatur verzichtet, in denen die Konservativen zuletzt gewannen. Den zuletzt von Premier Johnson ausgehandelten Brexit-Deal sieht sie aber nach wie vor kritisch.
Grüne Die Grünen haben ihre Wurzeln in den Umweltbewegungen der siebziger Jahre. Die Green Party of England and Wales wurde 1990 gegründet. Es gibt eigenständige Ableger in Schottland und in Nordirland. Die Partei hat eine Doppelspitze mit Sian Berry und Jonathan Bartley. Die Grünen wollen Großbritannien bis 2030 klimaneutral machen und sehen sich auch als Verfechter der Bürgerrechte und -freiheiten. Sie haben ebenfalls ein neues Brexit-Referendum im Programm, in der Hoffnung, ihn doch noch zu verhindern. Die Grünen sind mit einem Mandat im Unterhaus vertreten.
Mitte-links-Partei, Wales Plaid Cymru, Kurzform Plaid, wurde 1925 gegründet und ist eine Mitte-Links-Partei in Wales. Sie bezeichnet sich selbst als sozialdemokratisch und walisisch-national. Zuletzt hatte sie vier Mandate im Unterhaus. Geführt wird die Partei seit einem Jahr durch Adam Price, der eine Unabhängigkeit von Wales anstrebt. Für die Unterhauswahl 2019 hat Plaid in einigen Wahlkreisen einen Deal mit Grünen und Liberaldemokraten geschlossen und verzichtete dort auf einen eigenen Kandidaten. Die Partei will den Brexit mit einem Referendum verhindern.
Nationalkonservative Partei, Nordirland Die DUP ist stimmenstärkste Kraft im Nordirland-Parlament vor Sinn Féin. Sie tritt für die Einheit mit Großbritannien ein. Gründer der radikal-protestantischen Partei war 1971 der Pfarrer Ian Paisley. Sie unterzeichnete 1998 das Karfreitagsabkommen nicht. Im Unterhaus belegte sie zuletzt 10 Sitze. Weil die Tory-Regierung nach der Wahl 2017 im Unterhaus keine eigene Mehrheit hatte, war sie auf die Stimmen der DUP als de-facto-Koalitionspartner angewiesen, was vor allem bei den Brexit-Verhandlungen ein Hemmschuh war. Die Partei ist Austritts-Verfechterin und auch gegen eine Sonderrolle Nordirlands nach einem Brexit.
Irisch-Republikanische Partei Die irisch-republikanische Partei Sinn Féin ("Wir selbst") ist die wichtigste gesamtirische Partei. Sie will die unter britischer Herrschaft stehenden Grafschaften Nordirlands in das Staatsgebiet der Republik Irland eingliedern. Sinn Fein strebt laut Parteiprogramm eine "vereinigte, demokratische und sozialistische Republik Irland" an. Sie ist gegen einen Brexit und will zumindest eng an die EU gebunden bleiben. Im Nordirland-Parlament ist Sinn Fein zweitstärkste Partei ganz knapp hinter DUP. Bei den britischen Unterhauswahlen bekam sie 2017 sieben Sitze. Die Abgeordneten nehmen ihre Mandate aber nicht ein.