Wahl in Kärnten Haiders Erben
Klagenfurt - Plötzlich steht die Witwe neben ihm. Claudia Haider hat ein Geschenk dabei, eingepackt in weißes Papier, groß wie ein Taschenbuch. Der Wahlsieger dreht sich weg von den Kameras, wickelt die Hülle ab, einmal herum, noch mal herum. Dann sieht er sich, Gerhard Dörfler, gemeinsam mit Jörg Haider. Silbergerahmt.
Dieser Abend ist der größte Triumph des Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ). Bei der Kärnten-Wahl holt es mit Spitzenkandidat Dörfler, dem der Regierung vorstehenden Landeshauptmann, 45,5 Prozent - mehr als Haider jemals erreicht hat .
Das Rechtsaußen-Bündnis hat den Tod seines Gründers überlebt, der im Oktober mit 1,8 Promille im Blut bei einem Autounfall starb. Witwe Claudia sagt: "Ich bin vom Wahlergebnis überrascht, weil ich nicht wusste, dass Dankbarkeit eine politische Kategorie ist." Sie schließt selbst nicht definitiv aus, in die Regierung einzutreten, obwohl sie sich eigentlich nicht in der Tagespolitik sehe: "Schau'n mer mal." Und Nachfolger Dörfler umklammert derweil das glänzende gemeinsame Foto wie ein Herz-Jesu-Bildchen fotogen vor seinem Bauch: der heilige Haider.
Überhaupt, es sind Jörg-Haider-Gedächtniswahlen. Im Haus der Kärntner Landesregierung am Arnulfplatz wartet im Foyer eine Staffelei mit seinem Bildnis, diesmal gerahmt in Gold. Als Dörfler und Kärntens BZÖ-Chef Uwe Scheuch zur ersten Prognose um fünf Uhr nachmittags im Regierungsgebäude auftauchen, verharren sie kurz vor dem Bild. Später am Abend wird sich noch ein Sandler mit seiner Decke neben Haider setzen, um sich aufzuwärmen.
"Haider-Faktor war ausschlaggebend"
Draußen vor der Tür steht Reinhart Rohr. Das ist der Wahlverlierer von der SPÖ. Um die 37 Prozent haben Meinungsforscher dem Sozialdemokraten vorausgesagt, ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Dörfler. 28,8 Prozent hat er bekommen. Eine krachende Niederlage, die Rohr nicht fassen kann: "Das war so nicht zu erwarten", sagt er. Es habe da bei dieser Wahl "Irrationalitäten" gegeben. Sprich: den toten Haider. "Offensichtlich hat der Haider-Faktor die ausschlaggebende Rolle gespielt", sagt Rohr.
BZÖ und Christsoziale von der Volkspartei (ÖVP) mit ihren 16,5 Prozent Stimmenanteil haben gemeinsam eine satte Mehrheit. Die Träume der Sozialdemokraten, ihre vor Haider über vier Jahrzehnte währende Herrschaft in Kärnten wiederherzustellen und dem BZÖ bundesweit den entscheidenden Schlag zu versetzen, sind geplatzt. Stattdessen feiern sich Dörfler und Scheuch als Haiders Erben.
Und zwar jeder auf seine Weise.
Man könne nach diesem Ergebnis schon festhalten, dass der Gerhard Dörfler ein beliebter Landeshauptmann sei, meint Gerhard Dörfler, der gern in der dritten Person von sich spricht. Aber natürlich, mit Haider wäre man noch besser gewesen, fügt der 53-Jährige hinzu. Was der BZÖ-Sieg bundespolitisch bedeute? Gerade auch mit Blick auf die Konkurrenz zwischen seiner Partei und Haiders Ex-Partei, den Freiheitlichen von der FPÖ, die nun im südlichsten österreichischen Bundesland an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind? "Darüber denke ich nicht nach, ich bin Landeshauptmann in Kärnten", sagt Dörfler.
Dörfler - Hobby: Holzfällen - gibt den Landesvater. Ganz anders der 39-jährige Uwe Scheuch, der in den letzten Wochen immer wieder als Ersatz für Dörfler ins Spiel gebracht wurde, weil der "kein Format" (SPÖ) habe. Was Dörfler mit einem "Negermama"-Witz dann auch selbst unterstrich.
Scheuch aber sagt, Dörfler bleibe Regierungschef in Klagenfurt. Sein Blick geht offenbar auf die Bundespolitik. Der Wähler habe an diesem Sonntag gezeigt, wer der wahre Haider-Erbe sei: Eben nicht die Freiheitlichen sondern das BZÖ. Was er denn von der Überlegung halte, aus FPÖ und BZÖ eine Art CDU/CSU nach deutschem Vorbild zu machen - das BZÖ in Kärnten, die FPÖ in Restösterreich? "Für mich ist alles denkbar", so Scheuch. Man solle ja niemals nie sagen.
Und dann gibt es da noch einen ganz besonderen Haider-Erben: den 28-jährigen Stefan Petzner. Das ist jener Haider-Ziehsohn, der das Wort vom "Lebensmenschen" für die deutsche Sprache neu entdeckte und nach Haiders Tod in Funk und Fernsehen schluchzte. Petzner also ist an diesem Abend des Siegs der größte Jubler: Victory-Zeichen, stets geballte Fäuste, immer wieder "Bravo"-Rufe im Fernsehstudio. Im Herbst war er ein paar Wochen an der Spitze des BZÖ, dann wurde er ersetzt. In Kärnten durfte er Wahlkampfmanager sein. Er habe es nun "so manchem gezeigt", sagt Petzner. Das sei eine "Genugtuung".
Petzner verkörpert äußerlich mit seinem glänzend-schwarzen Anzug, glänzender anthrazitfarbener Krawatte und exaltierter Gestik den größtmöglichen Unterschied zum Hobby-Holzfäller Dörfler in seinem dunkelblauen Jackett mit grünen Einsätzen. Auch Scheuch gibt sich locker und ohne Krawatte. Die BZÖ-Anhänger auf den Fluren sind die Jungen, man erkennt sie an ihren glänzenden Hosen, den engen Pullovern und den hinterherstöckelnden Damen im knappen Kleid.
Politik seit Haider mit seinen ewig weißen Sakkos ist in Kärnten auch eine modische Kategorie. Man freut sich über den Wahlsieg mit Bussi links, Bussi rechts und mehrfacher, inniger Umarmung. Vergleichbares wäre nach einer Landtagswahl in einem vergleichbar abgelegenen deutschen Bundesland - sagen wir Rheinland-Pfalz - ganz und gar undenkbar. Und dann stelle man sich noch vor, dass pfälzische Polit-Yuppies eine "Sonderanstalt" für manche Asylbewerber einrichten würden - so wie dies in Kärnten auf der Saualm praktiziert wurde und nach dem Willen des BZÖ auch fortgesetzt werden soll.
Nein, Kärnten ist ein spezielles Land seit Haider. Er hat seinen Erben noch einen Wahlsieg vermacht. Die müssen sich jetzt emanzipieren. Der Abschied vom Mythos Haider beginnt schon in der Nacht nach dem Wahlsieg, im Klagenfurter Witrtshaus Wienerroither.
Landesvater Dörfler ist noch nicht da, als Uwe Scheuch umjubelt Einzug hält. Das Publikum: ein paar Ältere und viele Junge in Kärntner Tracht, darunter auch einige mit auffälligen Piercings. Scheuch brüllt heiser seinen Stolz in den Raum, dass "wir auch nach Jörg Haider noch stärker geworden sind", dass man auf "seinem Fundament" aufgebaut habe.
Er widme Haider den 1. März als "historischen Sieg" - doch nun solle das Erbe "weitergehen".