Wahlen in Iran Ahmadinedschad wird verlieren – egal wie die Wahl ausgeht

Repressalien, Zensur, Inflation: Irans Wähler hätten allen Grund, bei den heutigen Wahlen ihren Präsident abzustrafen - wenn nur die Reformer mehr Kandidaten stellen dürften. Doch auch im Lager der Konservativen wächst der Unmut über Ahmadinedschad.

Berlin - Die Iraner stehen unter einem enormen Druck - wie seit Ende des Kriegs gegen den Irak vor 20 Jahren nicht mehr. Die Menschenrechtslage hat sich unter Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad drastisch verschlechtert. Öffentliche Hinrichtungen wurden wieder eingeführt. Die vor zehn Jahren noch blühende Medienlandschaft Irans ist mittlerweile ruiniert. Zeitungen wurden verboten, Zensur steht auf der Tagesordnung. Blogger, die authentischsten Berichterstatter inner-iranischer Entwicklungen, leiden unter massiver Verfolgung.

Besonders Frauenrechtlerinnen werden in letzter Zeit drangsaliert, immer häufiger verhaftet. Die Initiatorinnen der international viel beachteten Kampagne "eine Million Unterschriften für gleiche Rechte" werden in den konservativen Zeitungen mittlerweile als "Handlangerinnen ausländischer Mächte" bezeichnet. Eine Diffamierung, die Gefahr für Leib und Leben dieser Frauen bedeuten kann.

Die wirtschaftliche Lage in Iran verschlechtert sich zudem täglich. An den Staatseinnahmen liegt dies nicht, denn sie explodieren aufgrund des steigenden Ölpreises. Das Erdöl, die Haupteinnahmequelle des Landes, bringt heute hundert anstatt wie noch vor zehn Jahren rund zwölf Dollar pro Barrel ein. Aber gleichzeitig ist die Inflationsrate deutlich angestiegen und liegt derzeit bei etwa 20 Prozent. Die Menschen machen den Staatspräsidenten für die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich, war er doch mit dem Versprechen angetreten, Arbeitsplätze zu schaffen und Armut zu bekämpfen.

Stattdessen setzt er auf Aktionismus und legte für das iranische Kalenderjahr 1388 (2008/2009) einen Staatshaushalt vor, der 18 Prozent höhere Staatsausgaben vorsieht. Heute finden sich in Teheran kaum mehr Menschen, die von den Einkünften aus einem einzigen Job leben können. Ein Ende der Preissteigerungen bei Nahrungsmittel und Kraftstoffen ist nicht in Sicht.

In so schwierigen Zeiten freuen sich die Iraner über jede Ablenkung. Die wichtigste Festlichkeit des Jahres steht bevor, das Neujahrsfest. Die Menschen stürzen sich in die Vorbereitungen dieses Festes. Sie kaufen Geschenke und kümmern sich um den Neujahrsputz. Für wenige Tage ist die Stimmung im ganzen Land wie verwandelt, das Privatleben vom tristen politischen Alltag ungestört.

In diesem Jahr jedoch finden sieben Tage vor Neujahr, an diesem Freitag, die Wahlen zum nationalen Parlament statt - dem Madschles. Und man hat den Eindruck, vielen Menschen sei das völlig gleichgültig. Verantwortlich dafür ist allerdings nicht nur das Neujahrsfest, sondern es sind auch die politischen Umstände, die den Urnengang begleiten.

80 Prozent der Reformer-Kandidaten nicht zugelassen

Von etwa 7600 Bewerbern für das Parlament wurden 2100 vom konservativen Gremium zur Kandidatenauswahl, dem Wächterrat, aussortiert. Sie dürfen erst gar nicht antreten.

Die neue Allianz aus Reformern und Pragmatikern, also das Bündnis zwischen den Ex-Präsidenten Mohammed Chatami und Haschemi Rafsandschani hat nicht einmal theoretisch die Chance, eine Mehrheit im Madschles zu erringen. 80 Prozent ihrer Kandidaten wurden nicht zur Wahl zugelassen. Beobachter gehen davon aus, dass die Reformer bei guter Mobilisierung höchstens 50 der 290 Sitze im Madschles erringen können. Eine echte Wahl sieht anders aus.

Druck auf die Allianz aus Reformern und Pragmatikern gibt es mittlerweile auch von Seiten der höchsten Instanz der islamischen Republik - von Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei. Vor zwei Wochen schimpfte er im staatlichen Fernsehen, moderate Kräfte seien grundsätzlich nicht loyal zu den Werten der Revolution. Eine unverhohlene Drohung gegen Chatami und Rafsandschani.

Zudem haben sich die Reformer in der Frage des Umgangs mit den Repressionen gespalten. Der ehemalige Parlamentspräsident Mahdi Karrubi, ein führender Reformer, löste mit seiner Kritik an "extremistischen Reformern" im eigenen Lager einen großen Streit aus. Gleichzeitig gelang es ihm aber so, viele seiner eigenen Anhänger durch das harte Zulassungsverfahren für die Parlamentskandidatur zu bekommen.

Neue Dimension von Zensur

Die Reformer sind so geschwächt, dass sie – anders als vor vier Jahren - nicht einmal mehr über einen möglichen Wahlboykott debattieren. Sogar die Studentenorganisationen rufen dieses Mal dazu auf, zur Wahl zu gehen, wenn auch nicht besonders euphorisch. Nichtwählen sei die schlechteste aller Varianten, heißt es auf ihren Websites defätistisch.

Die Schwäche der Reformer wird jedoch nicht zu einem Durchmarsch der Ahmadinedschad-Unterstützer führen. Das weiß auch das Umfeld des Präsidenten und es reagiert entsprechend nervös. Innenminister Mostafa Pourmohammadi deutete bereits an, das Internet könnte am Wahltag komplett gesperrt werden. Dies wäre eine neue Dimension von Zensur, wie sie bisher in Iran unvorstellbar war.

Das konservative Lager ist gespalten

Denn auch die Konservativen haben sich gespalten. Während die "Prinzipalisten" um den Parlamentspräsidenten Gholam-Ali Haddad Adel Staatspräsident Ahmadinedschad unterstützen, gibt es mittlerweile eine konservative Opposition um Ali Laridschani, den ehemaligen Atom-Unterhändler des Iran, die vor allem den harschen Ton der präsidialen Außenpolitik ablehnt. Ihre Hauptkritik lautet, Ahmadinedschad gäbe durch seine großspurigen Auftritte auf dem internationalen Parkett "den Feinden Irans Vorwand für Aktionen gegen die islamische Republik". Diese "gemäßigten" Konservativen könnten die großen Gewinner der Wahl sein, zumal sie nicht für die gescheiterte Wirtschaftspolitik Ahmadinedschads verantwortlich gemacht werden.

Einen echten Wahlkampf gibt es nicht, Plakate finden sich in den Straßen kaum. Gesetzlich ist der Zeitraum für Kampagnen auf sieben Tage vor der Wahl begrenzt. Fast alle Kandidaten setzten mehr auf Mundpropaganda und Mobilisierung am Wahltag, zumal die meisten von ihnen für das Wahlvolk vollkommen unbeschriebene Blätter sind. Von Mobilisierung am Wahltag könnten auch die Revolutionswächter (Pasdaran) profitieren. Diese spezielle iranische Streitkraft, aus deren Mitte auch der Staatspräsident kommt, hat diesmal so viele Kandidaten ins Rennen geschickt wie nie zuvor. Die Pasdaran gelten als besonders mobilisierungsfähig, sie verfügen über eine funktionierende Logistik, die an Wahltagen sehr wertvoll sein kann. Als ähnlich mobilisierungsstark gelten sonst nur die Geistlichen in Iran, doch sie sind unter den Kandidaten nur unterdurchschnittlich vertreten.

Einmischung des Militärs

Unabhängig vom Wahlausgang gibt es zwei Schlussfolgerungen, die man bereits jetzt ziehen kann.

Das erste Mal in der Geschichte Irans hat der Oberkommandierende der iranischen Streitkräfte, Hassan Firuzabadi, offen für die Wahl von Ahmadinedschad-nahen Kandidaten aufgerufen. Diese ungeheuerliche Einmischung des Militärs hat zu massiven Protesten geführt, allen voran von Hassan Chomeini, dem Enkel des Republik-Gründers Ruhollah Chomeini. Die Angriffe der Konservativen zum Treffen des deutschen Botschafters mit Reformern ist nur eine Retourkutsche zu dieser Kritik. Das Militär ist damit ein neuer Akteur in der iranischen Innenpolitik, mit dem man ab sofort rechnen muss.

Die zweite Schlussfolgerung: Ahmadinedschad verliert bei dieser Wahl – wie auch immer sie ausgehen wird. Die Madschles-Wahl ist ein wichtiger Stimmungstest, wenn sie auch kein Referendum über die Politik des Staatspräsidenten ist, wie es manche ausländische Beobachter behaupten. Sollte das Laridschani-Lager gewinnen, ist Ahmadinedschad innerhalb der Konservativen angeschlagen.

Sollten die "Prinzipalisten" gewinnen, dann droht Ahmadinedschad eine Allianz zwischen Laridschani und den schwachen Reformern, also die Bildung einer "nationalen Einheitsfront" gegen den Präsidenten. Sollten sich diese auch noch auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Juni 2009 einigen können, dann wäre Ahmadinedschad am Ende.

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