Wahlkampf der US-Republikaner Gingrich poltert sich nach vorn
Noch bevor die Show begonnen hat, gilt Newt Gingrich als ihr Verlierer. Denkt man jedenfalls. Denn Marianne, die Ex-Frau des Kandidaten, hat sich zu Wort gemeldet an diesem Tag, sie hat dem Sender ABC ein pikantes Interview gegeben: Newt habe eine "offene Ehe" führen wollen und ihr vorgeworfen, sie wolle ihn ganz für sich haben. Währenddessen aber habe er schon längst eine Affäre mit Callista gehabt, seiner heutigen Ehefrau Nummer Drei.
Nix mit Monogamie. Nix mit gottesfürchtigem Republikanertum. Alles Newt.
Noch zwei Tage sind es bis zur alles entscheidenden Vorwahl in South Carolina, als CNN am Donnerstagabend mit der TV-Debatte der Bewerber auf Sendung geht. Gingrich, der zuletzt ziemlich gut im Rennen lag, droht jetzt alles zu verlieren.
Nur zehn Minuten später sieht die Sache ganz anders aus.
Und das läuft so. Natürlich hat CNN-Moderator John King die Sache mit der Ex-Frau angesprochen. Ob er darauf regieren wolle, fragt er den Kandidaten Gingrich. "Nein", sagt der mit bösem Blick, "aber ich werde reagieren." Gingrich wählt den Angriff als Verteidigung. Es folgt eine geharnischte Verbalkanonade auf die Medien im Allgemeinen und King im Besonderen. "Destruktiv, boshaft, negativ" sei das. "Ich bin entsetzt, dass man eine Präsidentschaftsdebatte mit einem solchen Thema beginnt."
Gingrich: "Solch' ein Müll"
Feuer frei auf die Medien - das zündet im konservativen South-Carolina-Publikum. Nahezu der gesamte Saal erhebt sich, applaudiert, ruft "Newt, Newt, Newt". John King schaut düpiert drein. Ob Gingrich noch was sagen wolle, fragt er nach einer Unterbrechung. Und der Gefragte tut so, als habe King ihn da gerade stoppen wollen: Er sei noch nicht fertig. "Ich bin erstaunt, dass CNN die Debatte mit einem solchen Müll beginnt." Im Übrigen seien alle Anschuldigungen seiner Ex-Frau falsch. Das fürs Protokoll.
Es ist offensichtlich: Gingrichs Empörung ist wohlkalkuliert. Das republikanische Urgestein spielt seine Rolle brillant. Am Ende ist es sogar der Präsident, der als Sündenbock für Gingrichs Doppelmoral und seinen Umgang mit Ehepartnern herhalten muss: "Ich bin es leid, dass die Leitmedien Barack Obama schützen."

Debatte in South Carolina: Newt Gingrich - er kam, sah und polterte
Und während John King wie ein Schuljunge vor seinem aufgeputschten Publikum steht, kann sich Gingrich ein Siegerlächeln nicht verkneifen. Es funktioniert tatsächlich.
Es funktioniert vor allem auch als Abwehr gegen die erwartbaren Angriffe seiner Kontrahenten. Die nämlich bleiben jetzt aus, die Stimmung im Publikum ist zu eindeutig. Hatte insbesondere der erzkonservative Rick Santorum in der Vergangenheit keine Gelegenheit ausgelassen, mit Blick auf Gingrich darauf hinzuweisen, dass Reden und Handeln durchaus übereinstimmen sollten, versucht er sich diesen Satz nun zu verkneifen. Was ihm natürlich nicht so richtig gelingen mag.
Ja, sagt der Katholik Santorum, Gott vergebe natürlich. Santorum steht der Schweiß auf der Stirn und Gingrich neben ihm. Aber, sagt er, man solle die Kandidaten schon danach beurteilen, was sie getan haben in ihrem Leben. Gut, aber noch mal, Amerika sei ein Land, das auch vergeben könne. Santorum laviert.
Im weiteren Verlauf der Debatte jedenfalls zeigt sich, dass die Kandidaten inklusive Gott dem Kollegen Gingrich zwar seine doppelten Standards verzeihen mögen, ansonsten aber klare Kante walten lassen. Illegale Immigranten, die seit 25 Jahren in den USA leben? "25 Jahre Gesetzesbruch", sagt Santorum. "Sollen das Land verlassen und sich wieder hinten anstellen", stellt Mitt Romney klar.
"Mit Hirn und in der Wahlkabine"
Welch' ein Tag war der Debatte vorausgegangen: Am Vormittag ergibt die erneute Zählung der Stimmen des Iowa-Caucus, dass nicht Romney, sondern eigentlich Santorum mit ein paar Stimmen Vorsprung gewonnen hat. Dann erklärt Texas-Gouverneur Rick Perry ("Ooops"), dass er aus dem Rennen aussteige ("strategischer Rückzug") und fortan Gingrich unterstütze. Kurz darauf kursieren die ersten Video-Schnipsel vom Interview der Marianne Gingrich.
Und schließlich taucht auch Herman Cain in South Carolina auf - jener Kandidat, der sich wegen anhaltender Vorwürfe der sexuellen Belästigung bereits im Dezember selbst aus dem Rennen genommen hat. Cain will jetzt auch eine Wahlempfehlung abgeben. Doch statt Gingrich, Romney, Santorum oder Ron Paul unterstützt Cain: "das Volk". Kein Witz. Eine "Armee der Davids" solle gegen die Goliaths in Washington kämpfen. Ungefähr so, wie man es gegen die Briten im 18. Jahrhundert gemacht habe. Aber diesmal natürlich ohne Waffen, versteht sich, "nur mit Hirn und in der Wahlkabine".
Cain freut sich: "Ein Vorschlag, der den Medien nicht gefallen wird. Dafür werden ihn die Amerikaner lieben." Mal sehen.
Republikanisches Tohuwabohu kurz vor dem alles entscheidenden Samstag. Gewinnt Romney nach seinem halben Sieg in Iowa und dem ganzen in New Hampshire auch noch den Südstaat South Carolina, wird er kaum noch zu stoppen sein. Sollten aber Gingrich oder Santorum siegen, würden die Karten neu gemischt.
Umfrage: Romney 37 Prozent, Gingrich 30, Santorum zehn
Die Chancen stehen gar nicht so schlecht, der moderatere Romney hat laut Umfragen in den letzten Tagen an Vorsprung eingebüßt. Allerdings: Die Konservativen sind gespalten, haben keinen Einheitskandidaten. Gingrich und Santorum nehmen sich gegenseitig die Stimmen weg. So liegt einer aktuellen Umfrage des Magazins "Politico" zufolge Romney bei 37 Prozent während Gingrich auf 30 und Santorum auf zehn Prozent kommt.
Gingrich hat in den vergangenen Tagen mehrfach versucht, Santorum zum Aufgeben zu bewegen, um seine Stimmen einzukassieren. Kein Wunder, dass es in der TV-Debatte am Donnerstagabend diese beiden sind, die sich immer wieder beharken. Wer kann Obama im Herbst der härteste Gegner sein? Das ist ihr latenter politischer Schönheitswettbewerb.
Aggressiv wie nie zuvor in einer Debatte stellt sich Santorum, der Ex-Senator aus Pennsylvania, als der einzig "wahre Konservative" dar: Gingrich, sagt er, habe in der Vergangenheit mehrfach die Politik Obamas unterstützt, etwa in Sachen Gesundheit oder Klimawandel. Gingrich dagegen lästert: "Rick hätte es schwer, in einer Debatte gegen Obama zu bestehen." Zudem habe er selbst die größere Erfahrung. Mit Präsident Ronald Reagan habe er schon in den Achtzigern für das Wohl des Landes gearbeitet, 17 Millionen Jobs hätten sie gemeinsam geschaffen. Und die Sowjetunion verschwinden lassen. Als er in den Neunzigern Sprecher des Repräsentantenhauses war, sagt Gingrich, seien weitere elf Millionen Jobs entstanden.
Gingrich veröffentlicht Einkommensverhältnisse im Internet
Wahrlich, keine schlechte Bilanz: Die Sowjets weg und fast 30 Millionen Jobs da. Mitt Romney allerdings findet es vor diesem Hintergrund irgendwie komisch, dass Gingrich in Reagans Autobiographie nur ein einziges Mal erwähnt werde. Breites Grinsen.
Dabei lässt der Zweikampf der Konservativen sowohl Ron Paul als auch Romney in den Hintergrund rücken. Möglicherweise ist es Romney sogar ganz recht, dass er diesmal nicht im Zentrum steht, hatte dem Multi-Millionen-Dollar-Mann in den vergangenen Tagen doch die Debatte über seinen mutmaßlichen 15-Prozent-Mini-Steuersatz gehörig zugesetzt.
Seine Einkommensverhältnisse will er nun erst im April offen legen. Gingrich seinerseits nutzt das Zögern des Kontrahenten. Auf die Frage, wann er seinerseits Einblick gewähre, antwortet er während der CNN-Debatte: "Vor einer Stunde." Tatsächlich hat er da die Zahlen für 2010 ins Internet stellen lassen. Demnach verdiente Gingrich in dem Jahr 3,1 Millionen Dollar, sein Steuersatz lag bei 31 Prozent.
So verlässt der Mann den Saal als Sieger: "Wenn ich am Samstag gewinne, dann ist das Rennen wieder offen", tönt er noch. Dann kommt Callista auf die Bühne und gibt ihm einen Kuss. Eine knappe Stunde später flimmert das komplette Interview mit Marianne Gingrich über die Bildschirme.