
Joe the Plumber: Held der Konservativen
Wahlkampf in den USA Ein Klempner will in den Kongress
Die besten Hot Dogs der Stadt soll es bei "Tony Packo's" geben. Ungarische Art, schön scharf. Ein paar Berühmtheiten waren auch schon da in den vergangenen Jahrzehnten; der Schauspieler Burt Reynolds, der ein oder andere Präsidentschaftsbewerber. So wirbt man auf der eigenen Internetseite. Und bevor die Stars nach dem Wurstgenuss gehen, unterschreiben sie stets auf einem Hot-Dog-Brötchen. So läuft das bei "Tony Packo's" in Toledo, Ohio, oben bei den Great Lakes zwischen Chicago und Detroit.
Jetzt war auch Samuel Joseph Wurzelbacher da. Der Mann will schließlich Karriere machen, in Washington. Als Politiker.
Wurzelbacher? Ist Ihnen nicht bekannt? Gut, dann kennen Sie ihn vielleicht als Joe, den Klempner. Genau! Jener Kerl - bullig, Glatze, T-Shirt -, der im Spätsommer 2008 den Präsidentschaftskandidaten Barack Obama in eine legendäre Steuerdiskussion verwickelte:
"Mein Name ist Joe Wurzelbacher."
Obama: "Schön, dich zu sehen, Joe!"
"Ich will eine Firma übernehmen, die 250.000, 270.000, 280.000 Dollar im Jahr macht. Du willst mich stärker besteuern, nicht wahr?"
Joe the Plumber war zwar weder lizenzierter Klempner noch stand er kurz vor der Übernahme eines Klempnerladens. Und mit geschätzten 40.000 Dollar Jahreseinkommen gehörte er eher zu den Profiteuren von Obamas Plänen. Doch das war egal. Trotz aller Ungereimtheiten legte Joe eine Medienkarriere hin, schrieb später noch ein 197-Seiten-Büchlein mit dem Titel "Kämpfen für den amerikanischen Traum". Obamas Gegner John McCain zitierte die Steuerszene im TV-Duell, das ganze Land diskutierte. Wurzelbacher machte schließlich sogar Wahlkampf für McCain und Sarah Palin.
So wurde Samuel Joseph Wurzelbacher zu Joe the Plumber, dem Helden der Mittelklasse. Die Amerikaner lieben solche Geschichten.
"Politiker zu sein ist genauso gut wie Meteorologe zu sein"
Drei Jahre später hat Joe the Plumber im Restaurant "Tony Packo's" eine Ankündigung zu machen. Er will bei den Kongresswahlen 2012 als Republikaner um das Mandat des 9. Distrikts von Ohio kämpfen. Vor zwei Jahren hatte Wurzelbacher bereits eine Kandidatur erwogen. Nun zeigt sich: Er meint es ernst. "Die Amerikaner müssen von allen möglichen Leuten im Parlament repräsentiert werden, nicht nur von der herrschenden Klasse", sagt er. Er trete an, weil so viele Leute ihre Häuser und Ohio wegen der schwächelnden Wirtschaft hätten verlassen müssen.
Wurzelbacher hat die Zeichen der Zeit erkannt. Er scheint sich als Trittbrettfahrer der radikalen Tea-Party-Bewegung zu versuchen. Kampf dem Establishment, Hauptsache dagegen. Mit Leuten wie Wurzelbacher, dem symbolischen Jedermann, hofft die Tea Party auf noch mehr Einfluss in den republikanischen Reihen. Sollten die Republikaner nach dem Wahltag 2012 die Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus stellen, können sie den neuen Präsidenten - wer immer das auch sein mag - in Schach halten.
"Politiker zu sein ist genauso gut wie Meteorologe zu sein", hat Wurzelbacher vor einiger Zeit bei einer Tea-Party-Veranstaltung gesagt: "Du musst nicht richtigliegen, du musst deinen Job nicht ordentlich machen - egal, du wirst immer einen Job haben." Es sind die typischen Sprüche von Amerikas Wutbürgern, verbittert und enttäuscht über die politische Klasse. Der 37-jährige Wurzelbacher spielt jetzt wieder ihren obersten Vertreter.
Klar, dass sich Joe the Plumber auch von John McCain losgesagt hat. Mit dem Republikaner alten Schlags können die neuen Dagegen-Politiker wenig anfangen. "Hobbits" und "dumm" hat McCain die Tea-Party-Aktivisten genannt. Wurzelbacher seinerseits sagte schon vor Monaten über McCain, dieser habe ihm "das Leben versaut".
Ist er wirklich Klempner?
Sollte Joe the Plumber von der republikanischen Partei als Kandidat fürs Repräsentantenhaus nominiert werden, bekommt er es wohl mit Marcy Kaptur zu tun - wenn die Demokratin die Vorwahlen ihrer Partei gewinnt. Seit 28 Jahren schon sitzt sie für Ohio im Repräsentantenhaus, gehört zu den längstgedienten Mitgliedern im Kongress. Wurzelbacher versus Kaptur - das wäre wirklich ein Kampf des Outsiders gegen die Insiderin.
Im Internet wirbt Wurzelbacher mit der Seite "Joe for Congress" um Spenden, verspricht, sich als Vertreter der Arbeiterklasse für konservative Werte in Washington einzusetzen. Jon Stainbrook, der lokale Vorsitzende der Republikaner, sagte der Nachrichtenagentur AP, Wurzelbacher finde Anklang "bei Leuten, die ermüdet sind von der üblichen Politik. Er trifft diese Stimmung, dass da in Washington Mist gebaut wird".
Die Abgeordnete Kaptur stellt sich offensichtlich auf einen harten Kampf ein: "Sein Name ist nicht Joe. Er ist kein Klempner. Und wir wissen nicht sicher, in welchem Kongressdistrikt er eigentlich lebt", lästerte Kapturs Sprecher schon vor Wurzelbachers Auftritt bei "Tony Packo's" mit Blick auf die Tatsache, dass der nicht in jenem Distrikt wohnt, für den er kandidiert: "Aber sonst ist er der perfekte Kandidat." Die Antwort von Wurzelbachers Leuten kam prompt: Joe habe erst bei der Air Force und später für mehrere Unternehmen als Klempner gearbeitet.
Wird Joe, der Kandidat, jetzt eine ähnlich große Welle machen können wie einst Joe, der Klempner? "Ich fühle mich wie eine Art Britney Spears mit Kopfschmerzen", sagte Wurzelbacher damals, im Jahr 2008. Und fügte hinzu: "Ich hoffe nur, dass ich mich nicht zu sehr zum Narren mache."