Sturm aufs Parlament Polizei und Nationalgarde sichern Kapitol

Die Nationalgarde ist eingetroffen, um das Kapitol vor gewaltbereiten Demonstranten zu schützen
Foto:Jacquelyn Martin / AP
Nachdem aufgebrachte Anhänger von Donald Trump ins Kapitol eingedrungen waren, haben Sicherheitskräfte den Kongress-Sitz gesichert. Das berichten mehrere US-Medien vier Stunden nach dem Start der Unruhen übereinstimmend. Wie auf Fotos zu sehen ist, bewachen schwer bewaffnete Polizisten und die Nationalgarde das Kapitol.
Seit dem frühen Nachmittag (Ortszeit) hatte es Zusammenstöße von Anhängern des US-Präsidenten und der Polizei vor dem Kapitol gegeben. Ziel der gewaltsamen Proteste war die Bestätigung der US-Wahlergebnisse am Sitz des amerikanischen Kongresses. Wie auf Bildern mehrerer US-Medien zu sehen war, marschierten Hunderte Menschen nach einer Rede Trumps zum Parlamentssitz.
Die Beratungen der Abgeordneten wurden vorübergehend unterbrochen, nachdem die gewaltbereiten Demonstranten in den Parlamentssitz vorgedrungen waren. Fernsehbilder zeigten eine große Menge vor dem Kapitol und später auch in den Räumen des Kongress-Sitzes. Die Polizei setzte Tränengas und Pfefferspray ein. Auf den Treppen des Kapitols wurden Trump-Flaggen entrollt.
Trump-Anhänger schaffen sich Zugang zu Büros
Wie auf Fotos von Journalisten zu sehen ist, verschafften sich die Trump-Anhänger Zugang zu den Büros der Kongress-Angehörigen. Auf einem Foto sitzt ein Mann im Büro der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Mitarbeiter berichtet, wurden Pelosi sowie die designierte Vizepräsidentin und Senatorin Kamala Harris in Sicherheit gebracht.

Weil die Sicherheitskräfte offenbar nicht gegen die gewaltbereiten Demonstranten ankamen, wurde die Nationalgarde Washingtons zum Kapitol entsandt. Auch die Gouverneure der Bundesstaaten Virginia und Maryland gaben bekannt, Nationalgardisten und die Landespolizei in die benachbarte Hauptstadt zu entsenden. Virginia rief zudem den Notstand aus.
Pelosi sagte am Abend, dass der Kongress die Zertifizierung des Wahlergebnisses im Laufe des Abends fortsetzen wolle. Man werde die Sache zu Ende bringen, teilte Pelosi mit.
Offenbar rechte Gruppen unter gewaltbereiten Demonstranten
Der »Washington Post« zufolge waren Angehörige von rechten Gruppen unter den gewaltbereiten Demonstranten, die die Menge weiter aufstachelten. Mindestens zwei zum Parlamentskomplex gehörende Gebäude in der Nähe waren demnach evakuiert worden.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters in Bezug auf eine FBI-Sprecherin berichtet, seien zwei Sprengsätze von der Bundespolizei unschädlich gemacht worden. Zuvor hatte die AP von einem Sprengkörper in der Nähe des Kapitols berichtet. Die »New York Times« berichtete von einem weiteren Sprengsatz bei der Parteizentrale der Republikaner. Die nahe gelegene Parteizentrale der Demokraten sei demnach evakuiert worden.

Das Kapitol gehüllt in Blaulicht: Sicherheitskräfte haben die Lage offenbar wieder unter Kontrolle
Foto: Carolyn Kaster / APDie Bürgermeisterin der Hauptstadt, Muriel Bowser, verhängte eine Ausgangssperre von 18 Uhr bis 6 Uhr. Wie mehrere US-Medien übereinstimmend berichten, wurde im Kapitol eine Frau angeschossen und starb kurz darauf. Der Polizeichef von Washington, Robert Contee, hatte zuvor bei einer Pressekonferenz bestätigt, dass es sich um »eine Zivilistin« gehandelt habe. Weitere Informationen waren zunächst nicht bekannt.
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In einem Video wandte sich Trump um 16.30 Uhr (Ortszeit) über die sozialen Netzwerke an seine Anhänger und rief sie dazu auf, das Kapitol zu verlassen und nach Hause zu gehen. Dabei wiederholte er den unbelegten Vorwurf der Wahlfälschung, mit der er die gewaltbereiten Demonstranten zuvor angestachelt hatte. »Sie müssen jetzt nach Hause gehen. Wir müssen Frieden haben. Wir müssen Recht und Ordnung haben«, sagte Trump.
Twitter versah das Video zunächst mit einem Hinweis und schränkte die Verbeitung ein. Später löschte das Netzwerk das Video, wie auch Facebook und Youtube. Am Abend (Ortszeit) gab Twitter bekannt, den Account des US-Präsidenten für zwölf Stunden zu sperren. Bei zukünftigen Regelverstößen würde der Account dauerhaft gesperrt werden, hieß es in einer Erklärung. Twitter gilt als favorisiertes Netzwerk des US-Präsidenten, mehrmals täglich twittert Trump.
Pence droht mit Konsequenzen
Der designierte US-Präsident Joe Biden verurteilte die Angriffe. Biden bezeichnete die Ausschreitungen als »beispiellosen Angriff« auf die Demokratie. Er forderte Trump auf, sofort eine Rede vor dem Kapitol zu halten, um »dieser Belagerung« ein Ende zu setzen. Biden rief zur Rückkehr zum »Anstand« auf.
Vizepräsident Mike Pence schrieb auf Twitter: »Friedlicher Protest ist das Recht jedes Amerikaners, aber dieser Angriff auf unser Kapitol wird nicht toleriert werden und jene, die daran beteiligt sind, werden mit der ganzen Härte des Gesetzes zur Verantwortung gezogen«, schrieb Pence.
Die demokratische Abgeordnete des Repräsentantenhauses, Ilhan Omar, kündigte bei Twitter an, dass sie die Anklageschrift zur Amtsenthebung des US-Präsidenten verfasse. Trump sollte vom Repräsentantenhaus angeklagt und vom Senat seines Amtes enthoben werden, schrieb sie. »Es ist eine Frage der Erhaltung unserer Republik, wir müssen unseren Eid erfüllen.«
Trump hält Rede über Betrug bei US-Wahl
Der scheidende US-Präsident hatte in seiner Rede über angeblichen Betrug bei der US-Präsidentenwahl seine Anhänger dazu aufgerufen, zum Kapitol zu ziehen, das den Senat und das Abgeordnetenhaus beherbergt. Bei seiner Rede forderte er Zehntausende anwesende Unterstützer dazu auf, sich den »Diebstahl« der Wahl nicht gefallen zu lassen.
Bei Twitter rief Trump die Demonstranten später dazu auf, friedlich zu bleiben. »Bitte unterstützt die Capitol Police und die Strafverfolgungsbehörden, sie sind auf der Seite unseres Landes«, schrieb Trump. »Keine Gewalt! Denkt daran, wir sind die Partei von Recht und Ordnung.«
Der Minderheitenführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, sagte dem Fernsehsender Fox News, dass die gewaltsamen Proteste »unamerikanisch« seien. Sie müssten sofort aufhören, sagte er.
Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas meldete sich zu Wort. »Trump und seine Unterstützer sollten endlich die Entscheidung der amerikanischen Wähler*Innen akzeptieren und aufhören, die Demokratie mit Füßen zu treten«, twitterte er. »Die Verachtung demokratischer Institutionen hat verheerende Auswirkungen.« Das Krisenzentrum des Auswärtigen Amtes warnt Deutsche in Washington über Twitter zur Vorsicht.
Am Mittag (Ortszeit) hatte sich Vizepräsident Pence bei der Kongress-Sitzung gegen Trump gestellt. Bei der Zertifizierung der Ergebnisse der US-Wahl, die Trump deutlich gegen Joe Biden verloren hatte, kündigte Pence an, nicht einseitig Stimmen von Wahlleuten abzulehnen. Sein Eid zum Schutz der Verfassung erlaube ihm das nicht, teilte Senatspräsident Pence mit. Trump hatte Pence zuvor aufgefordert, Bidens Wahlsieg doch noch zu kippen.