Wechsel in Japan
Naoto Kan zum neuen Regierungschef gewählt
Stabwechsel in Tokio: Der bisherige Finanzminister Naoto Kan ist zum neuen Ministerpräsidenten Japans gewählt worden. Er übernimmt nach dem Rücktritt von Yukio Hatoyama auch die Führung der demokratischen Partei. Einen radikalen Kurswechsel strebt der neue Premier nicht an.
Neuer japanischer Regierungschef Naoto Kan: Das Land wieder aufbauen
Foto: KAZUHIRO NOGI/ AFP
Tokio - Nach dem Rücktritt von Premier Yukio Hatoyama kehrt die japanische Regierung wieder in ruhigeres Fahrwasser zurück. Zum neuen Ministerpräsidenten des Landes wurde der bisherige Finanzminister Naoto Kan gewählt. Bei der Abstimmung im Unterhaus erhielt der 63-Jährige am Freitag 313 von 477 abgegebenen gültigen Stimmen. Das Oberhaus bestätigte die Wahl mit 123 von 237 Stimmen.
Die regierende Demokratische Partei (DPJ) hatte Kan zuvor auch zu ihrem Parteichef gewählt. Der 63-Jährige kündigte an, seine erste Aufgabe sei es, "das Land wiederaufzubauen". Er will dabei der politischen Linie seines Vorgängers folgen.
Dazu gehört unter anderem die Schaffung einer ostasiatischen Gemeinschaft nach dem Vorbild der Europäischen Union sowie die Reduzierung der Treibhausgase bis 2020 um 25 Prozent gegenüber dem Stand von 1990. Kan hatte zudem angekündigt, an der geplanten Steuerreform festzuhalten. Er will die Wirtschaft mit einer neuen Wachstumsstrategie stärken.
Der Politiker ist Mitgründer der DPJ und gilt als entscheidungsfreudiger und durchsetzungsfähiger als sein Vorgänger Hatoyama. In den neunziger Jahren machte Kan bereits als Gesundheitsminister von sich reden, als er die Aufklärung eines Skandals um HIV-verseuchte Blutkonserven vorantrieb.
Kan wird der fünfte japanische Ministerpräsident in nur drei Jahren. Er war auch an den Finanzmärkten favorisiert worden, die in seiner Ernennung eine Chance sehen, die Schuldenbekämpfung der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft voranzubringen.
ist der am stärksten verschuldete Industriestaat: Das Haushaltdefizit liegt bei etwa 200 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Kans Vorgänger Hatoyama war am Mittwoch
nach nur acht Monaten als Premier zurückgetreten. Er hatte im vergangenen September nach jahrzehntelanger Herrschaft der konservativen Liberaldemokraten mit einer Mitte-Links-Koalition die Regierung übernommen.
Mit seinem Rücktritt hat Hatoyama die Verantwortung für Parteispendenskandale übernommen, in die er selbst verwickelt ist. Hinzu kam das Fiasko um den Verbleib einer US-Basis auf Okinawa. Hatoyama hatte dem Volk Hoffnung gemacht, der Stützpunkt würde verschwinden.
Mit seinem Rückzug hatte der Politiker auch dem Druck aus seiner Partei nachgegeben, die sich mit dem neuen Premier Kan bessere Chancen bei der Oberhauswahl im Juli erhofft. Hatoyama hatte bei Umfragen zuletzt nur noch Zustimmungswerte von 17 Prozent erreicht.