Weißrussland Opposition entsetzt über deutsche Polizeihilfe

Ex-Präsidentschaftskandidat Michalewitsch: "Ich bin schockiert"
Foto: MICHAL CIZEK/ AFPMinsk/Berlin - Weißrusslands Opposition ist entsetzt über die deutsche Unterstützung für die Sicherheitskräfte von Diktator Alexander Lukaschenko. Ales Michalewitsch, der bei den vergangenen Präsidentenwahlen gegen Lukaschenko antrat, sagte SPIEGEL ONLINE: "Ich bin sehr enttäuscht über diese Zusammenarbeit, gerade die Deutschen denken doch immer mehrmals nach, bevor sie sich engagieren, umso mehr bin ich schockiert."
Michalewitsch war nach den Protesten gegen die umstrittene Wiederwahl von Lukaschenko im Dezember 2010 verhaftet und nach eigenen Angaben in einem KGB-Gefängnis gefoltert worden. Später gelang ihm die Flucht nach Tschechien, wo er politisches Asyl erhielt. Deutschland sei damals eines der wenigen europäischen Länder gewesen, das der Bitte der weißrussischen Behörden nicht nachgekommen sei, ihn auf die Interpol-Fahndungsliste zu setzen.
Der 37-Jährige kritisiert insbesondere die Zusammenarbeit der Deutschen mit Mitgliedern der Miliz, die nach der Präsidentschaftswahl die Protestierenden brutal niederschlug und immer wieder gegen Demonstranten im Land vorgeht. Zudem moniert Michalewitsch die fehlende Kooperation der deutschen Behörden: "Auf der einen Seite prangert der deutsche Außenminister das Lukaschenko-Regime und die Situation der Menschenrechte an, auf der anderen Seite arbeitet der Innenminister in solch einer Weise mit dem weißrussischen Innenministerium zusammen - das passt nicht." Dies sorge in der Opposition für Verbitterung und Wut.
Inzwischen werden immer mehr Details zu den deutschen Hilfsleistungen an die weißrussische Polizei bekannt: Deutschland schulte nicht nur die Sicherheitskräfte des Regimes, darunter Mitglieder der berüchtigten Miliz, sondern versorgte Polizisten auch zwischen 2008 bis 2011 für fast 200.000 Euro mit Ausrüstung. Wie das Bundesinnenministerium bestätigte, erhielten die weißrussischen Sicherheitsbehörden Computer, Software, Kameras und drei Fahrzeuge. Damit unterstützten die deutschen Behörden die Sicherheitskräfte auch noch, nachdem die Sicherheitskräfte die Proteste gegen die gefälschte Wiederwahl von Lukaschenko niederknüppelten.
Rückschlag für Opposition
Für Natalia Radsina ist diese Kooperation völlig inakzeptabel. "Es ist schrecklich, wenn demokratische Staaten diktatorische Staaten unterstützen", sagte die Journalistin, die nach der Wahl im Dezember 2010 verhaftet wurde und dann nach Vilnius ins Exil floh. Die heutige Chefredakteurin des regimekritischen Online-Mediums Charter97 ergänzte: "Ich bin entsetzt. Als ich damals im KGB-Gefängnis saß, dachte ich, ich könne der demokratischen Welt helfen. Ich hätte niemals gedacht, dass die Polizisten, die mich bewacht haben, in Deutschland geschult sein könnten."
Radsina fürchtet nun, dass die Nachricht über die Zusammenarbeit von deutschen und weißrussischen Polizisten die Opposition demoralisieren könne, die ja gerade auf die Unterstützung des Westens hoffe. Eine Zusammenarbeit anderer Staaten mit weißrussischen Polizeibehörden lehnt die Journalistin generell ab - im Gegensatz zu anderen Oppositionellen wie Michalewitsch. Er hält die Kooperation etwa bei der Bekämpfung von Drogen oder illegaler Einwanderung für sinnvoll. Andere Regimegegner sehen dies zudem als einen der Wege, um mittel- bis langfristig eine Öffnung der Träger des Machtsystems herbeizuführen.
"Geheimniskrämerei der Regierung politisch inakzeptabel"
Gerüchte über die Zusammenarbeit der deutschen Polizei mit weißrussischen Sicherheitskräften hatte es schon länger gegeben, im Zentrum stand dabei immer wieder der im Juli abgesetzte Bundespolizeichef Matthias Seeger. Im Juni dieses Jahres hatte die Grünen-Ostexpertin Marieluise Beck deshalb dazu eine Anfrage an das Innenministerium gestellt. Als Antwort erhielt sie lediglich die Angabe, dass es sich um die üblichen Arbeitskontakte der Grenzpolizeibehörden und des Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums im Ausland gehandelt habe.
Der SPIEGEL hatte bereits Anfang August berichtet, dass Seegers Angabe, seine Behörde habe lediglich Kontakt zum weißrussischen Grenzschutz gehabt - und auch das nur bis vor knapp zwei Jahren, so nicht stimme. "Nur tröpfchenweise bekommt die Öffentlichkeit Informationen über die Zusammenarbeit der deutschen Polizei und des weißrussischen Sicherheitsapparats", kritisiert Beck. "Die Geheimniskrämerei der Regierung ist politisch inakzeptabel."
Die Grünen-Abgeordnete ist nicht grundsätzlich gegen Polizeizusammenarbeit mit autoritären Staaten, allerdings müsse diese "auf eine Zivilisierung der Polizei ausgerichtet" sein. Aber die Regierung müsse sich eben darüber im Klaren sein, dass dies "eine politisch hochsensible Sache" ist.
Die SPD hat inzwischen eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt. "Dass Deutschland die Polizei der weißrussischen Diktatur trainiert und ausgestattet hat, ist unglaublich", twitterte Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann.