Washington - Die USA rechnen nach der Tötung von Osama Bin Laden mit massiven antiamerikanischen Protesten in der muslimischen Welt und bereiten sich auf Vergeltungsaktionen vor. Die Regierung von Präsident Barack Obama rief die US-Bürger in aller Welt zur Wachsamkeit auf.
In einer Mitteilung des Außenministeriums wurden Amerikaner in besonders brisanten Regionen "angesichts der Unsicherheit und Unberechenbarkeit der gegenwärtigen Lage dringend" aufgerufen, Massenversammlungen oder Demonstrationen zu meiden. Sie sollten am besten in ihren Häusern oder Hotels bleiben, hieß es. Aufenthalte außerhalb davon sollten auf das Nötigste beschränkt werden.
Die Warnung werde zunächst bis zum 1. August gelten. Zusätzlich zu dieser Reisewarnung wurden alle US-Botschaften am frühen Morgen in Alarmbereitschaft versetzt. Es könne sein, dass Konsulate und Botschaften vorübergehend geschlossen würden.
Westerwelle warnt vor Anschlagsgefahr
Auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) riet zur Vorsicht. Er schloss nicht aus, dass Vergeltungsschläge der Terroristen drohen könnten. "Wir müssen weiter wachsam sein", sagte er. Das Auswärtige Amt kündigte an, seine Reisehinweise zu aktualisieren.
Auch die Regierung in Großbritannien reagierte: Außenminister William Hague sagte, britische Botschaften in aller Welt seien vorsichtshalber in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Bin Ladens Tod bedeute kein Ende der Wachsamkeit gegenüber Terroristen. "Es könnte Teile von al-Qaida geben, die in den kommenden Wochen zeigen wollen, dass sie noch im Geschäft sind", sagte der konservative Politiker der BBC.
Mögliche Vergeltungsschläge drohen nach Angaben des Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, jedoch in erster Linie den USA und Pakistan. Der Tod bin Ladens bedeute in keinem Fall, "dass wir jetzt aufatmen können und davon ausgehen können, dass der Spuk (.) vorbei (ist)", sagte der ehemalige deutsche Botschafter in Washington im Deutschlandradio Kultur.
Er rechne vielmehr damit, dass das Terrornetzwerk al-Qaida versuchen werde, sich an den Amerikanern und der pakistanischen Regierung zu rächen. Dies werde aber "eher nicht" in Deutschland geschehen, sondern andernorts auf der Welt: "Dort, wo vielleicht amerikanische Streitkräfte verwundbar sein könnten."
Extra-Schutz für Touristen in Ägypten
Die ägyptische Polizei sorgt sich um ausländische Bürger und kündigte verstärkte Patrouillen in den Touristenzentren des Landes an. Ein Sprecher der Polizei in Oberägypten sagte am Montag: "Für uns ist es Routine, dass wir in solchen Situationen zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen treffen." Die Einsatzkräfte in Luxor und Umgebung seien in Alarmbereitschaft versetzt worden. Auch die Tempel und Ausgrabungsstätten würden stärker als sonst bewacht.
Konkrete Hinweise auf mögliche Racheakte islamistischer Terroristen gegen Ausländer lagen der ägyptischen Polizei nicht vor. Terroristen hatten 1997 in einem Tempel in der Nähe von Luxor 62 Menschen getötet - darunter 58 Touristen. Die Sicherheitsmaßnahmen, die nach diesem Blutbad getroffen worden waren, sind zum Teil auch heute noch in Kraft.
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Osama Bin Laden (hier ein Bild, das im Mai 1998 entstand): Zehn Jahre lang suchten die USA nach dem Qaida-Chef. Er wurde nach einem Schusswechsel in Pakistan von US-Spezialkräften getötet, das gab US-Präsident Obama in einer Rede an die Nation bekannt.
Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001. Zwei von Qaida-Terroristen gelenkte Flugzeuge rasen in New Yorks Wahrzeichen, gleichzeitig fliegen weitere entführte Maschinen Richtung Washington. Fast 3000 Menschen sterben.
Die Bilder vom Angriff auf das Herz Amerikas versetzten die westliche Welt in einen Schockzustand.
Die Terroristen attackierten auch Washington. Nur eine knappe Stunde, nachdem das erste Flugzeug in das World Trade Center raste, stürzte Flug 77 auf das Pentagon. Das Kapitol und der Westflügel des Weißen Hauses wurden evakuiert.
Nach den Anschlägen in Amerika verkündete der damalige US-Präsident George W. Bush in Wildwest-Manier, dass er Bin Laden "tot oder lebendig" haben wolle. Dennoch gelang es dem Drahtzieher des Terrors noch fast zehn Jahre lang, sich dem Zugriff der Geheimdienste und Militärs zu entziehen
Schießübung bei den Marines auf das Osama-Konterfei. Osama Bin Laden war der meistgesuchte Terrorist der Welt. Auf seine Ergreifung oder Tötung waren 25 Millionen Dollar Kopfgeld ausgesetzt.
Nur wenige Monate nach den Anschlägen vom 11. September wurde im Januar 2002 ein Internierungslager auf dem Stützpunkt des US-Militärs in Guantanamo auf Kuba eröffnet. Es wurde für Menschen eingerichtet, die von den USA als ungesetzliche Kombattanten bezeichnet wurden und wurde zum Synonym für die unmenschliche Behandlung von Häftlingen.
Barack Obama trat am 2. Mai 2011 in Washington vor die Presse. Osama Bin Laden sei tot, sagte der US-Präsident, "die Gerechtigkeit hat gesiegt".
Zum Schluss hat Osama Bin Laden die Welt noch einmal überrascht. Anders als viele erwartet hatten, spürte die US-Armee ihn nicht in einem Erdloch oder einer Höhle auf - sondern in einem weitläufigen Anwesen am Rande der Großstadt Abbottabad, nur 60 Kilometer von der pakistanischen Hauptstadt Islamabad entfernt.
Washington im Freudenrausch: Jubelnde Massen feiern den Tod des Topterroristen Osama Bin Laden auf den Straßen der amerikanischen Hauptstadt.
Auch auf dem Times Sqare in New York versammelten sich spontan tausende Menschen
Rund um die Welt verfolgen Menschen die Nachricht über den Tod des Terrorführers. In der pakistanischen Stadt Quetta schauen Männer in einem TV-Geschäft die Nachrichten
Al-Qaida unter Führung Bin Ladens verübte zahlreiche große Anschläge - im August 1998 explodierten zeitgleich Bomben in den US-Botschaften in Nairobi (Bild) sowie in Daressalam. Mehr als 200 Menschen wurden getötet.
Al-Qaida wurde auch für den Anschlag auf den US-Zerstörer "Cole" im November 2000 im jemenitischen Aden verantwortlich gemacht. Damals starben 17 Menschen.
Anschläge auf der Ferieninsel Bali im Jahr 2002: Sprengsätze explodierten vor Diskotheken, mehr als 200 Menschen starben.
Anschlag auf Moskauer U-Bahn im August 2004. Eine mutmaßliche Tschetschenin sprengte sich am Eingang der belebten U-Bahn-Station Rischskaja in die Luft. Elf Menschen starben, darunter die Attentäterin und ihr Komplize. Die Terrorgruppe Islambuli-Brigaden der al-Qaida bekannte sich zu der Tat.
Am 11. März 2004 schlugen von al-Qaida beeinflusste Terroristen in Madrid zu: Bei dem Terror auf Vorortszüge kamen 191 Menschen ums Leben, Tausende wurden verletzt.
Zerstörter Bus in London: In der britischen Hauptstadt starben bei Anschlägen am 7. Juli 2005 mehr als 50 Menschen, Hunderte wurden verletzt.
Helfer begleiten eine verletzte Frau aus der Londoner U-Bahn-Station Aldgate Station: Die Bomben explodierten im morgendlichen Berufsverkehr.
Anschlag im ägyptischen Touristenort Scharm al-Scheich. Im Juli 2005 raste ein Terrorist mit seinem Auto in die Eingangshalle des Ghazala Garden Hotels und sprengte sich dort in die Luft. 66 Menschen starben.
Bin Laden 1988 in Afghanistan. Der Sohn eines saudi-arabischen Bauunternehmers schloss sich Ende der siebziger Jahre den "Gottskriegern" an, die gegen die sowjetischen Besatzer Afghanistans kämpften.
Der Golfkrieg gegen den Irak brachte 1991 die Wende in Bin Ladens Leben. Er lehnte die Stationierung von US-Soldaten in Saudi-Arabien ab und verließ das Land. Mitte der neunziger Jahre ging er zurück nach Afghanistan und verbündete sich mit den Taliban. Nach deren Sturz 2001 tauchte er unter und meldete sich fortan nur noch mit Hassbotschaften zu Wort.
Bomben auf die afghanischen Berge. Im Dezember 2001 griff das US-Militär das Höhlensystem der Bergfestung Tora Bora auf der Suche nach Bin Laden an. Doch der Terrorchef konnte entkommen.
Aiman al-Sawahiri galt schon vor der Tötung Bin Ladens als das eigentliche Hirn des al-Qaida-Netzwerks. Nun könnte er auch offiziell dessen Nachfolge antreten. Der wortgewandte Vordenker des islamischen Extremismus entwickelte sich in den vergangenen Jahren zum Sprachrohr Bin Ladens, dem der studierte Mediziner auch als Leibarzt diente.
Nach den Anschlägen in Amerika verkündete der damalige US-Präsident George W. Bush in Wildwest-Manier, dass er Bin Laden "tot oder lebendig" haben wolle. Dennoch gelang es dem Drahtzieher des Terrors noch fast zehn Jahre lang, sich dem Zugriff der Geheimdienste und Militärs zu entziehen
Foto: REUTERS/ US NavyOsama bin Laden als junger Dschihadist in einer Höhle nahe dem afghanischen Dschalalabad (Archiv-Foto von 1988): Der Saudi-Araber kämpfte bereits in den Achtzigerjahren gegen die russischen Besatzungstruppen. Zehn Jahre später erklärte er den USA den Krieg.
Osama Bin Laden (links) und sein Vize Aiman al-Sawahiri, vermutlich irgendwo im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet: Obwohl sie die beiden meistgesuchten Männer der Welt sind, gelingt es ihnen nach dem 11. September 2001 und dem anschließenden Afghanistan-Krieg jahrelang unentdeckt zu bleiben - und sich aus dem Untergrund immer wieder per Video zu Wort zu melden.
Die wenigen Bewegtbilder, die es in den letzten Jahren von Bin Laden zu sehen gab, wurden von den Analysten der Nachrichtendienste stets auch mit Blick auf seine Gesundheit ausgewertet. Doch Gerüchte, er leide an einer Nierenkrankheit, ließen sich nie erhärten.
Bin Laden im Januar 2001, anlässlich der Hochzeitsfeier eines seiner Söhne. Der Saudi-Araber, dem sein Heimatland zu diesem Zeitpunkt schon die Staatsangehörigkeit aberkannt hatte, war durch den Krieg der Mudschahidin gegen die Sowjet-Invasion in Afghanistan zum bewaffneten Kampf gekommen.
Nach dem Abzug der Sowjets entwickelt Bin Laden eine neue dschihadistische Ideologie, derzufolge der Kampf gegen den "nahen" und den "fernen Feind" parallel geführt werden müsse. Also sollen islamische Herrscher, die er als ungläubig betrachtet, ebenso angegriffen werden wie die USA und der Westen insgesamt.
Schon als Jugendlicher wendet sich Osama Bin Laden dem Islamismus zu. Seine Kinder erzieht er streng, angeblich aber durchaus liebevoll. Er selbst soll ein Pferdenarr sein.
Dieses undatierte Bild zeigt Osama Bin Laden mit einem Sturmgewehr. Es macht einen Teil seiner Anziehungskraft aus, dass der Qaida-Gründer auch selbst in die Schlacht zog und nicht nur predigte.
Pressekonferenz von Terroristen: Gemeinsam mit seinem Vize Aiman al-Sawahiri trat Osama Bin Laden 1998 in Khost in Afghanistan vor die Presse. Nicht das erste und nicht das letzte Mal übrigens: Immer wieder suchte der Saudi-Araber gezielt Kontakt zu den Medien, um seine Sicht der Dinge klarzulegen. Auch mit westlichen TV-Sendern sprach er, bis vor dem 11. September 2001. Seine damaligen Gastgeber, die Taliban, sahen das nicht gerne.
Typische Handbewegung: Als Terrorpate und Qaida-Chef legte Bin Laden stets Wert auf sein Image als weiser, gottesfürchtiger und genügsamer Kämpfer. Er galt als guter Redner, auch wenn er kein ausgebildeter Theologe war.
Ein weiteres Bild aus dem Jahr 1998. Es entstand offenbar kurz vor den Anschlägen auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania, bei denen rund 200 Menschen ums Leben kamen - einer der ersten Großanschläge von Bin Ladens Terrornetzwerk al-Qaida.
Am 7. Oktober 2001, dem Tag, an dem der Afghanistan-Krieg begann, strahlte der arabische Satellitensender al-Dschasira diese bisher unbekannten Bilder von Bin Laden aus. Dem Sender zufolge, der damals noch oft als Lautsprecher al-Qaidas gebrandmarkt wurde, waren sie zuvor aufgezeichnet worden.
Dieses Bild zeigt den Terrorpaten um Weihnachten 1998 herum in der afghanischen Provinz Helmand. Damals zeigte sich Osama Bin Laden noch regelmäßig mit Militärkleidung, später legte er diese ab.
Osama Bin Laden in einem Video des arabischen TV-Senders MBC, das der amerikanische Nachrichtensender CNN am17. April 2002 ausstrahlte. In der Videoaufzeichnung, die wahrscheinlich aus dem Vorjahr stammte, bekannte sich al-Qaida zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon.
Screenshot der FBI-Webseite: In seiner Liste der meistgesuchten Verbrecher führt die US-Behörde Osama Bin Laden inzwischen als "deceased", verstorben.