
Weltweiter Waffenhandel Das Bombengeschäft
Berlin - Außenminister Guido Westerwelle hat es getan, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle auch und der inzwischen zurückgetretene Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sowieso. Sie alle haben im Ausland Werbung für die deutsche Rüstungsindustrie gemacht.
Als Guttenberg im Februar nach Indien geflogen war, nur um für den Kampfjet Eurofighter zu werben, war die Aufregung der Opposition groß. "Unverantwortlich", klagten die Kritiker, der Verkauf von Kampfflugzeugen in die spannungsgeladene Region sei ein "Beitrag zur Eskalation", die Bundesregierung gehe "leichtfertig" mit den restriktiven deutschen Rüstungsexportrichtlinien um.
Die hingegen frohlockte - für sie sind solche Werbetrips von Ministern wichtige Missionen im Wettbewerb um internationale Großaufträge wie den der indischen Luftwaffe. "Ohne die Unterstützung der Politik kommen wir bei keinem unserer Projekte in Zukunft weiter", sagte Stefan Zoller, der beim europäischen Rüstungsgiganten EADS die Verteidigungs- und Sicherheitsabteilung Cassidian leitet.
Reiche Schwellenländer auf Einkaufstour
Tatsächlich könnten deutsche und andere westliche Politiker in Zukunft häufiger auf Roadshow für die Rüstungsindustrie gehen, denn weltweit locken zahlreiche weitere Milliardenaufträge. Vor allem die immer reicher werdenden Schwellenländer gieren nach neuen Flugzeugen, Hubschraubern und U-Booten aus dem Westen.
- Indien, das seinen Wehretat im vergangenen Jahr um gut ein Drittel erhöht hat, ist da nur ein Beispiel. Mit 126 Kampfflugzeugen im Wert von umgerechnet 7,3 Milliarden Euro hat das Land einen der größten Einzelaufträge ausgeschrieben.
- Auch Brasilien rüstet kräftig auf und stellt seinen Streitkräften gut 25 Prozent mehr Mittel zur Verfügung. Auf der Einkaufsliste der Militärs: Panzer, Kampfflugzeuge und Hubschrauber.
- Einen der größten Rüstungsdeals der Geschichte haben jüngst die USA und Saudi-Arabien eingefädelt: Waffen im Wert von mehr als 60 Milliarden Dollar wollen US-Firmen in den kommenden fünf bis zehn Jahren an die Saudis liefern, unter anderem 84 neue F-15-Kampfjets und 178 Hubschrauber.
Jan Grebe vom Bonn International Center for Conversion (BICC), einem der großen deutschen Friedensforschungsinstitute, hat sich eingehend mit dieser Entwicklung beschäftigt. "In der jüngsten Vergangenheit hat es weltweit eine Reihe von extrem großen Modernisierungs- und Anschaffungsprogrammen gegeben", sagte der Experte für Waffenhandel. Vor allem Schwellenländer mit großen Rohstoffvorkommen sorgten für Dynamik auf den weltweiten Rüstungsmärkten.
"Dabei geht es zum Teil ums Prestige", sagt Grebe. Die öl- und rohstoffreichen Länder wollten mit ihren Waffenkäufen zeigen, "schaut her, wir sind jetzt wer". Aber auch handfeste geostrategische Interessen spielten bei dem Rüstungsboom eine Rolle. "Die USA haben zum Beispiel ein starkes Interesse daran, mit Saudi-Arabien eine konventionell Gegenmacht zum Iran aufzubauen", erklärt Grebe.
1,5 Billionen im Jahr für Rüstung
Rund 1,5 Billionen Dollar haben die Staaten der Welt im Jahr 2009 zusammen für ihr Militär ausgegeben, hat das anerkannte Stockholmer Institut für Friedensforschung (SIPRI) berechnet. Im Vergleich zu vor zehn Jahren sind die Militärsausgaben damit um fast 50 Prozent gestiegen. Nahezu drei Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung sind direkt auf Investitionen ins Militär zurückzuführen.
Am meisten Geld investieren nach wie vor die USA in ihre Armee. Mit einem Militäretat in Höhe von 661 Milliarden Dollar waren sie 2009 für 43 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben verantwortlich. Doch die Schwellenländer holen auf. Bereits auf Platz zwei der Liste der größten Militäretats der Welt folgt China, das laut Sipri geschätzte 100 Milliarden Dollar für seine Verteidigung ausgibt. Auch Russland (53 Milliarden Dollar, Platz fünf), Saudi-Arabien (41,3 Milliarden, Platz acht) und Indien (36,3 Milliarden, Platz neun) schaffen den Einzug in die Top Ten.
Lässt sich die Höhe der Militärausgaben anhand der Wehretats relativ leicht berechnen, wird es kompliziert, wenn es um den internationalen Handel von Waffen und Ausrüstung geht. Denn offizielle Zahlen gibt es meist nicht. Klar ist, dass ein Großteil der weltweiten Rüstungsgüter im Land der jeweiligen Abnehmer-Streitkräfte produziert und gar nicht über Grenzen gehandelt wird. Nicht umsonst haben sieben der zehn größten Rüstungskonzerne der Welt ihren Sitz in den USA.
Doch immer dann, wenn heimische Rüstungskonzerne die Wünsche der Militärs nicht befriedigen können, müssen Waffen aus dem Ausland her. Michael Brzoska, Wissenschaftlicher Direktor des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, schätzt das Volumen des internationalen Waffenhandels auf etwa 50 Milliarden Euro pro Jahr. In diese Zahl fließen allerdings auch Komponenten von Zulieferbetrieben der Rüstungsindustrie ein, die später als komplette Waffensysteme ein zweites Mal verkauft werden. "Netto dürfte das Handelsvolumen eher halb so groß sein", erklärt Brzoska.
Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur
Den größten Teil dieses Kuchens verleiben sich US-Rüstungskonzerne ein. Sie sind laut Sipri-Bericht von 2010 für 30 Prozent der weltweiten Waffenexporte verantwortlich. Der zweitgrößte Waffenexporteur der Welt ist Russland mit einem Marktanteil von 23 Prozent. Die deutsche Rüstungsindustrie folgt auf Rang drei. Sie konnte ihren Weltmarktanteil in den vergangenen fünf Jahren von sechs auf elf Prozent steigern. Vor allem U-Boote und gepanzerte Fahrzeuge aus Deutschland waren gefragt. Da diese aber zum großen Teil aus Bundeswehrbeständen stammen, die an befreundete Regierungen unter Preis verkauft oder verschenkt werden, rechnen die Sipri-Experten in ihrer Statistik mit Schätzpreisen.
Die meisten Waffenexporte gehen mit neun Prozent nach China. Von dem großen Waffenhunger der chinesischen Volksbefreiungsarmee profitiert vor allem Russland, da die USA und EU seit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 ein - wenn auch löchriges - Waffenembargo verhängt haben.
Viele Länder im asiatisch-pazifischen Raum beobachten die massive Aufrüstung Chinas mit Sorge - und reagieren ihrerseits mit Investitionen in Waffen. "In der Region ist eine extreme Dynamik entstanden", sagt BICC-Experte Jan Grebe, "man könnte sogar von einem neuen Rüstungswettlauf sprechen."
- So hatte Japan erst im Dezember eine neue Verteidigungsstrategie bekannt gegeben, um seine Streitkräfte mobiler und flexibler zu machen. Investitionen in neues Kriegsgerät dürfen da nicht fehlen: Fünf U-Boote, drei Zerstörer, zwölf Kampfjets, zehn Aufklärungsflugzeuge und 39 Helikopter haben die Militärs bestellt.
- Auch Australien rüstet mächtig auf: Die Regierung hat angekündigt, in den kommenden Jahren rund 280 Milliarden Dollar für neue U-Boote, Kriegsschiffe und Kampfbomber bereitzustellen.
- Und selbst Malaysia hat zwischen 2005 und 2009 sieben Mal so viel Geld für Rüstungsimporte ausgegeben, wie in den fünf Jahren zuvor.
Laut Jan Grebe ist das neue Wettrüsten eine ernste Gefahr für den Frieden in der gesamten Region. "Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich kleinere Scharmützel zu einem großen Konflikt ausweiten", sagt der Bonner Friedensforscher.
Er befürchtet, dass der internationale Waffenhandel in den kommenden Jahren eher zu- als abnehmen wird. "Auf absehbare Zeit werden die Schwellenländer nicht in der Lage sein, genügend Kapazitäten aufzubauen, um sich selbst mit Waffen zu versorgen", sagt Grebe. "Also werden sie weiter zukaufen müssen."
Und die Rüstungsindustrie wird gerne liefern.