Südostasien-Reise Der bescheidene Herr Westerwelle

Sein politischer Einfluss ist geschrumpft, doch Guido Westerwelle hat sich mit seiner neuen Rolle endgültig versöhnt. Tiefenentspannt bereist der FDP-Politiker derzeit Südostasien - und besucht als erster deutscher Außenminister seit sehr langer Zeit auch das einst streng abgeschottete Burma.
Das große Lächeln: Außenminister Westerwelle und Friedennobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi

Das große Lächeln: Außenminister Westerwelle und Friedennobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi

Foto: Sebastian Kahnert/ dpa

Rangun - Guido Westerwelle steht an der Seite der Friedennobelpreisträgerin. Er lächelt, sie lächelt. Fast eine Dreiviertelstunde haben sie in ihrem grauen, in die Jahre gekommenen Haus miteinander gesprochen.

Es ist der Höhepunkt von Westerwelles Südostasienreise. Aung San Suu Kyi, die Frau mit dem schmalen Gesicht und der zierlichen Figur, in marineblau gekleidet, steht mit ihm auf der Veranda. Es ist schwül, der Geruch von verbranntem Müll liegt in der Luft. Westerwelle, der hier alle offiziellen Pressetermine auf Englisch absolviert, spricht Aung San Suu Kyi mit "ihre Exzellenz" an. Er spricht von der Bewunderung und Hochachtung, die ihr in Deutschland entgegengebracht werde, lädt sie ein. "Sie können auf Deutschland zählen, sie können sich auf uns verlassen", sagt er. Die Bundesregierung wolle "nachhaltige Reformen für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit" in ihrem Land unterstützen. Man wisse, dass das noch nicht garantiert sei. Die Gastgeberin stimmt zu. "Die Reformen sind noch nicht unumkehrbar", sagt sie. Wann sie nach Deutschland komme, wisse sie noch nicht.

Die EU hat die Sanktionen gegen Burma "suspendiert", wie es offiziell heißt. Aufgehoben sind sie nicht. Das Druckmittel gegen die Militärs will auch Westerwelle nicht so schnell aus der Hand geben. In Rangun besuchen viele westliche Politiker die Oppositionsführerin, die jahrelang unter Hausarrest stand, es ist ein Kommen und Gehen. Kürzlich stand Westerwelles Parteifreund Dirk Niebel auf ihrer Veranda, zuletzt der italienische Außenminister und die EU-Außenbeauftragte. Westerwelle ist der erste deutsche Außenminister seit der Wiedervereinigung vor 22 Jahren, der das einst streng abgeschottete Land besucht.

Zackige Grüße

Hier in Rangun, der früheren Hauptstadt, will er ein politisches Zeichen setzen, Gespräche mit der Opposition führen, aber ebenso die Machthaber ermutigen, den Weg der Öffnung weiterzugehen. Die seit Jahrzehnten regierenden Militärs, die das Land einst in Myanmar umtauften, haben die Zügel gelockert. Doch ihre Präsenz ist deutlich zu spüren, schon bei der Fahrt in die Stadt. Entlang der Strecke vom Flughafen zum Hotel stehen alle dreihundert Meter zwei Uniformierte mit Gewehren. Wenn Westerwelles Kolonne passiert, grüßen sie zackig militärisch.

Die Stadt wirkt ruhig und beschaulich; nur wenig Verkehr auf den Straßen, meist gebrauchte Wagen. Erst vor wenigen Tagen wurden die Preise für Handy-Sim-Karten auf 200 Dollar reduziert, es gab lange Schlangen. Einst kosteten die Karten 4000 Dollar. So versuchte das Regime den Handyverkehr zu kontrollieren, noch immer ist es nicht einfach, aus dem Land zu telefonieren. Die Militärs sind weiter an der Macht, auch wenn sie sich zivil geben, so wie Präsident Thein Sein, ein früherer General. Auch ihn wird Westerwelle aufsuchen. Doch erst nach der Oppositionsführerin, nach einem Flug in die von den Militärs ins Zentrum des Landes verlegte neue Hauptstadt Naypidaw. Die Rangfolge des Programms, auch ein politisches Signal.

Burma ist die letzte Station Westerwelles auf einer fünftägigen Reise, nach Visiten in Brunei und Thailand. Es ist so etwas wie ein Jubiläumstrip. Vor fast einem Jahr musste er den FDP-Parteivorsitz an Philipp Rösler abgeben. Seitdem ging es stetig bergab mit seinen Liberalen, von Landtagswahl zu Landtagswahl. Während sein 39-jähriger Nachfolger schon nach kurzer Frist um seinen Posten bangen muss, wirkt der 50-Jährige, als könne ihn kaum jemand aus dem Außenamt vertreiben.

Stichelei gegen Merkel

Westerwelle hat sich eingefügt in seine Rolle, die kleiner, bescheidener ist. In Zeiten der Euro-Krise bleibt einem Außenminister, egal wie er heißt, wenig Raum. Die Kanzlerin dominiert auf der internationalen Bühne. Gleich zu Beginn seiner Reise besucht Westerwelle Brunei, nimmt am EU-Asean-Gipfel teil, eine Nische der Außenpolitik. Er hat immerhin den Vorteil, vor zwei Jahren in Madrid beim letzten Treffen gewesen zu sein - im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen in Europa. Er will den "Staaten der zweiten Reihe" wie Indonesien, Vietnam, Kambodscha und anderen ein Signal deutscher Unterstützung geben.

Doch kaum in Brunei angekommen, muss er sich zur Absage der Ukraine-Reise des Bundespräsidenten äußern, in Thailands Hauptstadt Bangkok dann zum französischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande. Seine Sätze schaffen es in die Hauptnachrichten von ARD und ZDF. Auch rät er allen Parteien, sich im französischen Wahlkampf zurückzuhalten - eine indirekte Stichelei gegen die Kanzlerin, die sich für Nicolas Sarkozy ins Zeug gelegt hat.

Doch solche Ausflüge in die deutsche Innenpolitik sind selten, Westerwelle hat sich in den vergangenen Monaten fast ausschließlich der Außenpolitik gewidmet. Die frühere Belastung, neben dem Außenamt die FDP als Vorsitzender führen zu müssen, ist er los. Er scheint damit nicht unglücklich zu sein. Mit seiner Entscheidung, die Enthaltung Deutschlands im Uno-Sicherheitsrat zum Luftkrieg über Libyen durchzusetzen, hat er sich kräftige Schrammen geholt. Daraus hat er gelernt. Er ist vorsichtiger, hat seine Rhetorik abgerüstet, gibt sich unaufgeregt und sachlich.

Deutschland, der "Fels in der Brandung"

Doch Außenpolitik hin oder her, Westerwelle behält seine Partei im Blick. In Nordrhein-Westfalen, seinem Heimatverband, engagiert er sich ebenso im Wahlkampf wie in Schleswig-Holstein. Beide Bundesländer entscheiden mit darüber, welches Gewicht die ohnehin schon fliegengewichtige FDP noch am Kabinettstisch in Berlin spielt.

Zuletzt machte sich sogar eine sentimentale Stimmung in der FDP breit. Man jubelt ihm wieder zu, bereitwillig. Das war im Herbst so, als er in Frankfurt am Main eine engagierte Europa-Rede gegen die Euro-Kritiker in den eigenen Reihen hielt, das geschah auf dem Bundesparteitag in Karlsruhe, wenige Tage vor seiner Asienreise. Da warb Westerwelle für den "Schutz des geistigen Eigentums", mit dem er die Liberalen gegen die aufstrebende Piratenpartei abzugrenzen versucht.

Auch sonst sind die Kritiker, die Westerwelle am liebsten auch noch aus dem Außenamt drängen wollten, ohne Handhabe. Künftige Wahlkatastrophen seien ihm nicht mehr anzulasten, heißt es aus der Partei. Jetzt droht Rösler, Parteichef, Wirtschaftsminister und Vizekanzler, am Pranger zu stehen, sollte es im Mai bei den Urnengängen schieflaufen. Westerwelle würde wohl überleben. Doch die Lage hellt sich ohnehin auf - noch während er in Thailand weilt, liegt die FDP zum ersten Mal bundesweit seit Monaten wieder bei fünf Prozent.

Westerwelle absolviert auf seiner Südostasienreise einen Termin nach dem anderen, macht keine Fehler. In Thailand wird er von der Ministerpräsidentin des Landes ebenso empfangen wie von der Kronprinzessin, die selbst Deutsch lernt und den Deutschunterricht in ihrem Lande ausbauen will. Der Außenminister Thailands lobt Deutschland in der Finanzkrise als "Fels in der Brandung" - das Bild der Deutschen in der Region ist positiv.

In Südostasien ist ein entspannter Westerwelle zu beobachten. Außerhalb Bangkoks, auf dem Weg zu einer Tempelanlage in Ayutthaya, wo das Auswärtige Amt ein Projekt zur Erforschung der Flutschäden unterstützt, besteigt er mit Wirtschaftsvertretern ein Boot. Entlang des Flusses Chao Praya tauchen buddhistische Tempelanlagen auf, dann eine Moschee, schließlich eine Kirche.

Irgendwann geht Westerwelle, ohne Sakko, im weißen Hemd und in khakifarbener Hose, auf das Oberdeck. Das Begleitschiff mit den Fotografen und Kameramännern hat ein Motiv. Hatte er nicht einst seiner Partei zugerufen, "auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der die Dinge regelt"? In Rostock, bei seinem Abschied vor knapp einem Jahr, wandelte er den Schlusssatz zu einem "und das bin ich nicht mehr" um.

Hier, auf dem Oberdeck eines Ausflugsdampfers gibt es kein Steuer. Aber auch ohne dieses Instrument kann der Ex-Parteichef und Nur-Noch-Außenminister gut leben.

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