Diplomatische Offensive Wie Deutschland in den Uno-Sicherheitsrat kommen will

Deutschland bewirbt sich um einen Sitz im Uno-Sicherheitsrat - und baut dabei auf Fußball. Schon bald dürfte es klappen. Auf Berlin ruht die Hoffnung, Trumps chaotischer Außenpolitik Paroli zu bieten.
Tagung des Uno-Sicherheitsrats

Tagung des Uno-Sicherheitsrats

Foto: Drew Angerer/ AFP

Venezuela legte den Uno-Delegierten einmal kandierte Nüsse aufs Pult, Neuseeland konterte mit Lakritz. Australien setzte sich mit Pralinen in Form von Kängurus und Koalas gegen Finnlands getrocknete Heidelbeeren durch. Und Belgien verwöhnte die Diplomaten neulich in der Uno-Lounge, während es draußen regnete, mit warmen Waffeln. Wenn die Vollversammlung der Vereinten Nationen jedes Jahr fünf neue Staaten in den Sicherheitsrat wählt, dann empfehlen sich die Kandidaten mit politischen Positionen - und mit Kulinarischem.

"Das ist eine Mischung aus Substanz und Sichtbarkeit", beschreibt Deutschlands Uno-Botschafter Christoph Heusgen den kuriosen Wahlkampf um das befristete Stimmrecht im Sicherheitsrat. "Sie müssen sagen, wofür Sie stehen. Darüber hinaus müssen Sie aber auch eine gewisse Öffentlichkeitsarbeit machen."

Bewerbung mit klassischer deutscher Dreifaltigkeit

Heusgen sitzt in seinem Büro hoch über dem East River, aus dem Fenster geht der Blick auf die Uno-Zentrale gegenüber. Der Ex-Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, der vorigen Sommer nach New York wechselte, erlebt das Sicherheitsratsrennen zum ersten Mal - und steckt selbst bereits mittendrin.

Uno-Zentrale

Uno-Zentrale

Foto: BRENDAN MCDERMID/ REUTERS

Denn auch Deutschland bewirbt sich diesmal. Für die "Substanz" sorgt dabei Berlins Ruf als Mittlerstaat und Verfechter internationaler Normen - ein Punkt, der in der Chaos-Ära Trump wichtiger scheint denn je. Und für die "Sichtbarkeit" sorgt, neben dem ohnehin beliebten "Schnitzelmittwoch" in der Botschaftskantine, eine klassische deutsche Dreifaltigkeit: Schwarzwälder Kirsch, Fassbier und Fußball.

Fußball, findet Heusgen, habe eine "verbindende Kraft". Weshalb an diesem Donnerstag auf dem Uno-Rasen vier Teams antreten sollen: auf der einen Seite ein paar wackere Diplomaten, auf der anderen diverse "Bundesliga-Legenden", angeführt von Lothar Matthäus. Das Mini-Turnier soll für die Fußball-WM werben - aber eben auch für Deutschlands Einzug in den Sicherheitsrat.

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Wobei der inzwischen ja so gut wie sicher ist. Ursprünglich kämpften drei Kandidaten um die zwei Plätze, die bei der turnusmäßigen Wahl am 8. Juni für die Gruppe der westeuropäischen und anderen Staaten (WEOG) reserviert sind: Deutschland, Belgien und Israel. Doch dann verzichtete Israel. Nach den jüngsten Konflikten um Gaza und der kontroversen Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem wolle es einer Abstimmungsniederlage zuvorkommen, hieß es.

Spannender als die Wahl selbst ist sowieso die Frage, was Deutschland dann im Sicherheitsrat zu erreichen hofft. Lange nicht mehr war das 15-köpfige Gremium so gelähmt und, so scheint es, sinnlos. Früher lag das meist an den renitenten Vetomächten Russland und China. Seit der Wahl von Donald Trump fallen aber auch die USA als einende Kraft weg: Zurzeit gibt es kaum noch Gemeinsamkeiten, stattdessen nur noch Zank.

Viele Diplomaten sprechen von einem amerikanischen "Vakuum" - eines, in das andere treten könnten. Etwa Deutschland? Immerhin ist Berlin mit 177 Millionen Dollar im Jahr der viertgrößte Uno-Beitragszahler. "Merkel ist die Anführerin der freien Welt", hatten manche nach Trumps Wahlsieg auch getönt.

"Wir werden natürlich kein amerikanisches Vakuum füllen können", hält Heusgen schnell dagegen. "Ich gehe auch nicht davon aus, dass es ganz allgemein ein amerikanisches Vakuum gibt."

Heusgen (r.) mit Gabriel, Merkel und Steinmeier (2016)

Heusgen (r.) mit Gabriel, Merkel und Steinmeier (2016)

Foto: Markus Schreiber/ AP

Deutschlands Ratsbewerbung setzt trotzdem ein klares Gegengewicht zu Trumps militaristischem Brutalo-Ansatz. Konfliktverhütung, Klimaschutz, Innovation, die Stärkung internationalen Rechts und der Rolle von Frauen: "Unsere Position ist die Einhaltung einer regelbasierten und auf Normen beruhenden internationalen Ordnung", sagt Heusgen. Doch vorsichtig fügt er hinzu: "Ob das gelingt, ist eine andere Frage."

Wie ein Gerücht für Unruhe sorgte

Für die Bewerbung jettete sogar Bundesaußenminister Heiko Maas persönlich nach New York, zwei Wochen nach seinem Amtsantritt. Er lud Vertreter der karibischen und pazifischen Inselstaaten zum Dinner, um ihnen Deutschlands Klimapolitik nahezubringen. Er traf Uno-Generalsekretär António Guterres, US-Botschafterin Nikki Haley und die African Group. Er sprach im Sicherheitsrat vor und lobte, wie sich das gehört, das Viertel um den Uno-Campus als "einen besonderen Ort".

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Trotzdem gab es Unruhe: Ausgerechnet Richard Grenell, Trumps neuer Botschafter in Berlin, verbreitete anfangs das Gerücht, die WEOG habe Israel per geheimer Abmachung zugesichert, dass es 2018 automatisch seinen ersten Sicherheitsratssitz erhalte. Deutschland möge also bitte verzichten. Einen solchen Deal habe es nie gegeben, widersprachen die beteiligten Diplomaten jedoch sofort. Kurz darauf zog sich Israel zurück.

Es blieben Deutschland und Belgien. Deren Botschafter trafen neulich bei einer Fragerunde aufeinander. Als sie ihre Unterschiede erklären sollten, mussten sie weitgehend passen. "Ich fühle mich wie in der Schule", schmunzelte Heusgen, der sich extra eine blauschimmernde Uno-Krawatte umgebunden und zwei Flaggen ans Revers gesteckt hatte. Die deutsche und die der Vereinten Nationen.

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