Ambitionen des Vizekanzlers Jetzt will Gabriel auch bei Merkels Europapolitik mitmischen

Kurztrip nach Frankreich: Mit Finanzminister Wolfgang Schäuble reist Vizekanzler Sigmar Gabriel zum Wirtschaftsrat nach Paris. Die Visite ist auch ein Signal, dass die SPD die Dominanz der Kanzlerin in der Europapolitik brechen will.
Wirtschaftsminister Gabriel: Die SPD überlässt die Europapolitik nicht der Union

Wirtschaftsminister Gabriel: Die SPD überlässt die Europapolitik nicht der Union

Foto: Hannibal Hanschke/ dpa

Diesmal kommt er pünktlich, das ist zuletzt ja nicht immer so gewesen bei Sigmar Gabriel. Um kurz nach neun Uhr rollt der Flieger des Vizekanzlers auf dem Flughafen Le Bourget ein. Per Kolonne rauscht er durch den Pariser Berufsverkehr, es ist einer dieser Momente, in denen der SPD-Chef sich an den Vorzügen der Macht erfreuen dürfte. Statt zwei Stunden braucht Gabriel nur 20 Minuten ins Finanzministerium.

Gabriel nimmt, anders übrigens als sein Vorgänger Philipp Rösler, an der Sitzung des deutsch-französischen Wirtschaftsrats teil. Das klingt nach einem dieser unzähligen Gremien auf transnationaler Ebene, die immer mal wieder zusammenkommen, um die großen Krisen zu besprechen. Aber Gabriel hat sich den Termin gezielt herausgesucht. Er will dabei sein, wenn Finanzminister Wolfgang Schäuble sich mit seinem französischen Kollegen und den Notenbankchefs trifft. Vorsichtshalber.

Der Sozialdemokrat will zwei Signale setzen: Es geht ihm einerseits um die deutsch-französische Freundschaft. Die sei ihm "außerordentlich wichtig", wie er sagt. In Paris regieren die Sozialisten, und auch wenn sie das bisher nicht mit allzu viel Erfolg tun, so sind sie doch immer noch Teil der gleichen Parteienfamilie. Und die rote Achse gilt es zu pflegen.

Bekenntnis zur Finanzmarktsteuer

Gabriel, das ist wichtiger, will zudem ein Zeichen in Richtung des heimischen Koalitionspartners setzen: Die SPD, so die Botschaft seines Besuchs, überlässt die Europapolitik nicht komplett der Union. Die Dominanz der Kanzlerin, der Sparkurs - alles schön und gut. Aber wir sind auch noch da. Das passt zur bisherigen Linie des umtriebigen Obergenossen: Seit er Vizekanzler ist, bemüht er sich darum, einen möglichst konstruktiven, aber eben auch selbstbewussten Koalitionspartner abzugeben.

In Paris berichten die Franzosen über die von ihnen jüngst angestoßenen Reformen. Man berät über den Stand der Bankenunion, ein innerhalb der Bundesregierung umstrittenes Thema. Auch die Finanztransaktionssteuer spielt eine Rolle. Schäuble und Gabriel wollen sie im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit einführen, aber es gibt einige Länder in Europa, die von den Plänen nicht sehr begeistert sind, und auch die Notenbankchefs haben in Detailfragen so ihre Sorgen.

Viel mehr als ein grundsätzliches Bekenntnis zur Steuer bleibt den beiden Ministern an diesem Montag nicht. Man arbeite daran, die Steuer "zustandezubringen", sagt Schäuble. Die Einführung der Steuer halte er für "zwingend", sagt Gabriel.

Der Besuch zeigt auch Gabriels Dilemma. Er und andere Sozialdemokraten können in der Euro-Politik Präsenz zeigen und sich Kompetenzen zurückerobern. Das tun sie auch überraschend schnell, Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat zum Beispiel Schäubles Chefsprecher Martin Kotthaus zum neuen Leiter in der Europa-Abteilung gemacht, um in Finanzfragen künftig ein Wörtchen mitzureden. Auch Gabriel dürfte bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Finger heben. "Wir brauchen neben der Konsolidierung auch Wachstumsimpulse", sagt er in Paris.

"Na, wenn der Vizekanzler so befindet"

Aber die Haltung der Bundesregierung werden die Sozialdemokraten nicht wesentlich korrigieren können. Mit Angela Merkels Sparkurs konnten die Genossen bislang nicht viel anfangen, in der Koalition aber müssen sie ihn weitgehend mittragen. Von gemeinsamer Haftung und Schuldentilgungsfonds ist jedenfalls schon länger keine Rede mehr in der SPD. Und so kann Schäuble seinen Kabinettskollegen auf der gemeinsamen Pressekonferenz ganz entspannt reden, ja ihm sogar den Vortritt lassen.

Gabriel winkt ab. "Na, wenn der Vizekanzler so befindet, dann fange ich an", sagt Schäuble schließlich.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Kräftegleichgewicht bald ändert. Die Europawahl naht, und die SPD setzt ihre Hoffnungen ganz auf Martin Schulz, den Präsidenten des Europaparlaments, der als Spitzenkandidat antritt. Er will Chef der EU-Kommission werden, und sollte das klappen, hätten die Sozialdemokraten deutlich mehr Möglichkeiten, den Kurs der Europapolitik mit zu prägen.

An der SPD, so die Hoffnung in der Partei, käme Merkel in allen zentralen Fragen dann nicht mehr vorbei.

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