WikiLeaks-Mails Europäische Firmen belieferten Assad-Regime
Syriens Despot Assad geht grausam gegen sein Volk vor, die Europäische Union entrüstet sich immer wieder - und dennoch liefern europäische Firmen offenbar Kommunikationstechnik an das Regime in Damaskus. Das geht aus E-Mails hervor, die die Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlicht hat.
Berlin/Hamburg - Der Krieg in Syrien tobt seit mehr als einem Jahr, Tausende Tote sind bereits zu beklagen, in manchen Städten liegen ganze Straßenzüge in Trümmern. Die Europäische Union verurteilt schon seit langem das brutale Vorgehen des Assad-Regimes gegen das eigene Volk. Und doch haben offenbar zwei europäische Firmen selbst dann noch Kommunikationstechnik an ein staatliches Unternehmen des syrischen Kommunikationsministeriums geliefert. Das geht aus E-Mails hervor, die die Enthüllungsplattform WikiLeaks am Donnerstag veröffentlicht hat.
Demnach sollten die zwei Unternehmen außerdem für das syrische Regime Teile für Kommunikationssysteme von Hubschraubern einbauen - möglicherweise in solche Fluggeräte, die später zum Kampf gegen bewaffnete und unbewaffnete Assad-Gegner eingesetzt werden.
Bislang hat WikiLeaks erst 25 von insgesamt angeblich fast 2,5 Millionen E-Mails von syrischen Politikern, Ministerien und mit ihnen verbundenen Unternehmen veröffentlicht. Die Authentizität kann SPIEGEL ONLINE nicht überprüfen, WikiLeaks geht allerdings davon aus, das die Dokumente echt sind. Was darin zu finden ist, ist bisher wenig spektakulär - besonders im Vergleich mit dem Schriftverkehr, den syrische Aktivisten jüngst veröffentlichten und der Einblicke in die Gedankenwelt des Diktatorenehepaars Assad gab.
Hinzu kommt: Illegal sind die in den Mails beschriebenen Geschäfte unter den bestehenden europäischen Sanktionen nicht, allerdings moralisch fragwürdig.
Um die Helikopter noch legal zu beliefern, musste demnach extra auf ein US-amerikanisches Kabel verzichtet werden - es fiel unter die Sanktionen, die Washington seit Beginn der Aufstände in Syrien erlassen hat. Die findigen Europäer entdeckten jedoch syrisch produzierten Ersatz.
Keine Skrupel, aber bedacht auf die eigene Sicherheit
In einem Fall lehnten die europäischen Ingenieure einen Wartungseinsatz in der syrischen Stadt Deir al-Sor ab. Da waren die Aufstände bereits in vollem Gange. Doch ihre Begründung hatte offenbar weniger mit moralischen Vorbehalten zu tun, als vielmehr mit Sorgen um die eigene Sicherheit: In Deir al-Sor würden viele bewaffnete Männer herumlaufen, schrieben sie. Man sei jedoch bereit, stattdessen ins ruhigere Damaskus zu kommen.
Im Juni vereinbarten beide Seiten, dass defekte Geräte zurück nach Florenz geschickt werden sollten. Im gleichen Monat erklärten die Syrer, dass sie an einer Aufstockung des Projekts um 25 Prozent interessiert seien. Die Italiener schienen nicht abgeneigt.
Für die zwei Unternehmen - die italienische Selex Elsag und die griechische Intracom - dürften die Veröffentlichung jedoch peinlich sein.
Ein Unternehmen gehört zu 30 Prozent dem italienischen Staat
Selex Elsag gehört zu 30 Prozent dem italienischen Staat. Italien zählt sich zu den "Freunden Syriens", wie sich die Staatengruppe nennt, die Assads Rücktritt fordert. Erst vorigen Monat hatte Italien dort noch härtere Sanktionen gegen Damaskus gefordert.
Die Geschäfte von Intracom und Selex Elsag mit dem syrischen Regime wurden lange vor Beginn der Aufstände vereinbart. So haben beide seit 2008 das wichtigste Drahtlosnetzwerk Syriens aufgebaut und ein Kommunikationssystem für Katastrophenschutz. Intracom hat bereits 2006 einen Vertrag mit Damaskus abgeschlossen.
Möglicherweise wird das verschlüsselte und abhörsichere Funksystem auch vom syrischen Militär verwendet. Das italienische Magazin "L'Espresso" berichtete, dass der Export von der italienischen Regierung 2008 genehmigt werden musste, weil eine militärische Nutzung nicht ausgeschlossen werden kann.
Selex Elsag erklärte SPIEGEL ONLINE auf Anfrage in einer Pressemitteilung, das Kommunikationssystem sei ausschließlich für zivile, nicht militärische Zwecke hergestellt worden. Man habe es vor dem Ausbruch der "internen Konflikte" des Landes fertiggestellt und seitdem keine neuen Lieferungen durchgeführt. Man sei lediglich wegen der Bezahlung noch mit Syrien in Kontakt - der Kunde schulde dem Unternehmen noch ein paar Millionen Euro.
Unwissend sind die Unternehmen über den Einsatz ihrer Produkte nicht. Auch die syrische Polizei zählt zu ihren Kunden. In einer E-Mail vom 7. Mai 2011, knapp zwei Monate nach Beginn der Unruhen, informierte ein syrischer Mitarbeiter von Intracom seine Kollegen darüber, dass 500 Mobilfunkgeräte an eine Polizeistation in einem Vorort von Damaskus geschickt werden sollten, in dem es kurz zuvor zu Zusammenstößen mit Rebellen gekommen war.
Die bislang zugänglichen Mails lassen offen, ob die gelieferte Technik auch zur Überwachung genutzt werden konnte. Die Lieferung von Spionagetechnik an Syrien ist für EU-Unternehmen seit dem 1. Dezember 2011 verboten.