WikiLeaks-Gründer in Haft Assange-Anhänger feiern ihr Idol

WikiLeaks-Gründer in Haft: Assange-Anhänger feiern ihr Idol
Foto: VALENTIN FLAURAUD/ REUTERSGegen ein Uhr mittags erscheint der Flüchtling vor dem Amtsgericht in Westminster. Dutzende Fotografen und Kameraleute rangeln um das beste Bild. Julian Assange sitzt im Fonds einer dunklen Limousine, er ist in Polizeigewahrsam und nur deshalb vor dem Londoner Gericht, weil die Behörden das Auslieferungsverfahren nach Schweden einleiten wollen.
Und doch mutet es wie ein Triumphzug an.
Einige Unterstützer aus der Gruppe "Justice for Assange" - Gerechtigkeit für Assange - kommen später zum Gerichtsgebäude. Sie halten Exemplare des aktuellen "Time Magazine" in der Hand. Auf dem Cover: Ihr Idol mit einer US-Flagge quer über dem Mund.
jüngsten WikiLeaks-Enthüllungen
Spätestens seit dem Aufschrei in den USA über die und den Morddrohungen gegen seine Person ist der 39-jährige Gründer der Internetplattform für viele zur globalen Symbolfigur der Meinungsfreiheit geworden. Sein Bild ist omnipräsent, nicht nur auf dem Fahndungsaufruf von Interpol; "Wanted" stand über seinem Foto. Der öffentliche Feldzug gegen den untergetauchten Whistleblower hielt die ganze Welt in Atem.

Seit Dienstagmorgen ist das Versteckspiel vorbei. Assange meldete sich freiwillig bei Scotland Yard. Die Londoner Polizei kannte den Aufenthaltsort des Australiers schon länger, doch ließ sie sich mit der Festnahme Zeit. Einmal ließ sie den Haftbefehl nach Schweden zurückgehen - wegen Formfehlern.
Assange bleibt in Untersuchungshaft
Nun läuft das Auslieferungsverfahren gegen Assange. Er wurde wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden gesucht. Außerdem werden ihm dort Nötigung und sexuelle Belästigung vorgeworfen. Assange bestreitet alles und spricht von einem politisch motivierten Rachefeldzug. Weil er nicht vor Gericht in Schweden erschienen war, stellte die schwedische Staatsanwältin Marianne Ny einen europäischen Haftbefehl aus.
Das Amtsgericht von Westminster lehnte es ab, Assange gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen. Mehrere Prominente wie etwa Millionärstochter Jemima Khan und Filmregisseur Ken Loach hatten angeboten, für ihn zu bürgen. Der Richter sagte jedoch, er habe Grund zu der Annahme, dass Assange zu weiteren Befragungen nicht mehr erscheinen würde. Assange bleibt nun in Untersuchungshaft bis zu einer zweiten Anhörung am 14. Dezember. Dann soll entschieden werden, ob er nach Schweden ausgeliefert wird. Es wird erwartet, dass die britischen Behörden dem schwedischen Gesuch entsprechen - das ist so üblich unter EU-Partnern.
Assange will sich jetzt mit allen rechtlichen Mitteln gegen die Auslieferung nach Schweden wehren, weil er fürchtet, dass darauf die Auslieferung in die USA folgen könnte. Dort, so argumentieren seine Anwälte, könne er nicht mit einem fairen Prozess rechnen. Doch hat die US-Regierung noch keine Anklage gegen Assange erhoben. Sie tut sich offensichtlich schwer damit, eine Begründung zu finden. Landesverrat scheidet aus, weil Assange kein US-Bürger ist.
Washington hält sich entsprechend bedeckt, eine Entscheidung über ein Auslieferungsgesuch gibt es noch nicht. "Unsere Untersuchung läuft weiter. Darüber hinaus ist seine Festnahme zu diesem Zeitpunkt eine Angelegenheit Großbritanniens und Schwedens", sagte Philip Crowley, Sprecher des US-Außenamts. Er betonte aber erneut, dass man die Veröffentlichung der Diplomatendepeschen als Verbrechen einstufe. Die USA hatten zuvor Assanges Festnahme begrüßt. Es handele sich um eine gute Nachricht, sagte Verteidigungsminister Robert Gates zu mitreisenden Journalisten auf dem Weg nach Kabul.
Der Fall Julian Assange
Kurz darauf erfahren die Frauen von den parallelen Affären, tauschen ihre Erfahrungen aus und beschließen, gemeinsam zur Polizei zu gehen. Sie habe die jüngere Sofia eigentlich nur als Zeugin begleiten wollen, gibt Anna A. später zu Protokoll. Assange sei zwar nicht gewalttätig, habe aber eine verquere Einstellung gegenüber Frauen und könne kein Nein akzeptieren. Sie werfen ihm Vergewaltigung und sexuelle Nötigung vor.
Gegen Assange ergeht nach den Aussagen der zwei Schwedinnen ein Haftbefehl. Der Australier weist gleich nach Bekanntwerden der Anschuldigungen alles zurück. Im offiziellen WikiLeaks-Blog stellen sich die Mitarbeiter hinter ihn. In einer Twitter-Mitteilung von WikiLeaks heißt es: "Wir sind vor schmutzigen Tricks gewarnt worden. Jetzt erleben wir den ersten."
Die schwedischen Behörden machen eine Kehrtwende: Die
Die
Julian Assange will in Schweden die Aufhebung des Haftbefehls gegen ihn wegen Vergewaltigungsverdachts durchsetzen. Dies soll vor dem Obersten Gericht in Stockholm erfolgen.
Der oberste Gerichtshof Schwedens bestätigt den Haftbefehl und die internationale Fahndung letztinstanzlich. Laut britischen Zeitungen
Assange wird um 9.30 Uhr in Großbritannien festgenommen.
Gegen Kaution wird Assange in Großbritannien auf freien Fuß gesetzt. Er muss jedoch einige Auflagen erfüllen, sich zum Beispiel täglich bei der britischen Polizei melden.
Bis Anfang Februar soll ein Londoner Gericht über Assanges Auslieferung nach Schweden entscheiden, wo ihm ein Verfahren wegen Vergewaltigung und bis zu vier Jahren Haft drohen.
Die Ermittlungsakten zu den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Julian Assange tauchen laut dem US-Magazin "Wired" im Internet auf. Das Magazin beschreibt auf seiner Web-Seite Details aus der mehrere hundert Seiten umfassenden Akte.
Assange und seine Anwälte stemmen sich gegen die Auslieferung nach Schweden. Seine Verteidiger stellen zum Auftakt der Anhörung ein 35-seitiges Dokument mit ihrer Verteidigungsstrategie ins Internet gestellt, in dem die Eckpunkte ihrer Argumentation aufgeführt sind. Das Gericht hat bis zu zehn Tage Zeit, seine Entscheidung zu verkünden.
Ein britischer Richter entscheidet: Die Auslieferung Julian Assanges nach Schweden ist rechtens. Richter Howard Riddle gibt einem entsprechenden Antrag der schwedischen Justiz statt.
Die Anwälte von Julian Assange legen Berufung gegen seine Auslieferung an Schweden ein. Ein Gericht muss in zweiter Instanz in 40 Tagen entscheiden, ob es die Berufung annimmt.
Der Oberste Gerichtshof erkennt das Auslieferungsgesuch als rechtmäßig an. Mit einer Fünf-zu-Zwei-Entscheidung weisen die Richter Assanges Einspruch ab.
Eine Wiederaufahme des Auslieferungsverfahren lehnen die obersten Richter ab. Assange und seine Anwälte können nun nicht weiter gegen das Auslieferungsverfahren vorgehen.
Assange flieht in die Botschaft von Ecuador in London und beantragt politisches Asyl in dem südamerikanischen Land.
Ecuador gewährt Assange politisches Asyl. Die britischen Behörden kündigen an, ihn dennoch zu verhaften, sobald er die Botschaft verlässt. Assange hat zu diesem Zeitpunkt die ecuadorianische Botschaft für fast zwei Monate nicht verlassen.
Obwohl die Vergewaltigungsvorwürfe und die Arbeit von WikiLeaks nichts miteinander zu tun haben, löst Assanges Verhaftung weltweit eine große Welle der Solidarität aus.
Klar ist: Der Ex-Hacker polarisiert. Für die einen ist er ein Held, ein Kämpfer für die totale Informationsfreiheit und gegen jede Form von Zensur. Für die anderen ist er ein Verräter. Selbst einst treue Weggefährten sehen in ihm mittlerweile einen Egomanen, der sich wichtiger nimmt als die Sache selbst - nämlich WikiLeaks.
Aus Sicht der amerikanischen Behörden gilt der Australier gar als ernste Bedrohung der nationalen Sicherheit, das hat er sogar schriftlich. Schon 2008 stufte das US-Militär WikiLeaks als gravierendes Sicherheitsproblem ein und diskutierte, wie die Seite am besten zu bekämpfen sei. Auch dieses Dokument wurde Assange zugespielt - und dann veröffentlicht.
Seither gibt es Stimmen, die sich um seine Sicherheit sorgen - und sogar um sein Leben. Es ist dabei nicht ganz klar, ob der Mann eher gefährlich oder gefährdet ist. Die Fragen sind schon seit der Veröffentlichung der Afghanistan-Dokumente und der anschließenden Präsentation der Irak-Akten stets die gleichen: Ist das Journalismus, vom Auskunftsrecht der Öffentlichkeit gedeckt? Oder machen Assange und seine Mitstreiter sich des Geheimnisverrats schuldig?
In seiner australischen Heimat veröffentlichten prominente Schriftsteller, Professoren und Anwälte jetzt einen offenen Brief an die australische Regierung. Sie riefen Premierministerin Julia Gillard auf, den australischen Staatsbürger Assange zu unterstützen.
Die Autoren zeigten sich besorgt über die "zunehmend gewalttätige Rhetorik" in den USA. Dort hatten prominente konservative Kommentatoren und Politiker die Hinrichtung von Assange gefordert. Die australische Regierung müsse diese Forderungen offiziell verurteilen, hieß es in der Online-Petition, die binnen Stunden Tausende Unterschriften trug. Wenn man den Amerikanern diese Anstiftung zur Gewalt durchgehen lasse, "wäre ein verstörender Präzedenzfall in der englischsprachigen Welt geschaffen".
Auch in anderen Ländern hat sich ein Stimmungswandel ereignet, seit am vorvergangenen Montag mit der Veröffentlichung Hunderttausender US-Geheimdepeschen begann. Gab es zunächst viel Entrüstung über den arroganten Hacker, der sich anmaßte zu entscheiden, was ein Staatsgeheimnis ist und was nicht, so wuchsen die Sympathien für Assange in dem Maße, wie Regierungen und private Unternehmen versuchten, WikiLeaks mundtot zu machen. Die Entscheidung der US-Unternehmen Amazon, PayPal, Visa und Mastercard, sämtliche Bande zu WikiLeaks zu kappen, verschaffte der Plattform beim Internetpublikum regelrechten Märtyrerstatus.
In sozialen Netzwerken feuern sich Assange-Unterstützer nun gegenseitig an. Die Schweizer Piratenpartei forderte den Bundesrat auf, ihm politisches Asyl zu gewähren.
Flammender Appell vom Internethelden höchstpersönlich
Assange selbst meldete sich am Dienstag mit einem flammenden Appell in der Zeitung "The Australian" zu Wort. Unter der Überschrift "Tötet nicht den Überbringer schlechter Nachrichten" zitierte er den australischen Medienzar Rupert Murdoch, der als junger Mann gesagt habe: "Im Wettlauf zwischen Geheimhaltung und Wahrheit erscheint es unvermeidlich, dass die Wahrheit immer gewinnt."
Demokratische Gesellschaften brauchten starke Medien, schreibt , und WikiLeaks sei Teil dieser Medien. Die Plattform veröffentliche "unerschrocken Fakten, die in die Öffentlichkeit gehören". Er erinnerte daran, dass die US-Depeschen auch von Publikationen wie der "New York Times", dem britischen "Guardian" und dem SPIEGEL veröffentlicht wurden. Doch nur WikiLeaks sei nun das Ziel "bösartiger Angriffe".
Assange nahm insbesondere die australische Regierung ins Visier. Die Australier könnten nicht stolz sein auf deren "peinliche Anbiederung" an die USA, so Assange. Premierministerin Gillard hatte vergangene Woche gesagt, die WikiLeaks-Aktionen seien illegal. Auch in seinem Heimatland ermittelt die Polizei inzwischen gegen ihn. Justizminister Robert McClelland hatte den USA "jede Unterstützung" gegen WikiLeaks angeboten.
"Die Macht der australischen Regierung scheint vollkommen in der Hand der USA zu sein, egal, ob es darum geht, meinen Pass ungültig zu machen oder WikiLeaks-Unterstützer auszuspionieren und zu belästigen", lästerte Assange.
Der Internetaktivist hat den Kampf noch lange nicht aufgegeben. Er weiß, dass in der Auseinandersetzung mit der US-Regierung die Berufung auf die Meinungsfreiheit seine beste Waffe ist. Und so zitierte er aus dem Urteil des amerikanischen Supreme Court zu den Pentagon-Papieren: "Nur eine freie Presse kann Betrug in der Regierung wirksam aufdecken."
Unterschrieben ist die Kampfansage trotzig mit: Julian Assange, Chefredakteur, WikiLeaks.