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WM in Russland: Sicherheit über alles

Foto: Rebecca Blackwell/ AP

Terrorangst bei der WM Hauptsache sicher

Wladimir Putin wünscht eine WM, die ohne Störungen abläuft. Hunderttausende Sicherheitskräfte sind deshalb im Einsatz: Die Nationalgarde steht an den Stadien und Fanzonen, das Militär hat aufgerüstet.

Sie stehen in Reihen vor der Metrostation Sportiwnaja: Mitglieder der Nationalgarde, zumeist junge Männer in blau-grauen Fleckanzügen. Sie beobachten die Fans, die in ihren bunten Trikots Richtung Luschniki-Stadion ziehen, viele haben sich die Nationalfarben ihres Landes auf die Wangen gemalt, Flaggen dabei. Die Stimmung ist ausgelassen.

Neben den Einheiten der mächtigen Nationalgarde, die Präsident Wladimir Putin direkt unterstellt ist, sind auch noch Polizisten, Mitglieder der Spezialeinheit Omon und des Katastrophenschutzes, Sicherheitsvertreter der Metro und anderer Dienste im Einsatz, die das bunte Treiben beobachten.

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Es ist ein bisschen so, als ob zwei Welten aufeinandertreffen: die ausgelassenen Fußballfans auf den massiven russischen Sicherheitsapparat, der sonst häufig gegen Demonstranten eingesetzt wird - zuletzt im Mai, als Anhänger des Oppositionellen Alexej Nawalny protestierten. Die Fußballfans dürfen ihre Flaggen und Banner zeigen, sich in Gruppen versammeln, laut ihre Parolen rufen und singen, was in Russland so ohne Genehmigung sonst nicht erlaubt ist.

Maximale Sicherheit zu gewährleisten, ist eine der obersten Prioritäten während der Fußball-WM. "Die Sicherheitsorgane müssen ihre Aufgaben äußerst korrekt und feinfühlig erfüllen", forderte Präsident Putin von seinen Behörden im Mai in Sotschi im Beisein von Fifa-Chef Gianni Infantino. Der Kremlchef will mit der teuersten WM der Fußball-Geschichte das Ansehen seines Landes verbessern (Lesen Sie hier die Hintergründe Putin und die WM).

"Von der Gründlichkeit ihrer Arbeit hängt das Images des Landes ab", lautete der Appell des Staatschefs, der früher selbst Chef des Inlandsgeheimdienstes war.

Putin (r.) mit Fifa-Chef Infantino

Putin (r.) mit Fifa-Chef Infantino

Foto: MAXIM SHEMETOV/ REUTERS

Entsprechend nervös und vorsichtig sind die offiziellen Stellen. Allzu viele Fragen darf man derzeit nicht stellen.

Anruf bei der Moskauer Metro. Wie sicher also sind die Besucher, die mit ihren Eintrittskarten kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen können? Was plant die Metro während der Zeit des Fußballturniers? Jeden Tag nutzen neun Millionen Menschen die U-Bahn in der russischen Hauptstadt. Nun werden noch Hunderttausende Fußballfans und Gäste hinzukommen, landesweit werden mehr als eine halbe Million ausländische Fans erwartet. Nach einigem Hin und Her sagt ein Sprecher: "Es ist schwierig über Sicherheitsmaßnahmen zu sprechen. Die gibt es ja, um die Sicherheit zu gewährleisten." Mehr will er nicht sagen.

Zehntausende zusätzliche Überwachungskameras wurden allein in Moskau installiert, das eh schon über Hunderttausende Kameras verfügt - in den Stadien, auf den öffentlichen Plätzen und in der Metro ist die Videokontrolle umfassend. An stark frequentierten Moskauer Bahnhöfen setzen die Behörden zudem Gesichtserkennungssoftware ein.

Ausländer sollten immer ihren Pass bei sich haben

Überall patrouillieren zusätzliche Polizeistreifen auf den Straßen und in der U-Bahn, deren große Bahnhöfe wie der Kijewsker Bahnhof als sensibel gelten. Wer als ausländischer Gast unterwegs ist, sollte immer seinen Pass bei sich haben: Sollte er ihn bei einer Überprüfung nicht vorzeigen können, kann das zum Problem werden. Außerdem gilt eine verkürzte Registrierungspflicht: Ausländische Besucher haben während der WM nur drei statt sieben Arbeitstage, um sich beim russischen Migrationsdienst anzumelden, in der Regel übernehmen dies die Hotels. Koffer werden nun noch häufiger durchleuchtet, Reisende müssen noch häufiger durch Metalldetektoren.

Genaue Zahlen, wie viele Beamte im Einsatz sein werden, gibt es nicht. Auch eine Pressekonferenz mit dem Leiter des Einsatzstabes zur WM, Alexej Lawrischew, brachte wenig neue Erkenntnisse. Seine Botschaft lautete: Wir haben Erfahrung, wir haben alles im Griff.

"Wir sind bereit, jederzeit und überall gegen Rechtsbrecher hart vorzugehen", kündigte Anton Gussjew an. Er ist beim russischen Innenministerium für Großveranstaltungen zuständig. Damit meinte er wohl auch gewaltbereite Hooligans, die die russischen Sicherheitsbehörden zuletzt massiv unter Druck setzten (Lesen Siehier mehr zu den Hintergründen). Am Donnerstag machte er sich persönlich ein Bild von der Lage auf dem Manageplatz im Zentrum, wo sich Hunderte Fußballfans schon mittags versammelten. Alles laufe nach Plan, versicherte er.

Größter Sicherheitseinsatz in der Geschichte des Fußballs

Es ist davon auszugehen, dass Hunderttausende Sicherheitskräfte während der Weltmeisterschaft Extraschichten schieben. Zehntausende Polizisten wurden in den WM-Städten zusammengezogen. Sie kommen zum Teil aus den Regionen, etwa Sibirien, in denen das Turnier nicht ausgetragen wird. Bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 waren zwischen 50.000 und 70.000 zum Einsatz gekommen.

Der Katastrophenschutz meldete für die WM 40.000 Beamte, die abgestellt wurden. Außerdem werden 14.500 Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen beschäftigt. Beamte aus 33 Ländern unterstützen die russischen Sicherheitskräfte.

Sorge um Terrorgefahr

Rund um die zwölf Stadien und elf Fanzonen in den WM-Städten tut die mächtige Nationalgarde ihren Dienst. Sie ist Putin direkt unterstellt. Die Truppe wurde vor zwei Jahren gegründet, um die öffentliche Ordnung zu gewährleisten und Terrorismus und organisierte Kriminalität zu bekämpfen, wie es hieß.

Die Sorge der Sicherheitsbehörden gilt vor allem der Terrorgefahr. Am 3. April 2017 hatte ein Selbstmordattentäter in der WM-Stadt Sankt Petersburg 14 Menschen getötet. Immer wieder kommt es außerdem zu Angriffen auf Sicherheitskräfte im Kaukasus, in den russischen Teilrepubliken Dagestan und Tschetschenien.

Anschlag in Sankt Petersburg (Archivaufnahme)

Anschlag in Sankt Petersburg (Archivaufnahme)

Foto: DPA/ www.vk.com/ spb_today

9000 Dschihadisten aus Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken sollen sich dem "Islamischen Staat" (IS) oder anderen islamistischen Gruppen im Nahen Osten angeschlossen haben. Etwa 900 ehemalige Kämpfer sind inzwischen nach Russland zurückgekommen, viele von ihnen in den Kaukasus.

Massive Aufrüstung beim Militär

Russland unterstützt den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, Putin begründet den Militäreinsatz im Nahen Osten mit dem Kampf gegen islamistische Terroristen. Der IS hat Russland mit Anschlägen gedroht. Allerdings liegen bisher - das betont auch das Bundeskriminalamt - keine Hinweise auf eine konkrete Gefahr für die WM vor.

Angesichts der abstrakten möglichen Gefahr wurde auch beim Militär massiv aufgerüstet, zwei Beispiele:

  • Vor Sotschi auf dem Schwarzen Meer und Kaliningrad auf der Ostsee werden nach Medienberichten sogar Kriegsschiffe zur Gefahrenabwehr eingesetzt.
  • Die Armee verfügt über Drohnen, um den Luftraum in den WM-Städten zu sichern.

Außerdem ist laut Erlass 202 die Versammlungsfreiheit in den Regionen der WM-Städte und den Orten selbst massiv bis 24. Juli eingeschränkt. Die Sicherheitskräfte werden alles daransetzen, Demonstrationen zu unterbinden.

Doch das ist nicht die einzige Einschränkung:

  • Alkoholverbot: Um möglichen Exzessen vorzubeugen, ist vor und an den Spieltagen der Verkauf von Alkohol in der Nähe der Stadien, der Fanzonen und Bahnhöfe verboten, auch Glasflachen dürfen nicht ausgegeben werden. In den Arenen und Fanzonen selbst wird allerdings doch Bier ausgeschenkt, einer der Sponsoren der WM ist ein Bierkonzern.
  • Grill-Stopp: In der Umgebung mehrerer Spielstädte ist offenes Feuer verboten - das beim Russen beliebte Grillen von Fleischspießen, Schaschlik, muss damit ausfallen. So sollen Wald- und Torfbrände wie 2010 verhindert werden.
  • Drohnen- und Kleinflugzeugverbot: Für die WM gilt ein absolutes Drohnenverbot insbesondere in der Nähe der Arenen. Auch Privatflugzeuge dürfen den Flugraum nicht nutzen. So sollen mögliche Terrorakte verhindert werden.
  • Verbot für Reisebusse: Sie müssen vor den Toren der Stadt stoppen, wenn sie nicht mit dem Glonas-System, dem russischen GPS-Pendant, ausgestattet sind. Damit wollen die Sicherheitsorgane den Verkehr kontrollieren. Inwieweit diese das wirklich können, ist angesichts der vielen nicht angemeldeten Transportunternehmer jedoch fraglich.

Russland will sich trotz all dieser Einschränkungen auch als freundlicher Gastgeber präsentieren, schließlich mahnte Putin auch: Bei einem Großevent wie der WM sei es ebenfalls wichtig, welches Bild die Besucher vom Gastgeber mit nach Hause nähmen.

Wird der russische Sicherheitsapparat, der sonst für seine nicht gerade zimperliche Art bekannt ist, eine Balance finden?

Am Donnerstag bei der Eröffnung der WM bemühten sich viele Beamte jedenfalls um ein freundliches Gesicht: So zahlreiche nette Begrüßungen wie "Guten Tag" und "Bitte gehen Sie hier entlang" und "Bitte legen Sie Sachen zur Kontrolle hier auf das Band" - und das auch noch häufig auf Englisch, hat man selten in Russland erlebt, auch nicht in Moskau.

Mitarbeit: Tatiana Sutkovaja; Katja Kuznetsova
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