Schäuble über Abstimmung in Frankreich "Wahrscheinlich würde ich Macron wählen"

Wolfgang Schäuble
Foto: SPIEGEL TVIn den Umfragen liegt Emmanuel Macron knapp hinter der Rechtspopulistin Marine Le Pen. Kurz vor der Wahl in Frankreich erhält der sozialliberale Präsidentschaftskandidat nun Unterstützung aus Deutschland - von einem Konservativen.
"Wahrscheinlich würde ich Macron wählen", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei einem Gespräch mit SPIEGEL-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer und Auslandsressortleiterin Britta Sandberg in Hamburg. Der frühere Wirtschaftsminister, einst auch Mitglied der Sozialistischen Partei, habe "unheimlich viel Charme". Es sei wahrscheinlich, dass Macron in den zweiten Wahlgang komme und auch gewinnen werde.
Der CDU-Politiker sprach sich damit gegen den Kandidaten der Republikaner aus, jener Partei, die im Europäischen Parlament gemeinsam mit der Union Teil der der EVP-Fraktion ist. François Fillon steht wegen einer Scheinbeschäftigungsaffäre heftig in der Kritik. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren. Schäuble kritisierte unter anderem, dass Fillon die Justiz angegriffen habe.
Schäuble nimmt Adenauer in Schutz
Einen anderen Konservativen nahm Schäuble dagegen in Schutz: Konrad Adenauer. Der SPIEGEL berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über Akten der Regierung und des Bundesnachrichtendiensts, die den ersten Kanzler der Republik in ein neues Licht rücken. Konrad Adenauer ließ illegal die FDP, den SPD-Parteivorstand sowie einzelne führende Sozialdemokraten bespitzeln, darunter den späteren Kanzler Willy Brandt. Zudem plante er im Kriegsfall die Entmachtung des Bundestages und beauftragte den Geheimdienst mit der Manipulation und Ausforschung der Medien.
Schäuble, von 1998 bis 2000 CDU-Chef und selbst mehrfach als Kanzlerkandidat gehandelt, sagte nun: "Die geschichtliche Leistung von Adenauer für die Bundesrepublik Deutschland ist dadurch nicht in Misskredit zu ziehen." Was dieser getan habe, sei zwar "auch damals nicht in Ordnung gewesen". Doch mit den "heutigen Maßstäben" dürfe man das nicht beurteilen, so Schäuble. "Ich glaube, wir wären ohne Adenauer nicht dorthin gekommen, wo wir heute sind."
"Das macht es wahnsinnig schwer"
Im Fall des in der Türkei inhaftierten deutsch-türkischen "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel nannte Schäuble den Besuch eines deutschen Diplomaten bei dem Journalisten einen "kleinen Schritt". Die Hoffnung sterbe zuletzt, "wir werden alles tun".
Yücels Festnahme wegen des Vorwurfs der Terrorunterstützung und Volksverhetzung hatte die deutsch-türkischen Beziehungen schwer belastet. Indirekt stellte Schäuble nun die geplante wirtschaftliche Unterstützung für die Türkei infrage. Er habe über möglichen Hilfen mit Vizeregierungschef Mehmet Simsek gesprochen. "Wir waren gut unterwegs, doch dann ist diese Verhaftung passiert", sagte Schäuble. Er habe Simsek daraufhin eine SMS geschickt: "Es tut mir leid, aber das macht es jetzt wahnsinnig schwer."
Der CDU-Politiker rechnet bei dem anstehenden Verfassungsreferendum über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei mit einem knappen Ausgang. Es gebe Anzeichen, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan sein Land zu einer Diktatur umbauen wolle. So könne man den Entwurf für die Verfassungsänderung lesen. "Das macht mir Sorgen".