Xenia Sobtschak Diese Frau will Russland regieren - Putin dürfte das gefallen
Die linke Hand zur Faust geballt, lächelt Xenia Sobtschak vom Titel der aktuellen russischen Ausgabe der Frauenzeitschrift "Glamour". "Frauen Power" ist auf ihrem T-Shirt zu lesen. Angekündigt wird ein Interview über ihre Ambitionen für das Amt des Präsidenten. Fragen dazu beantwortet die 35-jährige TV-Moderatorin im Heft allerdings recht ausweichend.
Am Mittwoch wurde Sobtschak nun doch noch konkret: "Ich trete für die Präsidentschaft an", kündigt sie in einem Clip auf YouTube an.
Ihre Kampagne ist sorgsam inszeniert, seit Wochen werden Spekulationen über ihre Kandidatur gezielt befeuert. Anfang September hatte die Zeitung "Wedomosti" mit Verweis auf Quellen in der Präsidentenverwaltung berichtet, der Kreml suche einen weiblichen "Sparringspartner" für Amtsinhaber Wladimir Putin.

Herausforderin für Putin: Die große Xenia-Show
Manch ein Kritiker spottet schon über die große Wahlshow, die nun in Russland anläuft. In der Hauptrolle: Sobtschak, vielen noch als Glamour-Girl des russischen Boulevards in Erinnerung. Ihre TV-Karriere hatte sie als Moderatorin von "Dom 2", einer russischen Version von Big Brother, begonnen, die "Vogue" bezeichnete sie einmal gar als "russische Paris Hilton". Allein im vergangenen Jahr nahm die Chefredakteurin der russischen Version der Modezeitschrift "L'Officiel" laut "Forbes" 2,1 Millionen Dollar ein. Das Geld stammt vor allem aus Werbeeinahmen, etwa für Make-up.
Ganz neu ist Sobtschaks politisches Engagement nicht. Bereits Anfang der 2010er Jahre trat Sobtschak als liberale Regierungskritikerin auf, stieg bei den Protesten 2011 auf die Bühne, forderte freie Medien und eine unabhängige Justiz. Ein Jahr später begann sie ihre Arbeit als Moderatorin für den Kreml-kritischen Sender Doschd. Sie kritisierte zuletzt auch Putin direkt, etwa nach dem Terroranschlag im April 2017 in Sankt Petersburg. Sie warf dem Präsidenten vor, die Sicherheitskräfte des Landes würden konsequenter gegen die Opposition vorgehen als gegen den Terrorismus.

Cover der "Glamour"
Foto: GlamourSobtschak kann sich solche Attacken herausnehmen. Schließlich ist sie die Tochter des früheren Bürgermeisters von Sankt Petersburg, Anatoli Sobtschak. Ihm hat Putin einiges zu verdanken: Sobtschak hatte Putin in den Neunzigerjahren zu seinem Stellvertreter gemacht und seine politische Karriere damit befeuert.
Auf Nawalnys Platz
Am Mittwoch gab Sobtschak ihrem Heimatsender Doschd ihr erstes Interview als Präsidentschaftskandidatin - und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem Alexej Nawalny wieder einmal in Haft sitzt.
Vor Wochen hatte sie noch auf der anderen Seite des Tisches Platz genommen, als Moderatorin. Damals hatte sie Nawalny, den Dauerkritiker von Präsident Putin, interviewt und ihm vorgeworfen, es fehle ihm an Profil. Außer seinem Kampf gegen die Korruption habe Nawalny nicht viel anzubieten.

Alexej Nawalny vor Gericht
Foto: DPA/ APSeit Monaten macht der Oppositionelle Wahlkampf, so als ob es all die Repressionen gegen ihn und seine Anhänger nicht gebe. Die Staatsmacht verfolgt Nawalny, weil er dem Kreml allzu unbequem erscheint. Im März und Juni brachte er bei landesweiten Protesten wieder Tausende auf die Straßen.
Die Wahlbehörde will Nawalny wegen einer Bewährungsstrafe in einem fragwürdigen Prozess nicht zulassen. Er könne sich wegen der Verurteilung erst ab 2028 wieder zu Wahl stellen, hatte Wahlleiterin Ella Pamfilowa noch am Dienstag betont.
Doch irgendeinen neuen Herausforderer braucht Präsident Putin, der die Ankündigung seiner eigenen Kandidatur noch herauszögert. Dass er für eine vierte Amtszeit antreten und wiedergewählt wird, daran zweifelt niemand. Mehr als zwei Drittel der Befragten unterstützen Putin laut einer Umfrage des unabhängigen Lewada-Zentrums. Das heißt aber nicht, dass sie auch wählen gehen. Denn warum abstimmen, wenn eh alles klar ist?
Zudem wird in der Opposition schon lange darüber gesprochen, die Abstimmung zu boykottieren, um sie nicht auch noch zu legitimieren.
Schein-Wahlkampf der ewig alten Männer
Hier kommt Sobtschak ins Spiel. Sie präsentiert sich als Kandidatin "gegen alle", das ist ihr Programm. Sie wolle die Stimmen derjenigen einsammeln, "die es satt haben", die einen Wandel im Land fordern. Ihnen wolle sie Gehör verschaffen, kündigt Sobtschak an. Dafür aber müssten "möglichst viele" wählen gehen.
Dem Kreml kann das nur recht sein. Sobtschak poliert den Schein-Wahlkampf der ewig alten Männer auf - mit Putin tritt mal wieder unter anderem der kremlnahe Rechtspopulist Wladimir Schirinowski an. Die Abstimmung im März 2018 kann nur dann als Erfolg verkauft werden, wenn die Beteiligung ausreichend hoch ist.
Deshalb erscheint es kaum glaubwürdig, wenn Sobtschak erklärt, sie habe den Eindruck gehabt, Putin gefalle ihre Kandidatur nicht. Ihn habe sie vor einiger Zeit bei einem Interview für einen Film über ihren Vater über ihre Pläne informiert.
Gute Ergänzung zu Putin
Nicht nur Kommentator Konstantin Sonin ist da anderer Meinung. Sobtschak sei die "ideale Kandidatin", schreibt er in der Zeitung "Wedomosti": jung, weiblich, mit Charisma und sehr medienaffin - Sobtschak ergänze Präsident Putin gut.
Kreml-Sprecher Dimitrij Peskow äußerte sich bereits durchaus wohlwollend zu Sobtschaks Kandidatur. Zwar unterscheide sich Politik vom Journalismus und dem Show-Business, Sobtschak beginne in diesem Bereich bei Null. Sie habe aber Chancen, wenn sie auf den Willen der Menschen der Menschen eingehe, sagte Peskow. Staatsmedien wie Rossija 24 berichten ausführlich über Sobtschak, ließen ihre Gegner und Befürworterin zu Wort kommen. Nawalny dagegen wird dort weitgehend ignoriert.
Seine dürfte Sobtschak eher weniger ansprechen. Nawalny hatte Sobtschak bereits vorgeworfen, eine "liberale Witznummer" in "einem ziemlich widerlichen Spiel des Kreml" zu sein. Sie hingegen gibt sich versöhnlich, nannte ihn einen "Freund" und "Mitstreiter". Sollte Nawalny doch antreten können, wolle sie mit ihm über alle Optionen sprechen, auch darüber, selbst auf ihre Kandidatur zu verzichten.
Sobtschak hält sich damit alles offen.