Peking - Das "Time-Magazine" führt sie im vergangenen Jahr in der Liste der 100 wichtigsten Menschen des Planeten, nun ist sie offenbar verschwunden: die Chinesische Bloggerin Zeng Jinyan, 24, ist nach Angaben von Menschenrechtlern nicht mehr erreichbar; ihr Haus von Sicherheitskräften umstellt, das Handy abgeschaltet. Auch das Schicksal ihrer anderthalbjährigen Tochter Qianci sei unklar, erklärte die Gruppe Chinese Human Rights Defenders.
Zeng lebte in ihrer Wohnung unter Hausarrest unter strenger Bewachung - in einer Wohnanlage mit dem ironischen Namen "Freedom City", Stadt der Freiheit. Die Behörden hätten offenbar verhindern wollen, dass sie während der Spiele mit Journalisten spreche, hieß es. Es sei zu befürchten, dass die junge Frau in Polizeigewahrsam genommen worden sei und misshandelt werde.
Ein Korrespondent der "Frankfurter Rundschau" hatte vor einigen Tagen jedoch berichtet, Zeng sei auf Druck der Behörden in ihre Heimatprovinz Fujian gereist. Bei einem Anruf auf ihrem Handy habe sich ihre dort lebende Mutter gemeldet.
Zeng ist mit dem Bürgerrechtler Hu Jia verheiratet, der wegen Protestes gegen Aids- und Umweltprobleme in China längere Zeit festgehalten worden war. In einem
in China verbotenen Blog hatte sie über das Schicksal ihres Mannes berichtet. Das Europäische Parlament hatte das Paar für den Sacharow-Preis für Menschenrechte nominiert.
Hu Jia war zuletzt Ende Dezember verhaftet worden, nachdem er sich Ende vergangenen Jahres über das Internet in einer Anhörung des Europäischen Parlamentes zum Thema "Menschenrechte in China im Vorfeld der Olympischen Spiele" geäußert hatte.
Die Strafe dafür erhielt er im April: dreieinhalb Jahre Haft wegen "Aufrufs zum Umsturz der Staatsmacht", Kontaktsperre zu seiner Frau, die unter Hausarrest gesetzt wurde. In ihrem Blog schrieb Zeng Jinyan vor einiger Zeit, sie habe sich zusammen mit ihrem Mann vor dessen Inhaftierung den deutschen Film "Das Leben der anderen" angesehen - und ihr eigenes Schicksal darin wiedererkannt.