Zum Tode Robin Cooks Der furchtlose Einzelne
London - Cook war der brillanteste Redner seiner Partei. Er war glaubwürdiger als Blair, geistreicher als Brown. Wenn er sich in dieser letzten Etappe seiner Karriere im House of Commons von der hintersten Bank erhob und die eigene Regierung ins Fadenkreuz nahm, wurde es still. Der da sprach, war die Opposition im Land, denn die Liberalen hatten niemanden seines Kalibers, und die Tories hatten keine eigene Politik.
Robin Cook war klar, ohne Getue, tödlich genau.
Natürlich wurde er zur Instanz besonders am Vorabend des Irak-Krieges, als er den casus belli Blairs zerpflückte und konsequent aus der Regierung schied. Nicht schrill und inkonzise wie Claire Short, nicht überhitzt wie Ken Livingston, sondern sachlich, in resignierter, überzeugender Ruhe.
Ich traf Robin Cook auf einer privaten Party, auf der das halbe Blair-Kabinett versammelt war. Es waren die Tage der Folterbilder, der Enthauptungen, der aufgedeckten Lügen der Regierung - in diesen Tagen schien jede zweite Schlagzeile zu schreien: Der Kriegsgegner Robin Cook hatte recht. Das war nicht die populärste Position, die man haben konnte auf dieser Party.
Da stand er, und sein Nachfolger Jack Straw und Vize-Premier John Prescott bildeten Gruppen weit abseits von ihm und schauten ab und zu herüber, und Cook sah zerfurcht aus wie immer, zu alt für sein Alter, und ich sagte: "Wenn Blicke töten könnten ...", und er sagte lächelnd: "Aber Blicke können nicht töten, im Gegensatz zu Bomben."
"Ich sehe einfach nicht telegen genug aus"
Im übrigen, führte er aus, seien das alles Freunde und alte Kampfgefährten. Er klang nicht wie einer, der sich aus der Politik verabschiedet und in einen Schmollwinkel zurückgezogen hätte. Viel mehr wie einer, der warten kann. Und der überzeugt ist, dass seine Position so unbezweifelbar ist, dass andere nicht umhinkönnen, zu ihr überzulaufen.
Robin Cook war sicher nicht frei von Arroganz. Er verprellte damit. Aber man verzieh ihm, weil er einfach ziemlich oft Recht hatte. Er war ein brillanter schneller Aufsteiger in der schottischen Labour-Partei, und hielt in den Richtungskriegen der früheren Neunziger durchaus Hoffnungen auf den Parteivorsitz und damit das Amt des Premiers.
Doch da wir im Medienzeitalter leben, erkannte er bald: "Ich sehe einfach nicht telegen genug aus." Und das war sein Credo: lieber erfolgreicher Realist als frustrierter Träumer.
Er wurde Labours Schatten-Außenminister in der Opposition und lieferte sein Glanzstück ab, als er den Skandal der Waffenlieferungen in den Irak in einer tödlichen Rede 1994 ausbreitete. Die Tory-Regierung hatte den Untersuchungsbericht über die Affäre erst zwei Stunden vor der Parlamentsdebatte zugestellt, doch Cook, über seine Emissäre bestens vorbereitet, zerpflückte sie in einem Schulbeispiel anklägerischer Rhetorik.
Erstaunlicherweise ging es bei Cook, dem analytischen Kopf nie ohne Ziele jenseits der Sachzwangrealität ab. Als erster Labour-Außenminister seit 18 Jahren konzipierte er die "ethische Außenpolitik", und er war darin konsequenter als es der Grüne Außenminister Fischer je war.
"Enthüllungsbuch" der Ex-Frau
Er war nicht ohne private Stürme. Als er sich in seine damalige Sekretärin verliebt hatte und sich in der Folge von seiner Frau trennte, revanchierte diese sich mit einem Klatsch- und Tratsch-Buch über die stürmische Ehe, über vorgebliche Alkoholprobleme und anderes, was die Spalten der Yellow Press über Wochen füllte.
Andere politische Karrieren wären hier abgebrochen - Cook jedoch, der kleiner war als er im Fernsehen wirkte und wesentlich fragiler, war politisch eines jener Großkaliber, die ihre politische Glaubwürdigkeit in der Sache nie einbüßten.
Tony Blair musste nach seinem glanzvollen zweiten Wahlsieg von 2001 bereits geahnt haben, dass Cook ihm Probleme bereiten würde. Ethische Außenpolitik ging kaum mit der Tatsache zusammen, dass Großbritannien wesentliche Einkünfte durch Waffenlieferungen - auch in Spannungsgebiete - erzielte. Er ersetzte Cook durch den farblosen Ja-Sager Jack Straw. So fiel es Cook, der zum Commons-Chef bestellt wurde, sicher noch leichter, in Opposition zum Irak-Krieg aus der Regierung zu scheiden.
Mit Gordon Brown, so hieß es in den letzten Wochen, hatte er seinen Frieden gemacht. Für die Zeit nach Blair war ein politisches Comeback durchaus nicht ausgeschlossen, zumal Cook wie Brown eher den Stallgeruch der alten Labour-Partei hatten und sich in einem Punkt ganz sicher verstanden: In der Ablehnung Tony Blairs, den beide insgeheim stets für einen politischen Windmacher, ein Leichtgewicht hielten und damit unterschätzten.
Gescheiterter Gipfelsturm
Dass Robin Cook nun, gerade erst 59 Jahre alt, ausgerechnet beim Bergwandern verunglückt ist, hat Freunde überrascht. Denn das Bergwandern ist eine Leidenschaft Gordon Browns, während Cook immer eher ein Pferdenarr war. Er war einer der wenigen Labour-Abgeordneten, die gegen ein Verbot der Fuchsjagd gestimmt hatten.
Es ist schwer, Robin Cooks einsamen Tod in den Bergen von Schottland nicht als Metapher auf seinen politischen Lebenslauf zu lesen: Ein gescheiterter Gipfelsturm, ein Tod in der Höhe, die einsame dramatische Vergeblichkeit im letzten Akt.
Er wird entsetzlich vermisst, nicht nur in der britischen Politik. Denn in diesen Zeiten des mainstreaming und des ständigen Schielens auf die eigene Karriere fehlen unkorrumpierbare Einzelne wie Robin Cook ganz besonders.