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Auslands-Umfrage: Pluspunkte für Deutsche

10 300 Männer und Frauen in acht Ländern wurden gefragt, wieviel sie von den Deutschen wissen und was sie von ihnen halten. Einige Daten von vielen: Franzosen und Dänen schätzen kein anderes Volk so wie die Bürger der Bundesrepublik. Sogar für viele KP-Wähler in Italien ist die DDR kein Arbeiter-und-Bauern-Staat.
aus DER SPIEGEL 8/1978

Über kein anderes Land wissen die Holländer soviel wie über die Bundesrepublik Deutschland.

Die meisten Franzosen halten die Beziehungen ihres Landes zur Bundesrepublik für besser als die Beziehungen zu irgendeinem anderen Land.

Als Touristen lernten jeder zweite Niederländer, jeder dritte Däne, jeder fünfte Franzose, jeder zehnte Engländer und jeder 25. Italiener Westdeutschland kennen.

Die DDR ist für Engländer und Schweden der Staat, über den sie weniger wissen als über irgendeinen anderen. Trotzdem sind sie auf kein Land so wenig neugierig wie auf die rote Republik zwischen Elbe und Oder.

Auf die Frage, in welchem der beiden deutschen Staaten »mehr für das Wohl der arbeitenden Menschen gesorgt wird«, entschieden sich von je 100 Griechen 64 für die Bundesrepublik und 13 für die DDR; 23 wußten keine Antwort.

87 von 100 Schweden, 65 von 100 US-Amerikanern und 58 von 100 Franzosen sind für eine »Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland auf friedlichem Wege«.

Diese Ergebnisse brachte eine Acht-Länder-Umfrage über die Einstellung zu den Deutschen und ihren beiden Staaten. Befragt wurden insgesamt 10 300 Männer und Frauen. In jedem Land waren es so viele, daß die Ergebnisse repräsentativ sind für die Gesamtbevölkerung.

In Texas und in Venedig, in Schottland und in Malmö, auf Kreta und in Amsterdam, in der Bretagne und in Kopenhagen hatte der Fragebogen den gleichen Text, nur war er jeweils in die Landessprache übersetzt.

Je ein Institut in jedem Land arbeitete mit Emnid in Bielefeld zusammen. Den Auftraggeber kannten die ausländischen Institute und die Befragten nicht: Es war das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in Bonn.

Noch keine andere vergleichbare Untersuchung war so breit angelegt. Bislang ging es nur jeweils in einem Land um das Bild von den Deutschen. Oft wurden nur wenige Fragen gestellt. erst im vorigen Herbst gab es eine gründliche Untersuchung: eine SPIEGEL-Umfrage in Frankreich (Hefte 48 und 49/1977).

Nun aber ist ein vielfältiger Vergleich zwischen acht Ländern möglich

* Bei der »Ostseewoche in Rostock.

(siehe Graphiken), vorerst allerdings nur intern: In der vergangenen Woche wurden die wichtigsten Ergebnisse dem Bundeskanzler Helmut Schmidt vorgelegt. Ob und wann die Untersuchung veröffentlicht wird, ist noch ungewiß.

Gesamteindruck der zehn Tabellenbände: Die Meinungen über die Bundesrepublik und ihre Bürger sind noch positiver, die Ansichten über die DDR noch negativer, als Experten es erwartet hatten.

Dabei sind die West-Werte inzwischen wahrscheinlich sogar noch höher als zur Zeit der Umfragen. Sie wurden größtenteils kurz vor der Geiselbefreiung in Mogadischu durchgeführt (die den Deutschen und ihrem Kanzler in aller Welt Sympathie eintrug) und wurden erst an Ort und Stelle, dann in Bielefeld und schließlich in Bonn mit großem Zeitaufwand aufbereitet und ausgewertet.

Die Beziehungen zur Bundesrepublik werden in allen Ländern positiv bewertet -- unabhängig davon, ob sie im Krieg unter deutschen Besatzern und Bomben gelitten haben oder nicht. Wie die meisten Franzosen ist auch in den Niederlanden die Mehrheit davon überzeugt, daß die Beziehungen ihres Landes zu Bonn besser sind als zu den anderen Staaten.

Sonst kam die Bundesrepublik meist auf Platz zwei oder drei. Zieht man die Bilanz für alle acht Länder, so werden insgesamt nur die Beziehungen mit den USA für etwa ebenso gut gehalten.

Überall steht umgekehrt die DDR noch hinter der Sowjet-Union auf dem letzten Platz. Die Welle der Anerkennung dieses Staates, die 1973 durch alle Länder ging, ist offenbar ohne Einfluß auf die Völkermeinung geblieben.

Das gilt für die weit entfernten USA ebenso wie für Länder, um die sich schon Honecker-Vorgänger UIbricht intensiv bemühte, wie etwa für Schweden und Dänemark (denen zuliebe bis 1975 alljährlich die »Ostseewoche« in Rostock gefeiert wurde).

Es macht auch keinen Unterschied, ob es wie in Italien und Frankreich viele KP-Anhänger gibt oder wie in England und Dänemark nur wenige.

Auch wenn nach den Kenntnissen gefragt wird, steht die DDR fast überall an letzter SteHe noch hinter Japan und der Sowjet-Union. Demgegenüber glauben überall die meisten Befragten die Bundesrepublik gut zu kennen. Insgesamt wird nur das eigene Wissen über die USA und Großbritannien höher eingeschätzt.

Die NS-Vergangenheit ist nirgends vergessen, aber sie prägt nur noch die Einstellung einer Minderheit, Das zeigten die Antworten auf die Frage, warum man über Westdeutschland nicht noch mehr wisse. Eine der Vorgaben, zwischen denen gewählt werden konnte, lautete:

Ich müßte schon mehr Sympathien für Westdeutschland haben, um mehr darüber wissen zu wollen.

Jeweils nur eine Minderheit entschied sich für diese Antwort: In Italien, Griechenland und Dänemark machte sie je 7, in den USA und Großbritannien je 8, in Schweden 10, in Frankreich 14 und in Holland 18 Prozent aus.

Weit häufiger wurden unpolitische Gründe dafür genannt, daß die Kenntnisse über Deutschland nicht noch größer sind. Oft wurde die Unkenntnis der deutschen Sprache angeführt; oder es wurde darauf hingewiesen, daß derzeit keine Reise nach Westdeutschland geplant sei, und am häufigsten wurde der Mangel an Zeit als Grund angegeben. Er hindert offenbar viele daran, die Chancen zu nutzen, die ihnen die Massenmedien und der Tourismus bieten.

Die Zeit vor 1945 ist zu einem Thema von vielen geworden. Auf eine Frage nach ihren besonderen Interessen nannten es 23 von 100 Männern und Frauen in den acht Ländern. Häufiger entschieden sich die Befragten für das Thema »Wie die Westdeutschen denken und leben« (35 Prozent), etwa gleich oft für »das Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland« (23 Prozent). für »Sehenswürdigkeiten und Landschaften« (22 Prozent), für »technischen Fortschritt und industrielle Entwicklung« (20 Prozent) und für »Entwicklung der Demokratie seit 1945« (19 Prozent).

In den USA, in Frankreich und in Großbritannien wurde auch nach der Wirkung der Filme gefragt, in denen ähnlich wie in entsprechenden Comic-Heften die Deutschen als NS-Gangster dargestellt werden. Sie haben offenbar keinen allzu großen Einfluß. In Frankreich zum Beispiel konnten sich 35 von 100 Befragten zum großen Teil deshalb nicht äußern. weil sie solche Filme nicht kannten, und nur 4 von 100 glauben, daß »die Deutschen noch so sind, wie sie die Filme über Hitlerdeutschland allgemein zeigen«. 61 von 100 hingegen sind -- teils mit, teils ohne Einschränkung -- davon überzeugt, daß sich die Deutschen »zum Besseren geändert haben«.

Auch die militärische Macht der Bundesrepublik ist kein Thema mehr, das noch die Völker bewegt. In allen Ländern ist es lediglich eine Minderheit, die der Meinung beipflichtet: »Westdeutschland ist militärisch zu stark und könnte zu einer Gefahr werden.«

Zu dieser Minderheit zählen in den USA nur 9, in Frankreich 20 Prozent der Befragten. Aber gerade die Daten aus dem dreimal besetzten Land jenseits des Rheins offenbaren, daß auch dort für weitaus die meisten Männer und Frauen deutsche Soldatenstiefel und Panzer kein Alptraum mehr sind. An den Ergebnissen aus Frankreich wird außerdem deutlich, daß sich ein differenziertes Urteil über die Bundesrepublik als Militärmacht durchaus mit Sympathie für die Deutschen verträgt. Wie groß sie ist, zeigte sich, als gefragt wurde:

Hat sich im Laufe der letzten Jahre Ihr Urteil ... verbessert oder verschlechtert, oder ist es gleich gut oder gleich schlecht geblieben?

Nicht nur für die Bundesrepublik und die DDR, sondern auch noch für sieben andere Länder sollte diese Frage beantwortet werden.

Die Antworten derjenigen, deren Meinung »gleich gut« geblieben oder »besser« geworden ist, lassen sich zu einem überaus positiven Bild addieren: Die Bundesrepublik steht

an erster Stelle bei den Franzosen (vor den Engländern) und bei den Dänen (vor den Schweden),

an zweiter Stelle bei den Engländern und bei den Niederländern (jeweils nach den Schweden),

an dritter Stelle bei den Amerikanern (nach den Schweden und den Japanern) und bei den Schweden (nach den Franzosen und Briten).

Einzige Ausnahme sind die Italiener*, denen Schweden, Japaner, Franzosen, Briten und Amerikaner sympathischer sind als die Bundes-Deutschen.

Die Antworten auf die Frage nach der guten oder schlechten Meinung zeigen, daß sich die Diskrepanz in den Ansichten über die Bundesrepublik und über die DDR in den letzten Jahren noch vergrößert hat.

Auf der einen Seite sind zum Beispiel nicht weniger als 38 Prozent der Briten, 32 Prozent der Holländer und 25 Prozent der Dänen zu einer positiveren Ansicht über die Westdeutschen gelangt, während nur zwischen 2 und 13 Prozent negativer urteilen. Hinsichtlich der DDR ist es umgekehrt, sie hat überall mehr Minuspunkte gesammelt.

Dieser Ansehens-Verlust läuft dem internationalen Trend entgegen, denn selbst die Sowjet-Union hat einigen Boden gutgemacht.

Als in sieben Punkten um einen Vergleich zwischen der Bundesrepublik und der DDR gebeten wurde. schwiegen sich viele Befragte aus: Ihnen ist der ostdeutsche Staat so unbekannt oder so gleichgültig. daß sie keine Antwort wußten.

Im übrigen aber entschied sich stets eine große Mehrheit für die Bundesrepublik, ganz gleich, ob nach dem Grad der persönlichen Freiheit, nach den Informationsmöglichkeiten für die Bürger oder nach den Bemühungen »um den Abbau der Spannungen und für die Erhaltung des Friedens« gefragt wurde.

Nur Minderheiten zwischen 2 und 13 Prozent glaubten, daß in dem einen oder anderen Punkt die DDR besser dasteht als die Bundesrepublik.

Noch relativ am besten schnitt der »Arbeiter-und-Bauern-Staat« (DDR-Eigenname) ab, als gefragt wurde, wo »mehr für das Wohl der arbeitenden Menschen gesorgt« werde. Aber auch dann blieb es bei Minderheiten zwischen 9 und 19 Prozent.

In Italien ist mithin die Zahl der KP-Wähler beträchtlich größer als die Zahl derer, die davon überzeugt sind, daß es den Werktätigen im kommunistischen Ostdeutschland besser geht als im kapitalistischen Westdeutschland.

Auf manchen mag es wie eine Sensation wirken, daß sich in sieben von acht

* Diese Frage wurde in Griechenland nicht gestellt.

Ländern die Mehrheit der Befragten für eine friedliche Wiedervereinigung West- und Ostdeutschlands aussprach. Dagegen sind nur Minderheiten zwischen vier Prozent (Schweden) und 19 Prozent (Frankreich).

Ist im Ausland ein Ziel noch populär, das die Deutschen selbst schon aufgegeben haben? So scheint es nur auf den ersten Blick

Ausdrücklich war um eine Antwort gebeten worden »unabhängig davon, ob Sie eine friedliche Wiedervereinigung ... in absehbarer Zeit für wirklich realisierbar halten oder nicht«. Eine so von den politischen Realitäten losgelöste Frage würden vermutlich

* Die Colditz Story.

auch heute noch weitaus die meisten Deutschen bejahen.

Die Antworten geben denn auch nur eine deutschfreundliche Stimmung, wohl kaum eine politische Überzeugung wieder.

Die deutsche Einheit ist keine Frage, die -- so oder so -- die Welt noch bewegt.

In Frankreich, Dänemark, Griechenland und in den USA wußte jeder vierte, in Italien wußte sogar fast jeder zweite mit der Frage nichts anzufangen.

Ihnen allen war das Thema der deutschen Wiedervereinigung so fremd, daß sie sich nicht mal entschließen konnten, dafür oder dagegen zu sein.

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