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Briefe

AUTOREN-KORREKTUR
aus DER SPIEGEL 47/1965

AUTOREN-KORREKTUR

Einige der im SPIEGEL veröffentlichten Leserbriefe zu dem komprimierten Auszug aus meinem Buch »Die Frühgeschichte der NSDAP. Hitlers Weg bis 1924« im SPIEGEL 41/1965 enthalten grobe Unterstellungen und lassen eine Richtigstellung geboten erscheinen.

So meint Herr Wolfgang Schimmang, daß ich Hitler offensichtlich Unrecht getan habe mit der Feststellung, daß er sich in Österreich von 1909 bis 1913 der Wehrpflicht entzog, da er sich im August 1914 bei Kriegsausbruch sofort freiwillig zum Kriegsdienst meldete. Herr Schimmang übersieht, daß Hitler in München Soldat wurde, nicht jedoch in Österreich.

Ich habe nirgendwo geschrieben, daß Hitler von 1909 bis 1913 im Obdachlosenasyl kampierte, wie Herr Dr. Geyer in seinem Leserbrief schreibt. Ohne Unterbrechung wohnte Hitler von Dezember 1909 bis Frühjahr 1913 im Männerheim in der Meldemannstraße, das ich als »eine Art Großhotel« charakterisiert habe. Dort war er selbstverständlich polizeilich gemeldet. Im Obdachlosenasyl hielt er sich lediglich von Mitte November 1909 bis vor Weihnachten 1909 auf, nachdem er zuvor alle vier Wochen seine Zimmer gewechselt hatte. Völlig unsinnig sind die Behauptungen des. Herrn Ottmar Katz, der kritik - und ahnungslos den Behauptungen und Vermutungen Franz Jetzingers folgt. Jetzingers kuriose Feststellung »Entweder war der damalige Hitler nicht Hilfsarbeiter oder er hat nie gehungert« (Jetzinger, Seite 194) wertet Katz als »schlüssigen« Beweis dafür, daß Jetzinger bewiesen habe, daß Hitler niemals Hilfsarbeiter gewesen sei. Ebenso falsch ist die Feststellung, daß Hitler die Waisenpension von 25 Kronen monatlich »zu Unrecht« bezogen habe. Die Pension stand Hitler nach dem Gesetz (also nicht »zu Unrecht") bis April 1913 zu. Jetzingers Vermutungen, daß Hitler dazu gezwungen worden sei, kann durch Dokumente nicht belegt werden. Sie bezeugen lediglich, daß Hitler auf die ihm zustehende Pension zugunsten seiner Schwester Paula verzichtete, da er über genügend Geld verfügte.

Da Herr Katz offensichtlich gar keine Ahnung von den Dingen hat, über die er so sicher redet, sondern sich ausschließlich auf Jetzingers Angaben stützt, die in sehr vielen Fällen schon vor der Rückgabe der Dokumente des ehemaligen Hauptarchivs der NSDAP (1961/62) als Vermutungen und Unterstellungen erkannt werden konnten, wiederholt er mit Jetzinger auch die seit Rudolf Olden und Konrad Heiden in der Literatur apostrophierte Version über den »angeblichen« Hanisch -Betrug an Hitler. Daß Hanisch Hitler tatsächlich betrogen hat, wie Hitler im Sommer 1910 vor der Polizei angab, konnte Jetzinger allerdings nicht wissen, da ihm auch nicht eine einzige Zeile aus dem Hanisch-Nachlaß bekannt geworden ist (in meinem Buch wird er erstmalig abgedruckt und kommentiert). Da Jetzinger Laie war und darüber hinaus auch nur über einen sehr beschränkten Dokumententeil informiert war, ist er in den wesentlichsten Punkten den Angaben der älteren Biographen gefolgt, die über Hitler Behauptungen verbreiteten, die der Landstreicher Hanisch für Geld verkauft hatte. So hat er in seinem Buch über die »Jugend Hitlers« denn auch behauptet, daß der junge Hitler sich »ab Frühjahr 1909 kein Zimmer mehr leisten« konnte, im »Frühjahr ... im Freien auf Bänken und unter Torbögen« schlief und, als die »Nächte empfindlich kalt wurden ... im Asyl für Obdachlose« landete (Jetzinger, Seite 219), obwohl durch Dokumente einwandfrei nachgewiesen werden kann, daß Hitler bis Mitte November 1909 als Untermieter in Einzelzimmern In Wien wohnte.

Herrn Katzens Behauptung, daß Hitler seine Mutter während der Krankheit (kurz vor dem Tode) nicht gepflegt habe, ist ebenfalls nur eine pure Vermutung Jetzingers, die er nicht beweisen konnte. Die protokollierten Angaben von Zeugen (Jetzinger hat auch diese Dokumente nicht gekannt) sprechen einhellig gegen Jetzingers Behauptung.

Hätte Herr Katz auch nur eine einigermaßen hinlängliche Ahnung von der Geschichte (und ihrer Darstellung), wäre ihm sicher nicht eingefallen, bloße Vermutungen, Unterstellungen und Auskünfte von »alten Frauerln«, wie es gelegentlich in Jetzingers Buch heißt, das Herr Katz als »Standardwerk« bezeichnet, als erwiesene Tatsachen hinzustellen.

Hockenheim (Bad.-Württ.)

DR. WERNER MASER

Maser

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