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Artikel 25 / 74

BAYERN-SEPPL UND DER HERR IM PELZ

aus DER SPIEGEL 36/1965

Pr f-Nr. 0011

Gericht

des Obersten Befehlshabers der Wehrmacht.

So. 1/138.

Geheime Kommandosache

Im Namen des Deutschen Volkes!

In der Sache gegen den Generalobersten a.D. Werner Freiherr von Fritsch hat das Gericht des Obersten Befehlshabers der Wehrmacht auf Grund der Hauptverhandlung vom 10., 17. und 18. März 1938, an der teilgenommen haben als Richter:

- Generalfeldmarschall Göring, Vorsitzender des Gerichts,

- Generaladmiral Dr. Raeder,

- Generaloberst von Brauchitsch,

- Senatspräsident am Reichskriegsgericht Sellmer,

- Senatspräsident am Reichskriegsgericht Dr. Lehmann, als Vertreter der Anklage:

- Reichskriegsgerichtsrat Biron,

als Urkundsbeamter:

- Reichskriegsgerichtsrat Dr. Sack,

am 18. März 1938 für Recht erkannt:

Die Hauptverhandlung hat die Unschuld des Generalobersten a.D. Freiherr von Fritsch in allen Punkten ergeben.

Von Rechts wegen.

gez. Göring Raeder von Brauchitsch

Sellmer Dr. Lehmann

Gründe

A.

Der Führer hat als Oberster Befehlshaber der Wehrmacht gegen den Generalobersten a.D. Freiherr von Fritsch die Anklage verfügt. Dabei hat er dem Gericht folgenden Auftrag erteilt:

»Es sollen die Behauptungen nachgeprüft werden, daß Generaloberst a.D. Freiherr von Fritsch in Berlin

- in der Zeit von Oktober 1933 bis

März 1936 mit dem Hitlerjungen Fritz Wermelskirchen Unzucht getrieben habe,

- im Winter 1934 mit dem Hitlerjungen Gerhard Zeidler widernatürliche Unzucht getrieben habe,

- im November 1933 mit dem Arbeiter Martin Weingärtner widernatürliche Unzucht getrieben habe.

Durch gerichtliche Entscheidung in der Hauptverhandlung soll festgestellt werden, ob der Generaloberst a.D. Freiherr von Fritsch sich dieser behaupteten Verfehlungen im Sinne der §§ 175 neuer und alter Fassung, 74 RStGB

- schuldig gemacht hat oder

- ob er nicht überführt ist oder

- ob er unschuldig ist.«

B.

Im Jahre 1935 wurde der Arbeiter Otto Schmidt aus Berlin unter dem Verdacht der Erpressung festgenommen. Schmidt hat im Laufe, seiner Vernehmung eine große Zahl von Personen der widernatürlichen Unzucht beschuldigt.

Schmidt wurde im Mai 1936 dem Vernehmungsrichter des Amtsgerichts Berlin im Polizei-Präsidium vorgeführt. Soweit es sich feststellen läßt, hat Schmidt bei dieser Vernehmung vor dem Zeugen Gerichtsassessor Ernst zum erstenmal, und zwar ohne nähere Ausführungen, die Behauptung aufgestellt, daß Generaloberst a.D. Freiherr von Fritsch widernatürliche Unzucht getrieben habe.

Schmidt meint, er habe schon 1935 dem früheren Kriminalassistenten Justus den Namen genannt. Justus sagt hierzu, er könne sich daran nicht erinnern; es seien ihm mehrere hundert Namen genannt worden, darunter auch viele prominente.

Zur Aufklärung dieses Vorwurfs haben in den folgenden Monaten Vernehmungen bei der Geheimen Staatspolizei stattgefunden. Die erste Vernehmung, die sich sachlich mit dem Fall des Generalobersten beschäftigte und die jetzt noch festzustellen ist, fand am 8. oder 9. Juli 1936 vor dem jetzigen Polizeihauptmann a.D. Häusserer statt. In dieser Vernehmung erneuerte Schmidt seinen Vorwurf gegen den Generalobersten.

Auch bei Vernehmungen im August 1936 vor dem Kriminalsekretär Löffner hielt Schmidt seine Behauptungen aufrecht. Die Behauptungen wurden teilweise durch den Zeugen Heiter bestätigt. Gemeinsam mit ihm will Schmidt den Generalobersten erpreßt haben.

Auf besondere Anweisung wurden die Ermittlungen über die Behauptungen des Schmidt damals zunächst eingestellt. Eine weitere Nachprüfung hat, soweit ermittelt ist, in den Jahren 1936 und 1937 nicht stattgefunden.

Zu Beginn des Jahres ergab sich im Zusammenhang mit Ereignissen von großer Tragweite und im Anschluß an Personalveränderungen an hoher Stelle der Wehrmacht die Notwendigkeit, den Vorwürfen gegen Generaloberst a.D. Freiherr von Fritsch nachzugehen.

Der Führer verfügte die Wiederaufnahme der Untersuchungen. Die Ermittlungen wurden zunächst durch die Geheime Staatspolizei geführt.

Am 26. Januar 1938 gab der Generaloberst vor dem Führer in Gegenwart des Generalfeldmarschalls Göring eine Erklärung über den Fall ab. An den beiden nächsten Tagen wurde er von der Geheimen Staatspolizei vernommen.

Schon vor dieser Vernehmung hatte er den Führer um Einleitung eines Gerichtsverfahrens gebeten. Der Führer beauftragte zunächst den Reichsminister der Justiz Dr. Gürtner mit der gutachtlichen Beantwortung bestimmter Fragen.

Am 5. Februar 1938 bestimmte der Führer sich selbst als Gerichtsherrn und ordnete das Ermittlungsverfahren an. Zugleich bestimmte der Führer das Gericht für die Hauptverhandlung.

C.

Schmidt hat in der Hauptverhandlung folgendes behauptet:

Im November 1933 habe er sich abends in der Vorhalle des Wannseebahnhofs Berlin aufgehalten, um Gelegenheit zu einer Erpressung auf homosexueller Grundlage auszukundschaften. Dabei habe er eine Gruppe von Offizieren beobachtet, die sich zur Treppe des Aufgangs zum Bahnsteig begaben. Bei ihnen habe sich ein Herr in Zivil befunden.

Zwei der Offiziere seien Seeoffiziere gewesen. Die Offiziere hätten da etwa zehn Minuten gestanden und sich unterhalten; dann hätten sie sich von dem Herrn in Zivil verabschiedet. Sie hätten ihn zuvorkommend behandelt. Dann

seien die Offiziere die Treppe zur Bahn

hinaufgegangen.

Der Herr in Zivil sei nunmehr in die Bahnhofs-Toilette gegangen und nach ganz kurzer Zeit wieder herausgekommen. Er habe dann in der Bahnhofshalle die Vorübergehenden, besonders jüngere Leute, auffällig gemustert. Er, Schmidt, habe sofort den Eindruck gehabt, der Herr sei homosexuell. Deshalb habe er ihn genauer betrachtet.

Der Herr habe einen dunklen Mantel mit braunem Pelzkragen angehabt, habe einen dunklen Hut getragen, einen weißen Schal und ein Einglas, das er hin und wieder herausgenommen habe. Diese Kleidung habe der Herr auch später immer getragen, wenn er ihn gesehen habe. An der linken Backe, unmittelbar am Munde, habe er eine Narbe oder eine Falte gehabt.

Dieser Herr habe sich etwa zehn Minuten dort aufgehalten. Nun sei ein Strichjunge, Martin Weingärtner, in seinen Kreisen als »Bayern-Seppl« bekannt, durch die Bahnhofsvorhalle in die Toilette gegangen. Der Herr im Pelz sei ihm sofort gefolgt. Beide seien nach ganz kurzer Zeit wieder herausgekommen und hätten die Bahnhofshalle nach der sogenannten Privatstraße der Reichsbahn hin verlassen. Er, Schmidt, sei ihnen gefolgt.

Am Eingang der Privatstraße habe er ein Streichholz aufflammen sehen. Weingärtner und der Herr seien die dunkle Privatstraße weitergegangen. Er sei ihnen nachgeschlichen. Das Gitter, das diese Privatstraße gewöhnlich schließt, sei damals offen gewesen, wegen eines Baugerüsts an der Bahnhofsmauer.

Die beiden hätten sich an einer Nische aufgestellt. Diese Nische befinde sich da, wo die Wand der Bahnhofshalle aufhört und in eine kleinere Mauer übergeht, etwa 60 bis 70 Meter von dem Bahnhofsausgang entfernt.

Er, Schmidt, sei so nahe an sie herangetreten, daß er sie mit der Hand hätte greifen können. Er sei im Schutze

des Gerüstes herangeschlichen; er gehe bei solchen Sachen auf Kreppsohlen.

Weingärtner habe in der Ecke der Mauernische gestanden. Vor ihm habe der andere Herr gehockt. Was er gemacht habe, habe er nicht gesehen.

Nun sei er, Schmidt, zum Bahnhofsausgang zurückgegangen. Weingärtner habe den Herrn am Ausgang des Bahnhofs verlassen'und sei nach dem Potsdamer Platz, zu gegangen, der Herr durch den Tunnel zum Ringbahnhof zu. Er, Schmidt, habe den Weingärtner nicht angesprochen. Er sei vielmehr dem Herrn gefolgt und habe ihn angesprochen.

Schmidt schildert ausführlich die Unterredung, die nunmehr gefolgt sei. Er habe angedeutet, daß er Beamter sei. Der Herr habe gebeten, ihn laufen zu lassen. In dem Hin und Her dieser Unterhaltung habe der Herr gesagt, er sei der General von Fritsch und habe sich dabei in die Brust geworfen, mit einer typischen Bewegung, die er später noch oft an dem Herrn bemerkt habe.

Darauf hätte er,"Schmidt, sogleich erwidert, er sei der Kriminalkommissar Kröger. Darauf habe der Herr einen Ausweis herausgeholt, der sich in einem Deckel befunden habe und ungefaltet gewesen sei. Auf dem Ausweis, der in der breiten Seite beschrieben gewesen sei, habe rechts oben der Name von Fritsch in deutlicher Schrift gestanden.

Der Herr habe gebeten, ihn nicht unglücklich zu machen. Auf ein paar tausend Mark komme es nicht an; er habe aber nur 100 Mark bei sich.

Er, Schmidt, habe gezögert. Diesen Wink habe der Herr verstanden und habe ihn aufgefordert, nach Lichterfelde mitzufahren, wo er bei einem Bekannten Geld leihen wolle. Er sei nun mit dem Herrn nach Lichterfelde-Ost, gefahren, und sie seien zusammen an das Haus Ferdinandstraße 21 gegangen.

Der Herr sei in den Eingang zu diesem Haus gegangen. Ob er das Haus selbst betreten habe, wisse er nicht; das Haus Nr. 21 liege weit zurück und sei dunkel gewesen.

Nach etwa zehn Minuten sei der Herr herausgekommen. Die 500 Mark habe

er ihm auf dem Wege zum Bahnhof Lichterfelde-Ost gegeben. Dabei habe er ihn für den andern Tag auf die andere Seite des Bahnhofs bestellt. Da solle er noch 1000 Mark bekommen, die er (der Herr) sich aber erst von der Bank holen müsse. Gezeigt habe der Herr die Bank nicht.

Am anderen Morgen habe er den Herrn am Bahnhof getroffen und von ihm In der Nähe der Flügeltüren des Bahnhofs 1000 Mark in Empfang genommen. Dabei habe der Herr ihm weitere 1000 Mark zugesichert, weil er, Schmidt, so ein anständiger Kerl sei. Das Geld wolle er ihm im Januar geben.

Am Abend vor dem Verabredungstage im Januar, etwa um den 10. Januar herum, habe Schmidt am Brandenburger Tor den Zeugen Heiter getroffen. Der habe ihn, wie schon früher oft, gebeten, ihn einmal etwas bei einer Erpressung mitverdienen zu lassen.

Darauf habe er sich entschlossen, den Heiter am anderen Tage nach Lichterfelde mitzunehmen. Sie seien am anderen Morgen zusammen nach Lichterz felde gefahren. Er habe Heiter unterrichtet, daß er nur ja oder nein zu sagen

brauche, wenn er bei der Unterhaltung mit dem zu erpressenden Mann eine Frage stelle. Heiter habe die ganze Nacht hindurch getrunken gehabt.

Am Bahnhof Lichterfelde-Ost sei der fremde Herr gewesen, und zwar habe er vor der Commerz-Bank gestanden. Er, Schmidt, habe ihm gesagt, daß er einen Kollegen mitgebracht habe, worauf der Herr sehr nervös geworden sei.

Sie seien nun alle zusammen in den Wartesaal 2. Klasse gegangen. Dort hätten sie, Schmidt und Heiter, jeder etwa ein Dutzend Cognacs, und zwar Asbach-Uralt, getrunken, der fremde Herr nur einige Glas. Dazu hätten sie Zigarren geraucht, aus einer Kiste, die auf den Tisch gestellt worden sei. Auch der Herr habe eine Zigarre geraucht.

Die 1000 Mark habe der Herr ihm unauffällig gegeben. Er habe darauf eine Quittung ausgestellt, die er mit Kriminalkommissar Kröger unterzeichnet habe. Dieses Beisammensein im Wartesaal habe wohl eine Stunde gedauert, etwa bis 11 Uhr vormittags.

Auf der Rückfahrt habe er dann von diesen 1000 Mark dem Heiter 500 Mark abgegeben. Der Herr, an dem er diese Erpressung verübt habe, sei der Generaloberst Freiherr von Fritsch. Er erkenne ihn bestimmt wieder...

Über den weiteren Verlauf des Falles hat Schmidt... folgendes ausgesagt:

Er sei später noch oft nach Lichterfelde-Ost gefahren, wohl zehn- bis zwölfmal. Dabei habe er »die Gegend inspiziert, ob er ihn nicht sehe«. Diese Besuche in Lichterfelde hätten im Sommer 1934, im Winter 1934/35 und im Februar und März 1935 stattgefunden. Dreimal sei er dabei mit (dem Zeugen) Ganzer zusammen gewesen.

Er habe, wohl im Februar oder Anfang März 1935, zusammen mit Ganzer den Weingärtner am Skagerrak-Platz getroffen. Dabei habe er ihn an den Fall vom Wannseebahnhof erinnert,und ihn um den Entlassungsschein aus dem Gefängnis - Weingärtner hatte unterdessen eine Strafe verbüßt - gebeten.

Mit diesem Entlassungsschein habe er, gemeinsam mit Ganzer und Heiter, eine neue Erpressung an dem Herrn verüben wollen. Weingärtner habe ihm aber den Entlassungsschein nicht gegeben, sei auch nicht zu der Verabredung gekommen, und so sei er mit Ganzer allein nach Lichterfelde gefahren, um den Herrn erneut zu erpressen.

Schmidt ist nun im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung auf das Unerklärliche dieses Verhaltens hingewiesen worden. Es ist ihm gesagt worden, die Wohnung des Generalobersten hätte er doch aus dem Telephonbuch, aus dem Adreßbuch oder sonstwie leicht feststellen können.

Es ist ihm vorgehalten worden, daß er in anderen Fällen ja auch Mittel und Wege gefunden habe, um Persönlichkeiten zu finden, die er erpressen wollte. Es ist ihm gesagt worden, daß er (was er nicht bestreitet) auf dem Kraftverkehrsamt gewesen sei, um den Inhaber einer bestimmten Autonummer zu ermitteln.

Schmidt hat auf diese Vorhaltungen gesagt, sein Verhalten sei eine Dummheit gewesen. Er hat dann dem Untersuchungsführer erklärt, er habe gar nicht die Wohnung des Generalobersten suchen wollen, sondern er habe eine neue Erpressungsmöglichkeit herbeiführen wollen.

In der Hauptverhandlung hat Schmidt auf die Vorhalte »Adreßbuch« gesagt, er sei in den Sachen vorsichtig, er sei in den Sachen bei solchen großen Leuten immer etwas verschwiegen gewesen. Im übrigen hat er auch in der Hauptverhandlung gesagt - was der Zeuge Ganzer bestätigt -, es habe sich darum gehandelt, den zu erpressenden Herrn in eine Lage zu bringen, die die Gelegenheit zu einer neuen Erpressung geben sollte.

D.

Der Generaloberst erklärt:

An den Behauptungen des Schmidt sei, soweit sie ihn beträfen, kein wahres Wort. Er habe mit dem Mann nichts zu tun gehabt. Er sei nie erpreßt worden, weder von Schmidt noch von einem anderen. Er kenne den Schmidt nicht. Er habe niemals am Wannseebahnhof eine homosexuelle Handlung vorgenommen.

Er sei nicht gleichgeschlechtlich veranlagt. Er stehe der Frau in geschlechtlicher Hinsicht bejahend gegenüber. Er habe keine anonymen Briefe bekommen, die ihn der gleichgeschlechtlichen Veranlagung bezichtigten. Es sei ihm auch unbekannt, daß Briefe solchen Inhalts an andere Stellen gerichtet worden seien.

Zu Einzelheiten der Aussage des Schmidt sagt der Generaloberst: Einen' Zivilpelz habe er nie besessen. Er sei seit vielen Jahren Nichtraucher. Das Einglas setze er auf der Straße nicht ab. Ein Konto bei der Dresdner Bank oder bei der Commerz- und Privat-Bank besitze er überhaupt nicht. Er kenne keinen Menschen in dem Hause Ferdinandstraße 21.

Wie Schmidt dazu komme, ihm die sogenannte typische Bewegung, das In die-Brust-Werfen, nachzuahmen, wisse er nicht.

E.

Schmidt ist 31 Jahre alt, verheiratet und von Beruf angeblich Arbeiter. Er ist im Jahre 1935 festgenommen worden und seitdem in Haft. Er hat erhebliche Vorstrafen.

In den Jahren 1921/22 wurde er von dem Amtsgericht Tempelhof dreimal wegen Diebstahls zu Gefängnisstrafen verurteilt, und zwar zu zwei Wochen, drei Wochen und dreißig Tagen. Diese Strafen wurden im Jahre 1922 in eine Gesamtstrafe von sieben Wochen Gefängnis umgewandelt.

Im Jahre 1924 wurde er von dem gleichen Gericht zweimal wegen Diebstahls verurteilt. Es wurde gegen ihn auf eine Gesamtstrafe von vier Monaten Gefängnis erkannt. Im Jahre 1927 wurde er von dem Amtsgericht Berlin-Mitte wegen Unterschlagung zu 20 Reichsmark und von dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg wegen Diebstahls zu einem Monat Gefängnis verurteilt.

Im Jahre 1928 erhielt er von dem Schöffengericht Berlin-Mitte wegen Erpressung vier Monate Gefängnis und von dem Schöffengericht Berlin-Mitte wegen räuberischer Erpressung sechs Monate Gefängnis.

Im Jahre 1929 wurde er von dem Amtsgericht Neukölln wegen Betrugs mit zwei Wochen Gefängnis bestraft. Ende 1936 wurde er wegen Erpressung und anderen strafbaren Handlungen zu sieben Jahren Gefängnis und zu zehn Jahren Ehrverlust verurteilt. Diese Strafe verbüßt er. Zur Zeit befindet er sich im Gewahrsam der Geheimen Staatspolizei.

Die als Zeugen vernommenen Beamten der Geheimen Staatspolizei schildern ihn so: Er habe nach seiner Festnahme zunächst nur kleine Erpressungen zugegeben. Seine Mitteilungen habe er dann langsam ergänzt, erweitert und - zögernd und mißtrauisch - auf höherstehende Personen ausgedehnt.

Auf Grund seiner Aussagen seien mehr als hundert Fälle ermittelt und zum großen Teil zur Aburteilung gebracht worden. In diesen Fällen habe Schmidt, der über ein vorzügliches Gedächtnis verfüge, die Wahrheit gesagt.

Einer der Beamten der Geheimen Staatspolizei hat in einer schriftlichen Erklärung ausgeführt, Schmidt könne als einer der besten' Kenner der Homosexuellen Berlins bezeichnet werden...

I.

Heiter, mit Spitznamen »Bucker« genannt, 29 Jahre alt, Arbeiter, ist zum erstenmal von der Geheimen Staatspolizei am 20. August 1936 vernommen worden.

Er hat bei dieser Vernehmung und bei allen folgenden Vernehmungen vor der Hauptverhandlung und am Anfang der Hauptverhandlung einen Teil der Behauptungen des Schmidt bestätigt, die sich auf die Erpressung im Januar 1934 beziehen. Seine Angaben sind in Einzelheiten stets gleich dürftig geblieben.

Schmidt hat von Anfang an ausgesagt, daß er im Jahre 1934, nach der angeblichen Erpressung im Januar, noch mehrfach in Lichterfelde-Ost gewesen sei. Zweck seiner Besuche sei gewesen, den Mann zu treffen, an dem er die Erpressungen vorgenommen habe. Er habe bei drei Besuchen in Lichterfelde den Zeugen Ganzer mitgenommen. Ganzer sagt aus, unter entscheidender Veränderung seiner früheren Aussagen: Schmidt habe gesagt, der Herr sei ein alter Herr, der ständig eine Krankenschwester bei sich habe; er habe bei ihm schon einmal Geld geholt. Man bekomme bei ihm Cognac. (Die Sätze sind erst in der Hauptverhandlung gesagt worden.)

Er habe ihm auch die Bank gezeigt, wo er das Geld abgeholt habe. Es könne kein Zweifel sein, daß Schmidt nur an den Fall gedacht habe, der seinen Anfang am Wannseebahnhof mit dem sogenannten Bayern-Seppl genommen habe. Das ergebe sich schon daraus, daß Schmidt in seiner Gegenwart zur Vorbereitung eines solchen Besuchs in Lichterfelde den Weingärtner um den Entlassungsschein aus dem Gefängnis gebeten habe.

Dieser Entlassungsschein sollte eine Grundlage für weitere Erpressungen bilden. Schmidt habe ihm auch gesagt, daß er den Mann, den er jetzt erpressen wolle, mit (dem Zeugen) Siefert schon erpreßt habe. Nur auf den Mann, auf den das alles zutreffe, habe Schmidt mit ihm zusammen in Lichterfelde gelauert.

Weingärtner ist Strichjunge; er ist 36 Jahre alt. Er gibt an, er habe seine Bekanntschaften immer allein gemacht.

In der Hauptverhandlung hat Weingärtner außerdem auf die Frage des Vorsitzenden gesagt, er habe den Generaloberst in Zivil zum erstenmal in der Prinz-Albrecht-Straße (Gestapo-Zentrale) gesehen. Ein Beamter habe ihm gesagt, wenn ein Herr

hereinkomme und mit dem Offizier (der auf den Generalobersten wartete) die Treppe hochgehe, dann solle er den Herrn angucken, ob er es sei. Das habe er gemacht. Er habe den Herrn nicht erkannt.

Im Laufe der Ermittlungen durch den Untersuchungsführer erwähnte- eine Zeugin, daß im Wartesaal 2. Klasse des Bahnhofs Lichterfelde-Ost häufiger ein Herr verkehrt habe, der wohl Offizier gewesen sei, einen adligen Namen habe und in der Ferdinandstraße wohne.

Die Ermittlungen ergaben, daß dies ein Rittmeister a.D. von Frisch ist, der in Lichterfelde-Ost, Ferdinandstraße 20 wohnt. Das Haus Ferdinandstraße 20 liegt unmittelbar neben dem Haus Nr. 21, in dem der Generaloberst Freiherr von Fritsch nach der Behauptung des Schmidt das erste Geld geholt haben soll.

Von Frisch wurde durch den Untersuchungsführer vernommen. Er gab sofort zu, im November 1933 mit einem jungen Mann am Wannseebahnhof in der Privatstraße gleichgeschlechtlich

verkehrt zu haben und im Zusammenhang damit erpreßt worden zu sein. Es seien 2000 bis 2500 Mark gefordert worden. Er habe 2000 Mark bewilligt, von denen 1000 Mark sofort, weitere 1000 Mark später gezahlt werden sollten. Die ersten 1000 Mark habe er sofort, und zwar gemeinsam mit Schmidt, von der Dresdner Bank am Bahnhof geholt. Der Erpresser sei mit in die Bank gekommen.

Der Zeuge von Frisch erkennt einwandfrei den Otto Schmidt als den Erpresser wieder. Von Frisch erklärt, weder Weingärtner noch Heiter jemals in seinem Leben gesehen zu haben.

Schmidt ist im Laufe des Ermittlungsverfahrens wiederholt gefragt worden, ob die Möglichkeit bestehe, daß er den Fall des Generalobersten Freiherr von Fritsch, wie er ihn beschrieben hat, mit einem anderen Fall verwechsele.

Er hat das abgestritten. Noch in seiner Vernehmung vom 3. März 1938 hat er vor dem Untersuchungsführer zu Protokoll erklärt, daß er nur im Januar 1934 und sonst niemals in seinem Leben im Wartesaal des Bahnhofs Lichterfelde-Ost gewesen sei. Das sei zusammen mit Heiter und mit dem Herrn gewesen, den er nach der gleichgeschlechtlichen Betätigung am Wannseebahnhof gestellt hatte.

Der Untersuchungsführer hat ihm darauf die Unterschrift der Quittung vorgelegt, die der Zeuge von Frisch überreicht hat. Darauf hat Schmidt erklärt, er erkenne diese Unterschrift als von ihm geschrieben an.

Nunmehr wurde dem Schmidt die gesamte Bescheinigung vorgelegt. Darauf erklärte er: »Das ist ganz etwas anderes. Mit dem Herrn, dem ich diese Bescheinigung gegeben habe, war ich niemals im Wartesaal des Bahnhofs Lichterfelde-Ost. Wo der Herr, dem ich die Bescheinigung gegeben habe, wohnt, weiß ich nicht. Ich bin niemals bei ihm gewesen.«

In der Hauptverhandlung ist Schmidt auf das eindringlichste gefragt worden, warum er den Fall von Frisch im Ermittlungsverfahren verschwiegen habe. Er hat dazu zunächst gesagt, das sei aus Schonung für Siefert geschehen. Später hat er gesagt, er habe es erst erzählen wollen, aber nachher habe er gedacht, man werde die Sachen vielleicht verwechseln, er wolle nicht, daß die andere Sache (von Frisch) dazwischenkomme.

Er gebe zu, gelogen zu haben, das sei aber zu seinem eigenen Schutz (vor Bestrafung wegen dieses Falles) geschehen. Bestimmt seien von Frisch und von Fritsch zwei ganz verschiedene Fälle.

Schmidt ist dann kurz vor dem Schluß der Hauptverhandlung von dem Vorsitzenden nochmals mit besonderer Eindringlichkeit gefragt worden, wie er sich die Gleichheit des Falles von Frisch und des sogenannten Falles von Fritsch erkläre. Er hat darauf schließlich gesagt: Er sehe ein, daß die Tatsachen gegen ihn sprächen. Dann hat er zugegeben, daß er den Generalobersten Freiherr von Fritsch niemals gesehen habe.

J.

Nach der Anklageverfügung sollte in der Hauptverhandlung nachgeprüft werden, ob der Generaloberst mit den Hitlerjungen Wermelskirchen und Zeidler Unzucht getrieben habe. Zur Vorgeschichte ist folgendes zu bemerken:

Der Adjutant des Führers, Oberst Hoßbach, hatte dem Generalobersten am 25. Januar 1938 mitgeteilt, daß dem Führer ein Aktenstück vorliege, in dem ein Mann behaupte, den Generalobersten auf Grund homosexueller Betätigung erpreßt zu haben; dieser Vorgang solle sich um die Jahreswende 1933/34 abgespielt haben. Der Generaloberst,erklärt, er habe daraufhin dem Oberst Hoßbach sofort gesagt, er sei weder homosexuell veranlagt, noch habe er sich je so betätigt, noch sei er jemals erpreßt worden.

Hoßbach habe darauf erwidert, das Aktenstück liege aber vor. Der Generaloberst erklärt, er habe nun unablässig darüber nachgegrübelt, wo die Lösung dieses Rätsels zu finden sei. Bei diesem Nachdenken sei er darauf gekommen, daß im Jahre 1933/34 der Hitlerjunge Wermelskirchen bei ihm einen freien Mittagstisch gehabt habe. Im Frühjahr 1935 habe er seine Hand von Wermelskirchen abziehen müssen, weil er seinen Namen mißbraucht habe.

Die Mutter des Wermelskirchen habe ihm später noch einmal geschrieben, ihr Junge sei aus der Fabrik, in der der Generaloberst ihn untergebracht hatte, entlassen worden und komme offenbar auf schlechte Wege. Diese beiden Umstände, daß Wermelskirchen seinen Namen mißbraucht habe und daß er anscheinend auf schlechte Wege gekommen sei, hätten ihn auf den Gedanken gebracht, daß hier vielleicht die Lösung des Rätsels zu finden sei.

Am nächsten Tage, am 26. Januar, habe der Führer ihn gefragt, ob denn irgendwo auch nur die leiseste Möglichkeit der Spur eines Verdachts bestehe. Darauf habe er sofort gesagt, es könne sich höchstens um Wermelskirchen handeln. So sei der Name Wermelskirchen in die Angelegenheit hineingekommen.

Den Vorwurf, mit den beiden Jungen Unzucht getrieben zu haben, weist der Generaloberst mit größter Entschiedenheit zurück.

Zur Sache ist folgendes festgestellt: Generaloberst a.D. Freiherr von Fritsch hat im Jahre 1933 einen Freitisch bei sich zur Verfügung gestellt. Die Verhandlung mit der NSV über die Auswahl des Gastes hat nach der Angabe des Generalobersten der Hauptmann Zwade geführt; die Wirtschafterin des Generalobersten, Fräulein Kunau, bestätigt diese Angabe.

Es wurde im Jahre 1933 der Hitlerjunge Fritz Wermelskirchen, der damals etwa fünfzehn Jahre alt war, zu dem Generalobersten geschickt. Er kam bis in das Jahr 1935 hinein und aß allein mit dem Generalobersten.

Nach dem Essen hat der Generaloberst häufiger mit ihm Kartenkunde getrieben. Wenn Wermelskirchen nicht aufpaßte, zupfte der Generaloberst ihn am Ohr. Einmal, nach seiner Darstellung im Ermittlungsverfahren zweimal, hat er ihn auch, als er mehrere Fragen nicht beantworten konnte, mit dem Lineal oder mit der Reitgerte auf das Gesäß geschlagen.

Bei der Geheimen Staatspolizei, hat Wermelskirchen am 28. Januar und am 2. Februar 1938 sowohl von Schlägen mit dem Lineal wie auch von einem Fall von Schlägen mit einer dünnen Reitgerte oder einem Rohrstock gesprochen, bei dem er sich habe bücken müssen.

Wermelskirchen sagt dazu, daß er auch heute, wo er geschlechtlich aufgeklärt sei, nichts dabei finden könne. Niemals habe ihm der Generaloberst irgendwelche Zärtlichkeiten erwiesen. Es sei sonst überhaupt nie zu Berührungen gekommen.

Wermelskirchen ist im November 1933 bei dem Mittagstisch einen Monat lang durch den Zeugen Gerhard Zeidler vertreten worden. Zeidler war damals etwa sechzehn Jahre alt. Auch ihn hat der Generaloberst, wenn er Fragen nicht beantworten konnte, gelegentlich am Ohr gezogen. Auch dieser Zeuge hält das für harmlos.

Die Mütter der beiden Zeugen, Frau Luise Zeidler und Frau Gertrud Wermelskirchen, sagen, daß die Jungens gern bei dem Generalobersten gewesen sind.

Zeidler hat seiner Mutter erzählt, daß der Generaloberst ihn am Ohrläppchen gezwickt habe. Im militärgerichtlichen Ermittlungsverfahren hat die Mutter Zeidlers auch angegeben, der Generaloberst habe ihm, als er beim Strammstehen eine komische Figur gemacht habe, lachend einen Klaps gegeben. Sie habe sich damals gedacht, ob der Generaloberst vielleicht anders eingestellt sei als andere Männer. Sie habe aber darüber mit niemandem gesprochen.

Die Mutter des Zeugen Wermelskirchen sagt, sie habe ihren Jungen einmal gefragt, ob der Generaloberst ihm vielleicht einmal nahegekommen sei. Das habe er verneint. Sie habe das nur gefragt, weil der Generaloberst einen armen Jungen so gut aufgenommen habe und weil sie wegen der Röhm -Affäre besonders vorsichtig gewesen sei. Die Geheime Staatspolizei hat während des Ermittlungsverfahrens eine größere Anzahl von Soldaten und ehemaligen Soldaten vernommen, die in den letzten Jahren als Burschen zu Generaloberst Freiherr von Fritsch kommandiert waren.

Von ihnen sind in der Hauptverhandlung die folgenden als Zeugen vernommen worden: Schirrmeister Giersch, Feldwebel Nehring, Stabsunteroffizier Schmidtke, Gefreiter Carls, Gefreiter Otto, Unteroffizier Egle, Unteroffizier Stegmayr, Wachtmeister Konrad, Gefreiter Mieting, Unteroffizier Mittelstädt, Landwirt Riemke, Feldwebel Müller, Feldwebel Zeller, Feldwebel Domian, Oberschirrmeister Seifert.

Sämtliche Zeugen haben mit größter Entschiedenheit bekundet, daß niemals zwischen ihnen und dem Generalobersten Zärtlichkeiten vorgekommen seien und daß der Generaloberst niemals mit ihnen über sexuelle Dinge gesprochen habe.

Zweiter Teil

Die Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ...

B.

Die Hauptverhandlung hat nicht den geringsten Beweis dafür ergeben, daß

Generaloberst a.D. Freiherr v. Fritsch gleichgeschlechtlich veranlagt sei.

Den Zeugen, die den Generalobersten so lange und so aus der Nähe kennen wie Generalmajor Graf von Sponeck, Major Siewert, Hauptmann von Both, ist niemals auch nur der geringste Gedanke gekommen, daß der Generaloberst gleichgeschlechtlich veranlagt sein könne. Ebenso äußert sich die Zeugin Kunau, die als Wirtschafterin seit 1926 bei dem Generalobersten in Stellung ist.

Die Aussagen der 15 Burschen des Generalobersten, die vernommen worden sind, ergeben, daß der Generaloberst niemals einem von ihnen zu nahe getreten ist.

An diesem Bild ändert sich auch nichts durch die sogenannten Fälle Wermelskirchen und Zeidler.

Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß diese Fälle nur deshalb untersucht worden sind, weil Generaloberst Freiherr v. Fritsch bei der Unterredung mit dem Führer am 26. Januar 1938 die Sprache selbst auf Wermelskirchen gebracht hatte.

Die Feststellung, daß sich in der Hauptverhandlung keinerlei Anzeichen für eine gleichgeschlechtliche Veranlagung des Generalobersten ergeben haben, ist von Bedeutung auch jetzt noch für die Prüfung der Vorwürfe, die Schmidt erhoben hat. Diese Vorwürfe müssen, unabhängig davon, daß Schmidt selbst sie schließlich zurückgenommen hat, im einzelnen erörtert und gewürdigt werden.

1. Schmidt hat von allem Anfang an behauptet, daß der Herr, der am Wannseebahnhof mit Weingärtner die gleichgeschlechtliche Handlung vorgenommen habe, einen Pelzmantel mit Pelzkragen besessen habe. Diese Beschreibung des Herrn findet sich in allen Aussagen des Jahres 1936 vor der Geheimen Staatspolizei.

Der Pelz ist Schmidt so sehr aufgefallen, daß er schon in der ersten Vernehmung vor dem Zeugen Häusserer (Protokollabschrift vom 8. oder 9. Juli 1936) den Pelz genau beschrieben hat: »Er ... hatte jedesmal bei unserem Zusammentreffen einen Pelzmantel an, der außen schwarzes Tuch hatte. Der Kragen bestand aus einem wertvollen braunen Pelz.«

Generaloberst a.D. Freiherr von Fritsch hat einen Pelz dieser Art oder überhaupt einen Zivilpelz niemals besessen. Das ergibt sich aus der Aussage des Generalobersten selbst und aus ihrer Bestätigung durch Fräulein Kunau, die seit 1926 Wirtschafterin bei ihm ist und daher seine Sachen kennt. Wohl aber hat der Herr von Frisch einen Pelzmantel.

2. Nach den Aussagen des Schmidt vor der Geheimen Staatspolizei im Jahre 1936 muß der Herr, den Schmidt erpreßt hat, ein starker Raucher gewesen sein. In der Aussage vom 26. August 1936 vor Kriminalsekretär Löffner heißt es von dem Herrn, der in der Bahnhofshalle die jungen Leute musterte: »Der Herr hatte sich inzwischen eine Zigarre angesteckt.«

Dann weiter: »Kurz nach Verlassen des Bahnhofsausgangs blieben die beiden Personen (Bayern-Seppl und der Herr) in der dunklen Straße stehen und zündeten sich eine Zigarre oder Zigarette an, dann gingen sie noch weiter in die Straße hinein. Bevor sich der Herr und der Bayern-Seppl die Tabake anzündeten, kam es kurz davor zum Ansprechen.«

Die Hauptverhandlung hat bestätigt, daß der Generaloberst Nichtraucher war. Der Generaloberst erklärt, er habe seit dem Jahre 1926 nie mehr geraucht. Die Zeugen bestätigen, daß sie ihn nie haben rauchen sehen.

Herr von Frisch war starker Raucher. 3. Schmidt hat bei seiner ersten Vernehmung vom 8. oder 9. Juli 1936 gesagt, der Herr habe ihm, als sie am ersten Abend aus der Ferdinandstraße zum Bahnhof Lichterfelde zurückgegangen seien, auf der anderen Seite des Bahnhofs eine Bank - »ich glaube, es war die Dresdner Bank« - gezeigt, wo er am anderen Tag auf ihn warten sollte.

In der zweiten Vernehmung vom 26. August 1936 sagt Schmidt dazu: »Als wir durch den Bahnhof auf die andere Seite gekommen waren, zeigte er mir auch die Bank, von wo er das Geld holen würde, die links vom Bahnhof liegt.« Es heißt dann weiter von dem nächsten Morgen: »Ich stand in der Bahnhofsstraße, Ecke Jungfernsteg an der Telephonzelle und beobachtete den Eingang zur Bank, Jungfernsteg 3... Kurz nachdem kam v. F. aus der Bank heraus.«

Diese Hinweise beziehen sich deutlich auf die Depositenkasse der Dresdner Bank in Lichterfelde-Ost.

Der Generaloberst hatte weder bei der Dresdner Bank noch bei der Commerz- und Privat-Bank ein Konto. Herr von Frisch hatte ein Konto bei der Depositenkasse der Dresdner Bank in Lichterfelde. Dort hat er gemeinsam mit Schmidt Geld abgeholt.

4. Vom Beginn des militärgerichtlichen Verfahrens an ist der Frage eine besondere Aufmerksamkeit zugewandt worden, welche Beziehungen etwa zwischen dem Generalobersten und dem Haus Ferdinandstraße 21 bestehen konnten. Es hat sich nicht der leiseste Anhalt dafür ergeben, daß irgendeine Beziehung des Generalobersten zu dem Haus Nummer 21 besteht.

Herr von Frisch wohnt Ferdinandstraße 20.

5. Es ist schon darauf hingewiesen, daß einige Punkte, in denen Schmidt seine Aussagen aus dem Jahre 1936 geändert oder abgeschwächt hat, auf den Generalobersten nicht zutreffen, wohl aber auf Herrn von Frisch.

Die Bedeutung des Falles von Frisch, der erst im militärgerichtlichen Ermittlungsverfahren aufgedeckt wurde, für die Beurteilung des Falles von Fritsch ist offensichtlich. Es mag Fälle geben, bei denen Erpressungen gegen zwei verschiedene Personen nach äußerer Erscheinungsform und Ablauf sehr ähnlich sind. Daß es aber zwei Fälle geben sollte, bei denen die Ähnlichkeit soweit geht wie hier, ist denkbar unwahrscheinlich.

6. Den letzten Rest von Zweifel hat in der Hauptverhandlung die Aussage des Zeugen Ganzer beseitigt.

Schmidt hat bei den Besuchen mit Ganzer in Lichterfelde, und auch bei seinen eigenen vielfachen Besuchen, nur an den Fall von Frisch gedacht. Er hat zu Ganzer von einem Hauptmann oder Rittmeister gesprochen; den er schon zusammen mit Siefert erpreßt habe.

7. Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, daß mehrere Widersprüche ungeklärt geblieben sind. Die folgenden sind hervorzuheben:

Der Fall von Frisch hat seinen Ausgang am Wannseebahnhof genommen, nach dem Verkehr mit einem Manne, dessen Entlassungsschein Schmidt zu weiteren Erpressungen gegen von Frisch benutzen wollte. Der Mann, um dessen Entlassungsschein es sich handelte, war Weingärtner. Weingärtner gibt zwar eine Handlung am Wannseebahnhof zu, bestreitet aber, sie mit von Frisch vorgenommen zu haben, so wie von Frisch sie zugibt, es aber bestreitet, sie mit Weingärtner vorgenommen zu haben.

Aus den bisher mitgeteilten Feststellungen ergibt sich, daß Schmidt den Generalobersten zu Unrecht beschuldigt hat. Schmidt und Heiter haben das in der Hauptversammlung schließlich auch noch zugegeben. Dieses Geständnis rundet den Fall ab und schließt ihn endgültig.

Danach steht fest: Die Hauptverhandlung hat die Unschuld des Generalobersten a.D. Freiherr von Fritsch in allen Punkten ergeben.

Angeklagter Generaloberst von Fritsch

»Ich bin nicht homosexuell«

Eingang zum Wannseebahnhof Berlin: Der Erpresser kam auf Kreppsohlen

Fritsch-Rivalen Himmler, Göring: »Er war es, er war es!«

Erpressungsopfer von Frisch

In der Privatstraße überrascht

Frisch-Domizil in Berlins Ferdinandstraße Nr. 21, Nachbarhaus Nr. 20: Schweigegeld gegen Quittung

Regiments-Chef von Fritsch, Heeres-OB von Brauchitsch* (1938): Nach dem Freispruch...

Fritsch-Gedenkstein bei Warschau (1939)

... Ritt in den Tod

* Bei der Übergabe des Artillerie-Regiments 12 auf dem pommerschen Truppen übungsplatz Groß-Born.

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