BUNDESBANK Begehrter Sessel
Der Posten verspricht hohes Prestige, ist bestens dotiert und für mindestens acht Jahre unkündbar. Frei wird die Stelle zum 1. Januar 1978, und schon jetzt wird in Bonn um die Besetzung gebalgt. Denn wer den Job bekommt, hat damit ein ordentliches Stück Macht in der Republik -- als Präsident der Deutschen Bundesbank.
Wenn Amtsinhaber Karl Klasen, ehemals Chef der Deutschen Bank und langjähriger Sozialdemokrat, Ende dieses Jahres, 68jährig und kränkelnd, in die wohlverdiente Pension geht, räumt er einen Sessel, der begehrter ist als die meisten Bonner Sitzgelegenheiten der Luxusklasse.
Mit über 300 000 Mark Jahresgehalt. die auch im Ruhestand zu zahlen sind, liegen die Bruttobezüge des Notenbank-Vorstehers beträchtlich über denen des Bundeskanzlers. Das Wort des obersten Staatsbankiers wird in Fragen der Ökonomie geschätzt wie das kaum eines anderen Offiziellen. Und der Bundesbankpräsident kann, dank der gesetzlich garantierten Unabhängigkeit seines Instituts, munter Politik machen, ohne Rücksicht auf Wahl- und Parteivolk.
In der Wirtschaftspolitik mischt die Frankfurter Staatsbank heute mehr denn je mit. Denn unter den Ökonomen hat sich zusehends herumgesprochen, daß mit den öffentlichen Haushalten die Konjunkturen kaum mehr zu lenken sind: Die Ausgabenblöcke in den Budgets sind festgeschrieben, die Regierungen scheuen sich allenthalben, zur Dämpfung einer Hochkonjunktur die Staatsausgaben auch einmal zu kappen; bei anhaltender Rezession läßt sich, wegen knapper Staatskasse, die Konjunktur kaum durch öffentliche Aufträge ankurbeln.
Wirtschaftswissenschaftler wie Politiker vertreten mittlerweile die Ansicht des US-Ökonomen und Nobelpreisträgers Milton Friedman, daß sich die Konjunktur am besten über die Versorgung der Wirtschaft mit Geld steuern läßt -- und dies ist allein Aufgabe der Bundesbank. Der Bonner Wirtschafts-Staatssekretär Otto Schlecht erläutert: »Das wichtigste an der Konjunkturpolitik ist, ob der monetäre Mantel zu groß, zu klein oder gerade richtig ist.«
Verknappt beispielsweise die Bundesbank das Geld, dann steigen zumeist die Zinsen, die Unternehmen und Privatleute kaufen weniger auf Kredit, und die Konjunktur beginnt zu lahmen. So sorgten die Notenbankiers 1973 und 1974 an vorderster Front dafür, daß durch knappes Geld die Inflation gebremst wurde, daß gleichzeitig aber auch die Republik in ihre tiefste Nachkriegsrezession rutschte. Erst als die Bundesbank 1975 mehr Geld spendierte und die Zinsen sanken, konnte der langsame Aufschwung des Jahres 1976 eingeleitet werden.
Von den Staatsbankiers hängt es daher wesentlich ab, ob die Unternehmen florieren oder ob viele pleite gehen, ob Arbeitslosigkeit oder Vollbeschäftigung herrschen. Kurt Richebächer, Generalbevollmächtigter der Dresdner Bank, befindet lapidar: »Die Notenbank macht die Konjunktur.«
Wenn es um so viel Macht über die Wirtschaft geht, sind selbstredend die Freidemokraten die ersten, die bei einer Vakanz ihre Ansprüche anmelden. Schon vor Wochen lancierten sie unbekümmert, der beste Mann fürs Frankfurter Präsidentenamt sei ein Liberaler: ihr Wirtschaftsexperte Otto Graf Lambsdorff.
Vor allem dem FDP-Wirtschaftsminister Hans Friderichs ist an einer Lambsdorff-Kandidatur sehr gelegen: Zum einen hätte sein Ressort, das 1972 die Zuständigkeit für das Geld- und Kreditwesen ans Finanzministerium abtreten mußte, dann einen direkten Draht zur Spitze der bundesdeutschen Geldzentrale; zum anderen brauchte er dann den zungenfertigen und schnelldenkenden Lambsdorff, der ihm auf der Bonner Bühne zusehends Konkurrenz macht, nicht mehr als Rivalen zu fürchten.
Doch Lambsdorffs Chancen sind dürftig: Dem Kanzler Helmut Schmidt wie auch seinem Finanzminister Hans Apel ist der Graf zu vorlaut und zu selbstbewußt. Ein Kanzler-Berater: »Das mit Lambsdorff ist doch alles Schnickschnack. Den können wir vergessen.«
Die beiden Hanseaten wollen zudem auf jeden Fall verhindern, daß überhaupt ein Liberaler den Posten bekommt. Es sei undenkbar, daß die Freidemokraten neben dem Wirtschaftsressort in Bonn auch noch die Bundesbank in Frankfurt beherrschten. Ein Kanzler-Intimus~.« Dann könnten wir ja gleich einpacken.« Gar nicht ernsthaft ins Rennen kam daher auch der Wirtschafts-Staatssekretär Otto Schlecht, der zwar parteilos ist, aber als Gefolgsmann von Friderichs gilt.
Abgerückt ist Kanzler Schmidt inzwischen wieder von seiner ursprünglichen Absicht, dem Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Wilfried Guth, das hohe Amt anzutragen. Der Regierungschef steht bei seiner Parteibasis ohnehin nach wie vor im Verdacht, allzuviel Verständnis für Hochfinanz und Industrie zu haben. Überdies ist Deutschbankier Guth eher der Christenunion verbunden.
Der einzige Bankier mit der richtigen Couleur ist unabkömmlich: Sozialdemokrat Walter Hesselbach, Vorstandsvorsitzender der Bank für Gemeinwirtschaft, wird dringend beim Aufrichten der angeschlagenen gewerkschaftsnahen Handelsgruppe co op und bei der Sanierung der wahlgeschädigten SPD-Kasse benötigt.
So verfielen Schmidt und Apel auf einen Mann aus ihrem Apparat: Karl Otto Pöhl, Staatssekretär im Finanzministerium. Pöhl, den Schmidt vor vier Jahren als Geld- und Währungsexperten ins Finanzministerium holte, wird von den beiden Hanseaten gleichermaßen als exzellenter Währungsfachmann geschätzt. Zudem hat er einen weiteren Vorteil: Er besitzt ein SPD-Parteibuch. Ein Genosse nämlich sollte es auf jeden Fall sein. Denn wenn Karl Klasen aufs Altenteil geht, findet sich unter den Herren der Bundesbank-Spitze kein Sozialdemokrat mehr.
Sperrt sich die FDP gegen den Schmidt-Favoriten Pöhl als Klasen-Nachfolger, dann halten die Sozialdemokraten eine Patentlösung bereit: Zum Bundesbankpräsidenten soll der jetzt 65 Jahre alte gegenwärtige Klasen-Vize Otmar Emminger avancieren, Pöhl den Posten des Stellvertreters erhalten. Schmidt und Apel hätten so immerhin einen Vertrauensmann in Frankfurt.
Zwei Jahre später, 1979, wenn auch Emminger endgültig in Pension gehen soll, wollen die Herren weitersuchen. Vielleicht finden sie dann, daß wiederum der Vize Chef werden könnte.