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Briefe

Begrüßenswerte Offenheit
aus DER SPIEGEL 6/1981

Begrüßenswerte Offenheit

(Nr. 3/1981, SPIEGEL-Titel »Neue Wohnungsnot")

Für SPIEGEL-Redakteure, diese Spitzenverdiener des journalistischen Handwerks, sind Mietpreiserhöhungen ähnlich gravierend wie eine kostenpflichtige Verwarnung an die Berufsraser der gehobenen S-Klasse von Daimler-Benz. Daß allerdings die neue Linie Ihres Blattes in so platter, besitzbürgerlicher Weise zum Ausdruck kommt, veranlaßt mich zu der Vermutung, Sie wollten in Zukunft zur Hauspostille der Haus- und Grundbesitzvereinigungen avancieren.

Göttingen THOMAS TROMPKE

Wer soll die geforderten 16 bis 18 Mark Miete pro Quadratmeter denn heute zahlen? Etwa der Staat mit seinem Wohngeld? Ein tolles Rezept! Warum kein Wort über Alternativen im Interesse der Mieter, zum Beispiel quantitative Änderungen beim (un-)sozialen Wohnungsbau, über eine andere Verteilung der 20 Milliarden Mark (!) an Subventionen im Wohnungsbau zuungunsten der »Eigentumsbildung«, über andere mögliche Bauträger, über eine Stärkung der Mitbestimmungsposition der Mieter und so weiter. Armer einseitiger, unfairer SPIEGEL!

Berlin DR. HARALD BODENSCHATZ Institut für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität

Ein tatsächlich begründeter Eigenbedarf wird immer anerkannt. Nur wird leider dieser Kündigungsgrund oftmals vorgeschoben, um durch Neuvermietung eine höhere Miete herauszuschlagen. Deshalb ist es sicher richtig, wenn die Gerichte strenge Anforderungen an den Kündigungsgrund Eigenbedarf stellen und entsprechende Nachweise vom Vermieter verlangen.

Hannover HERBERT GÜNTER Deutscher Mieterbund e. V. Landesverband Niedersachsen-Bremen

Als Initiatoren der vorweihnachtlichen Herbergssuche in München möchten wir darauf hinweisen, daß offensichtlich immer dasselbe Grundverhaltensmuster bei Verkauf von Mietshäusern an Spekulanten erkennbar ist:

Abwiegelnde Beruhigung der Mieter, nur mündliche Zusagen und Versprechungen, schnelle Umwandlung in Eigentumswohnungen, Luxussanierung zur Erhöhung des Verkaufspreises, Vertreibung der Mieter durch umfangreiche Baumaßnahmen oder durch umlagefähige Mieterhöhungen.

Um also unser »Schwabinger Milieu« erhalten zu können, brauchen wir die Aufnahme unseres Hauses in den Umgriff einer erst noch zu erlassenden Erhaltungssatzung für Schwabing.

Sollte die Stadt München sich dazu außerstande sehen, obwohl in Köln, Duisburg oder Gelsenkirchen bereits »Milieuschutz« über Erhaltungssatzungen betrieben wird, so bleibt uns keine andere Wahl, als phantasievolle Demonstrationen zu veranstalten.

München Die Initiatoren der vorweihnachtlichen Herbergssuche, Mietergemeinschaft Agnesstraße 56 a

Auch hier in Wiesbaden grassiert die Altbauspekulation. Eine Demonstration, ähnlich der im vorweihnachtlichen München, wird wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen. Viele betroffene Mieter haben einfach Angst S.8 vor dem sozialen Abstieg; es packt sie die Zivilcourage oder einfach die Wut.

Wiesbaden WERNER FELDES

Der sehr ausgewogene und interessant aufgemachte Beitrag legt die Wohnungsbaumisere in begrüßenswerter Offenheit dar. Die vom Bundesbauminister angestrebte Fehlbelegungsabgabe erfordert neue Datensammlungen und einen mindestens zweijährigen zeitlichen Vorlauf. Mit den übrigen CDU/ CSU-regierten Bundesländern befürwortet Schleswig-Holstein eine mehr an marktwirtschaftlichen Zielen orientierte, einfachere, schnellere und wirksamere Lösung über Zinsanhebungen: Danach soll die Fehlsubventionierung dadurch beseitigt werden, daß der Zinssatz aller öffentlichen Darlehen allmählich zum kapitalmarktüblichen Satz angehoben wird bis zu einer marktüblichen örtlichen Vergleichsmiete und dann, je nach den sozialen Bedürfnissen, im Einzelfall auf die tragbare Belastung zum Beispiel durch Wohngeld gesenkt wird.

Beide Lösungen erfordern die Änderung von Bundesgesetzen, beseitigen S.9 die Fehlsubventionierung im Sozialwohnungsbestand und führen dem Wohnungsbau dringend erforderliche zusätzliche Mittel zu. Daß die Fehlbelegungsabgabe erst wesentlich später wirksam werden könnte, sollte das entscheidende Argument für die Lösung über Zinsanhebungen sein.

Kiel DR. UWE BARSCHEL Innenminister des Landes Schleswig-Holstein

Vieles ist richtig, einiges stimmt nicht in der SPIEGEL-Titelgeschichte zur »Neuen Wohnungsnot«. Interessant ist, »as nicht im SPIEGEL stand: 20 Milliarden stecken Bund, Länder un« » Gemeinden jährlich in den Wohnungsbau. Davon gehen 12 bis 15 » » Milliarden in die Förderung des Wohnungseigentums, der Rest » » in den Mietwohnungsbau - kein Wunder, daß der Mietwohnungsbau » zerfällt.

» Von den Steuersubventionen für die eigene Wohnung gehen zwei » » Drittel an das obere Drittel der Einkommensbezieher. Wenn das » » eigene Heim für die Bezieher hoher Einkommen so lecker » » subventioniert wird, ist die Frage müßig, warum sich der » » freifinanzierte Mietwohnungsbau nicht mehr rentiert: Die » » Kundschaft läuft weg, im Eigenen lebt sich's mit staatlicher » Hilfe billiger.

» Die Kostenmiete einer Sozialwohnung für einen Arbeiter von » » zur Zeit 18 Mark pro Quadratmeter auf sechs Mark » » Bewilligungsmiete herunterzusubventionieren - bei 80 » » Quadratmeter um rund 1000 Mark im Monat - ist für diesen » » Staat angeblich nicht finanzierbar. Das Einfamilienhaus mit » » »unechter« Einliegerwohnung des Direktors kann hingegen » » dieser Staat mit 2000 Mark im Monat subventionieren. »

Wer diese unsoziale Allparteien-Wohnungspolitik angreift, ist laut SPIEGEL ein »ordnungswütiger Umverteiler«.

Merke: Für die Freiheit in unserem Land ist der SPIEGEL unverzichtbar, mit Gleichheit und Brüderlichkeit hat er wenig -- in der Wohnungspolitik nichts -- im Sinn.

Bonn/Stuttgart PETER CONRADI MdB/SPD

Da der Staat mit seinem Selbstfinanzierungsprinzip an die Grenzen seiner finanziellen Leistungsmöglichkeiten gelangt ist, bin ich der Überzeugung, daß wir die bestehenden Probleme nur lösen können, wenn es gelingt, private Geldmittel für die Finanzierung des Wohnungsbaus zu mobilisieren: Der Bürger selbst soll in Zukunft für den Bürger investieren.

Stuttgart DR. JÜRGEN MORLOK Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion Baden-Württemberg

Der massenweise Verkauf von Arbeitersiedlungshäusern vernichtet preiswerte Mietwohnungen und verschärft die »neue Wohnungsnot« sehr stark. Auch der Privatisierungs-Modellversuch des Landes Nordrhein-Westfalen in Bergkamen-Rünthe unter der stets verbreiteten Parole »Eigentum in Arbeitnehmerhand« ist gescheitert.

Gelsenkirchen (Nrdrh.-Westf.) HORST KOLLIPKA Bürgerinitiative Haverkampsiedlung

Der politische Stimmenfang hat uns diese Situation beschert, welche wahrscheinlich erst die Spitze eines Eisberges aufzeigt. Die Krawalle, zuletzt in Berlin, zeigen auch, was uns erwartet.

Düsseldorf KLAUS KEMPE

S.9

20 Milliarden stecken Bund, Länder und Gemeinden jährlich in den

Wohnungsbau. Davon gehen 12 bis 15 Milliarden in die Förderung des

Wohnungseigentums, der Rest in den Mietwohnungsbau - kein Wunder,

daß der Mietwohnungsbau zerfällt.

Von den Steuersubventionen für die eigene Wohnung gehen zwei Drittel

an das obere Drittel der Einkommensbezieher. Wenn das eigene Heim

für die Bezieher hoher Einkommen so lecker subventioniert wird, ist

die Frage müßig, warum sich der freifinanzierte Mietwohnungsbau

nicht mehr rentiert: Die Kundschaft läuft weg, im Eigenen lebt

sich's mit staatlicher Hilfe billiger.

Die Kostenmiete einer Sozialwohnung für einen Arbeiter von zur Zeit

18 Mark pro Quadratmeter auf sechs Mark Bewilligungsmiete

herunterzusubventionieren - bei 80 Quadratmeter um rund 1000 Mark im

Monat - ist für diesen Staat angeblich nicht finanzierbar. Das

Einfamilienhaus mit »unechter« Einliegerwohnung des Direktors kann

hingegen dieser Staat mit 2000 Mark im Monat subventionieren.

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