ARABER Beim Allmächtigen
Mohammed Heikal, Chefredakteur des offiziösen Kairoer Blattes »Al Ahram« und Berater des ägyptischen Präsidenten Sadat, zeigte noch Verständnis für die sowjetischen Verbündeten. »Die UdSSR«. so meinte der Ägypter, »ist in einer ungemütlichen Lage.«
Beiruter Journalisten wurden schon deutlicher: »Eine böse Schlappe für die Sowjets und ihre Freunde«, jubelte der »Orient«, und »Al-Hajat« freute sich darüber, daß dem Kreml »eine sudanesische Lektion« erteilt wurde.
Es ist eine bittere Lektion. Denn seit drei Wochen sind die Russen in einen Kalten Krieg mit einem ihrer bislang wichtigsten Vasallen in der Dritten Welt verwickelt: dem Sudan, Afrikas flächengrößtem Staat. Der Konflikt mit dem Araberland schwächt Moskaus Position in der gesamten arabischen Welt.
Schritt für Schritt waren Moskau und Khartum die Eskalationsleiter hochgeklettert: Nach einem gescheiterten Kommunisten-Putsch hatte der sudanesische Staatschef Order zur großen Kommunisten-Hatz gegeben. Ober den »blutigen Terror« (Tass) im Sudan zeigte sich Moskau »ernsthaft besorgt«.
Das Ostblock-Echo wiederum provozierte Entrüstung im Sudan: Numeiri beorderte seinen Moskau-Botschafter nach Khartum zurück und wies den Zweiten Mann der Sowjet-Vertretung in Khartum sowie Bulgariens Sudan-Botschafter aus.
Und schlimmer noch für Moskau: Demonstrativ lobte Numeiri in einer Botschaft an Mao seine »exzellenten Beziehungen« mit China.
Vergebens hofften die Kreml-Herren auf die Hilfe des ägyptischen Präsidenten Sadat, mit dem sie noch vor zwei Monaten einen spektakulären Freundschaftspakt abgeschlossen hatten. Doch Sadat, der nach dem Kommunisten-Putsch eilends 2000 Numeiri-treue Sudan-Soldaten vom Suez-Kanal nach Khartum geflogen hatte, sicherte dem Sudan-Chef »uneingeschränkte Unterstützung« zu und wies »jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Sudan« zurück.
Es war, so der Londoner »Observer' der vielleicht »schwerste sowjetische Rückschlag in der arabischen und afrikanischen Welt in den letzten 20 Jahren -- ein Rückschlag zudem, der laut Beiruts »Al-Hajat« beweist, daß für kommunistische Regime in der arabischen Welt kein Platz ist«.
Tatsächlich wirkt Moskaus arabische Bilanz nach über einem Jahrzehnt massiver militärischer und wirtschaftlicher Hilfe wenig überzeugend.
Zwar werkeln heute in fast allen arabischen Staaten sowjetische Ingenieure« Wissenschaftler und Militärs. Zwar ließen die Ägypter nach der katastrophalen Niederlage im Juni-Krieg von 1967 rund 16000 sowjetische Militär- und Zivilberater ins Land. Zwar konnte Moskau auch in den Sudan, wo die Zentralregierung gegen separatistische Negerstämme im Süden kämpft, rund 1800 Sowjets einschleusen.
Doch all diese Mühen brachten nur geringen Lohn: In keinem arabischen Land besitzen die Sowjets heute entscheidenden politischen Einfluß. Und: Bis auf den konservativen Libanon sind kommunistische Parteien noch immer in allen arabischen Staaten verboten.
Selbst in Ägypten, dessen Armee total von sowjetischem Know-how und Waffen lebt, konnte Moskau im Mai nicht den Sturz des kommunistisch orientierten Vizepräsidenten Ah Sabri verhindern. Und letzte Woche setzte Sadat offenbar zwei weitere prominente Prokommunisten fest: Chalid Mohieddin, 1952 Mitglied des Revolutionsrats, und Ibrahim Saaduddin, Präsident des Sozialistischen Instituts.
in Syrien konnte die KP bislang erst einmal einen legalen Parteitag abhalten. Der syrische KP-Chef Chalid Bagdasch verbrachte den größten Teil des letzten Jahrzehnts im Ostblock-Asyl.
Im Irak. dessen Militärjunta ebenfalls nur Ostblock-Waffen bezieht, klagen die Kommunisten über »rücksichtslose Unterdrückung« durch die herrschenden Baath-Offiziere. Den KP-Führer Mohammed el-Chudari ließen die Iraker aus Kuweit entführen und hinrichten.
Moskau sah dem tatenlos zu, denn »es war bereit, eine kommunistische Partei nach der anderen zugunsten weiterer geopolitischer Gewinne zu opfern« ("Time").
Ideologisches Bedenken gegen das Paktieren mit Nicht-Kommunisten schieben die Ostblock-Regenten mit dem Argument beiseite, daß (so unlängst die Ostberliner »Deutsche Außenpolitik") in den Ländern der Dritten Welt »die Einleitung der nichtkapitalistischen Entwicklung auch unter der Führung kleinbürgerlich-demokratischer Kräfte vollzogen werden kann, die in diesem oder jenem Maße durch die marxistisch-leninistischen Ideen beeinflußt sind«.
In den von Moskau protegierten arabischen Staaten erwies sich der marxistisch-leninistische Einfluß bislang jedoch als zu gering. Gewiß: Die Araber werden nicht müde, von »ei- Ihaura« zu reden, von ihrer Revolution. Doch sie verstehen darunter nicht Klassenkampf, sondern arabische Wiedererweckung und nationale Unabhängigkeit.
»Wir sind nicht bereit, eine sowjetische Kolonie zu werden«, schrieb das sudanesische Blatt »Al-Ajam« letzte Woche. Und Numeiri rechtfertigte sich: Er würde nicht aufhören, die Lehre Marx« und Lenins zu bekämpfen, »weil der Glaube des sudanesischen Volkes, seine Traditionen und Gewohnheiten völlig dem Kommunismus in meinem Lande entgegengesetzt sind.
Mit seiner »hysterischen anti-kommunistischen Kampagne« (Tass) kann Numeiri auf den Beifall der meisten Araber rechnen. Denn im Kommunismus -- für den Moslem der Inbegriff des Atheismus -- erkennen die Araber mehr und mehr eine Bedrohung ihres heiligen arabisch-islamischen Erbes.
Die »fundamentale Unvereinbarkeit zwischen dem Islam und dem Marxismus« ("Jeune Afrique") bereitet Moskau um so größere Schwierigkeiten, als auch anti-westliche Araber-Führer immer häufiger Zuflucht beim Koran suchen.
So versprach Ägyptens Präsident Sadat nach dem Sieg über seine Moskautreuen Widersacher den Ägyptern eine neue Verfassung, »die in den Sitten Ägyptens verwurzelt und auf der Botschaft des Glaubens gegründet ist«.
Libyens Gaddafi, ein militanter Anti-Kommun ist, strebt einen Sozialismus an, »der auf dem Islam und den arabischen Traditionen beruht«. Schon lange vor der Lehre Marx«, so der Libyer, habe die Lehre Mohammeds »das Fundament der Wirtschaft gelegt und für ein gutes Verhältnis zwischen Arbeit und Arbeitern gesorgt":
Auch der syrische Staatschef Assad schwimmt auf der Islam-Welle mit. Letzte Woche setzte der Baath-Sozialist ein unmißverständliches Zeichen gegen »jeden Atheismus": Ab sofort müssen die Syrer einen Eid wieder mit den Worten abschließen: »Das schwöre ich beim Allmächtigen.« Vorher hieß die Formel: bei meinem Glauben« -- und das konnte auch der kommunistische sein.