KRANKENHÄUSER / FULDA Bein im Bündel
Totengräber Helmut Enders aus Eichenzell bei Fulda konnte den Sargdeckel nicht schließen, Der Leichnam des wenige Tage zuvor im Alter von 69 Jahren gestorbenen Eichenzeller Rentners Friedrich Knüttel war zu hoch gebettet.
Als Enders nachsah, fand er unter dem Kopfkissen des Toten ein Bündel -etwa 30 Zentimeter lang, in braunes Packpapier gehüllt und mit Mullbinden verschnürt. Der Totengräber entfernte das Hindernis, und nachdem er die letzten Schaufeln Erde auf den Knüttel-Sarg geworfen hatte, brachte er das Bündel auf einen Abfallhaufen. Dort entdeckte es bald darauf die Friedhofsbesucherin Annemarie Neidert. Neugierig löste sie Mullbinden und Packpapier, dann lief sie schreiend zum Dorfbürgermeister Karl Ebert -- die Friedhofsbesucherin hatte in dem Paket den Unterschenkel eines Menschen gefunden.
Ein Kapitalverbrechen vermutend, alarmierte Ebert Polizei und Staatsanwaltschaft. Doch der vermeintliche Kriminalfall löste sich schnell: Das Bein gehörte dem zuckerkranken Kantinenpächter Hermann Strick, Patient des Herz-Jesu-Krankenhauses zu Fulda, und war ihm dort just an dem Tage amputiert worden, als der Eichenzeller Rentner Knüttel bei den frommen Schwestern des Fuldaer Spitals starb.
Auch ließ sich lückenlos rekonstruieren, wie das Bein vom Operationssaal zum Abfallhaufen auf dem Eichenzeller Gottesacker gelangt war: Seit Jahren besteht zwischen der Hospital-Verwaltung und der katholischen Dom-Pfarrei in Fulda eine geheimgehaltene Absprache, wonach Überbleibsel chirurgischer Eingriffe wie entfernte Organe und Gliedmaßen, aber auch Tot- und Fehlgeburten aus dem Herz-Jesu-Krankenhaus auf den nahen Dom-Pfarrei-Friedhof gebracht und dort bei Bestattungen mitbegraben werden.
Und so hatte Herz-Jesu-Personal, wie die Recherchen ergaben, den amputierten Strick-Unterschenkel als drittes Bein in den Knüttel-Sarg gelegt -- ohne zu wissen, daß der Leichnam des Rentners nicht auf dem Kirchhof der Dom-Pfarrei, sondern in Knüttels Heimatort beigesetzt werden sollte.
Freilich bestreiten sowohl Friedhofs- wie Krankenhausverwaltung, daß es die Regel sei, Abfälle aus dem OP per Sarg auf den Dom-Pfarrei-Kirchhof zu überführen. Laut Friedhofswärter Alois Langer bringen Bedienstete des Krankenhauses »das Zeug immer so »rüber« zum Friedhof, wo er, Langer, es dann in offenen Gräbern verschwinden lasse, »ohne daß jemand etwas davon merkt«.
Chefarzt Dr. Josef Arneth, 49, nennt das Kantinenpächter-Bein im Rentner-Sarg »einen einsamen Fall« und erläutert: »Wir hatten in der gleichen Woche noch ein zweites Bein, und das ist den normalen Weg zu unserem Friedhof gegangen.«
Üblich ist es in deutschen Krankenhäusern, Abfälle aus dem OP in der Heizung oder in speziellen Verbrennungsanlagen zu vernichten. Auch Arneths Hospital besitzt seit längerem eine solche Anlage. Daß seine Leute die Abfälle dennoch lieber zum Kirchhof tragen, erklärt der Chefarzt mit der »unheimlichen Geruchsbelästigung«, die entstehe, wenn man menschliche Gliedmaßen im Ofen verbrenne.