SOWJET-UNION / NATIONALGETRÄNK Belebt, erfrischt, tötet
Macht mal Pause«, wünscht der Kreml Millionen Coca-Cola-Trinkern der westlichen Welt: Die Coca-Fans sollen ihren Durst in der Pause mit dem russischen Nationalgetränk »Kwaß« stillen.
Beeindruckt von den Konsumziffern der New Yorker »Coca-Cola Company« (Jahresumsatz 1962: 2,3 Milliarden Mark), möchte die Sowjetregierung mit Kwaß den sowjetischen Durst nach harten Devisen lindern.
Der süß-säure, bernsteinfarbige Kwaß riecht wie »frisch gebackenes Roggenbrot« (so die »New York Times") und wird seit dem 16. Jahrhundert nach rund 150 verschiedenen Rezepten gebraut. Hauptbestandteile: in Wasser aufgeweichte Brotreste, Malz, Mehl, Zucker und Rosinen.
Jeder Russe konsumierte 1961 zwischen 60 und 100 Liter Kwaß; der Durchschnittsamerikaner trank im selben Zeitraum 50,4 Liter alkoholfreie Getränke. Diese Zahlen lassen die Sowjets ein einträgliches Geschäft wittern, wenn es gelingt, Kwaß auf dem Weltmarkt »einzuführen. Ein Verfahren zur billigen Kwaß-Herstellung wurde von Moskauer Chemikern in jahrelanger Forschungsarbeit entwickelt.
In Superlativ-Werbung verhieß, daher das sowjetische Regierungsorgan »Iswestija« ("Kwaß belebt, erfrischt und löscht den Durst") den Kommunisten und Kapitalisten ein gemeinsames, ganz neues Trinkgefühl:
»Kwaß wirkt wohltuend auf die Verdauung und tötet gefährliche Bakterien. Er reguliert den Stoffwechsel und die Funktionen des Zentralnervensystems. Er fördert die Sauerstoffaufnahme und -verbrennung in den Zellen, unterstützt die Kalzium-Ablagerung in den Knochen und regt die Herztätigkeit an.«
Ein »Iswestija«-Beweis für die Kwaß -Qualitäten: Der sowjetische Chemiker Dimitrij Mendelejew (1834 bis 1907), Entdecker des Periodensystems der chemischen Elemente, sei mit Kwaß aufgezogen worden.
Erster Erfolg der Kwaß-Kampagne: Firmen aus Österreich, Italien und den USA haben sich in Moskau nach den Bedingungen für Import oder Lizenz-Produktion von Kwaß erkundigt. Die Coca-Männer in New York reagierten produktgemäß: »Das läßt uns eiskalt!«
Kwaß-Verkauf in Moskau: Läßt Coca-Cola kalt