USA / KULTUR-PROGRAMM Besser als Bären
Unterstaatssekretär Philip H. Coombs,
Leiter der Abteilung »Erziehung und Kultur« im amerikanischen Außenministerium, entschloß sich zu einem gewagten Vergleich:
»Unsere Baseball-Spieler, Varieté-Künstler und Boxer sind besser als die dressierten Bären, die von den Russen vorgeführt wurden«, erklärte er vor dem Bewilligungsausschuß des amerikanischen Repräsentantenhauses.
Coombs sah sich veranlaßt, die amerikanische Überlegenheit im Kalten Kulturkrieg auf solch ungewöhnliebe Weise zu bekunden, weil der Bewilligungsausschuß das Kulturprogramm des State Department mit deutlichem Mißbehagen betrachtete.
Seit 1954 verausgabt die Abteilung »Erziehung und Kultur« des USAußenamtes jährlich über 2,5 Millionen Dollar (10 Millionen Mark); sie hat mit diesem Geld über 4000 Sänger, Artisten, Sportler und Jazzmusiker in 111 Länder geschickt, um dort mit Boxhieben und Jazzgeschmetter amerikanische Lebensart propagieren zu lassen.
»Eine Korbballmannschaft, die in elf Ländern des Nahen Ostens spielte«, verteidigte Coombs seine Strategie an der Kalten Unterhaltungsfront, »wurde von keinem unserer Auslandsprogramme in ihrer Wirksamkeit übertroffen, die Bande zwischen den USA und diesen Ländern zu festigen.«
Und: »Amerikanische Boxer, die in Addis Abeba gegen Faustkämpfer des Kaisers Haile Selassie in den Ring stiegen, haben unsere Beziehungen zu Äthiopien zementiert.«
Coombs-Stellvertreter Max Isenberg assistierte seinem Chef: »Die Kommunisten haben nichts, was sich mit unseren Jazz-Orchestern messen kann.«
Daß die Kongreßabgeordneten die Begeisterung der beiden
Beamten für Amerikas Kultur-Krieger nicht ganz zu teilen vermochten, lag an den Berichten über eine amerikanische Varieté-Safari, die inzwischen an die Öffentlichkeit gedrungen sind.
25 Showbusiness-Leute aus dem Vergnügungsparadies Las Vegas, unter ihnen das Buddy-Rich-Jazz-Sextett, hatten im Herbst vergangenen Jahres 256 000 Dollar erhalten und den Auftrag bekommen, die Völker von Afghanistan, Thailand, Nepal, Kambodscha, Laos und Indonesien mit ihren Darbietungen zu erfreuen:
Die unter Leitung des Unterhaltungs-Künstlers Joey Adams reisende Truppe erhielt jeweils vom ortsansässigen USKulturattache genaue Benimm-Vorschriften: keine Dekolletés, keine Shorts, die Bevölkerung nicht als Eingeborene bezeichnen und Buddhisten möglichst nicht auf die Schulter klopfen.
Die Lektionen nutzten offenbar wenig. Schon in der ersten Etappe, in der afghanischen Hauptstadt Kabul, die Joey Adams mit anderthalb Tonnen Gepäck ansteuerte, gab es den ersten Fauxpas:
Als einer der Künstler auf der Bühne Witze erzählte und ein Zuhörer nicht sogleich lauthals lachte, klopfte ihm ein US-Unterhalter vertraulich auf die Schulter: »Na, Mac, nicht kapiert?« »Mac«, so stellte sich später heraus, war Ahmad Schah, der Kronprinz des Landes.
Über solch hemdsärmelige Nonchalance der Musen-Patrouille berichtete eines ihrer Mitglieder in aller Öffentlichkeit: Star-Gattin Cindy Adams vergnügte - zum Ärger des State Department - die Leser des New Yorker Blattes »Town and Village« mit launigen Reiseschilderungen über ihre Abenteuer bei den asiatischen Kulturbanausen.
»Ich selbst«, erzählte sie munter, »nannte einen gewissen Ministerpräsidenten stets ,Honey' (Herzchen). Ich weiß zwar nicht, wie ein gutes Exemplar eines Ministerpräsidenten aussieht. Ich {weiß nur, daß - wie immer er aussehen sollte - diese gute Seele nicht so aussah.«
Freilich stammt das Wissen um die Erlebnisse der Joey-Adams-Show, die »auch einen dieser verschrobenen Prinzen in Laos« beglückte - so Cindy Adams - nicht nur aus den Berichten in »Town and Village«.
Die amerikanischen Botschaften in den heimgesuchten Ländern sahen sich veranlaßt, ärgerliche Einzelheiten des bunten Treibens der Kunst-Gesandten nach Washington zu berichten.
In Thailand lehnte sich einer der ermüdeten Künstler auf die Schultern eines unscheinbaren Mannes, der vor ihm auf einem Stuhl saß. Es war der indische Botschafter.
In Bangkok forderte Show-Mann Adams von der US-Vertretung einen persönlichen Chauffeur, einen Photographen, einen Empfang durch den Botschafter und ständige diplomatische Begleitung.
Beim Abschluß der Adams-Reise kam es auf dem Flugplatz von Saigon zu einer Prügelei zwischen Joey Adams und Bandleader Buddy Riech. Die beiden konnten sich über die Bezahlung von Hotelrechnungen nicht einigen, obgleich die Entlohnung der Truppe durchaus ansehnlich war: Adams erhielt 1200 Dollar pro Woche, das Jazz-Sextett 2050 Dollar.
Getrennt beendeten die Schausteller Ihre Tournee.
Um den Unmut der Kongreßabgeordneten über diesen kostspieligen Kulturkrieg zu besänftigen, übermittelte ihnen Unterstaatssekretär Coombs eine frohe Botschaft:
Das Paul-Winter-Sextett, eine renommierte Jazzband, will im Rahmen des »Friedens-Korps« zwei Jahre lang in Südamerika für den American way of life werben. Als Peace-Corps-Freiwilligen stehen den Musikern nur je 75 Dollar im Monat aus Steuergeldern zu.
Kultur-Diplomat Coombs
Einen gewissen Premierminister...
... stets Herzchen genannt: Künstler-Ehepaar Adams