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AFFÄREN Betrifft: Bauskandal

In Hamburg häufen sich Verdächtigungen gegen Mitarbeiter der Baubehörden: ein Schmiergeld-Sumpf nach Berliner Muster? *
aus DER SPIEGEL 6/1987

Der Brief, der am 6. Oktober vergangenen Jahres beim Hamburger Bausenator Eugen Wagner (SPD) einging trug keinen Absender und keine Unterschrift. Solche Briefe, sagt ein Wagner-Mitarbeiter, »werden grundsätzlich in den Papierkorb geworfen«.

Der nicht. »Undurchschaubare, aber detaillierte Angaben«, so erklärt ein Behördensprecher, hätten den Senator dazu gebracht, das anonyme Schreiben sorgfältig zu verwahren. Die Details umfassen eineinhalb engbeschriebene Schreibmaschinenseiten mit Vorwürfen gegen Baumanager und Mitarbeiter der Wagner-Behörde - »Betrifft: Größter Bauskandal in der Hamburger Nachkriegsgeschichte«.

Der Betreff muß nicht, könnte aber stimmen. Seit Donnerstag vergangener Woche jedenfalls ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Bedienstete der Baubehörde. Außerdem muß sie sich mit einem Hamburger Ingenieurbüro befassen. Die Bürgerschaft der Hansestadt soll sich mit dem Brief in einer Aktuellen Stunde auseinandersetzen, und die »Grün-Alternative Liste« (GAL) sieht in der Baubehörde bereits einen »Zwillingsbruder« des Berliner Baustadtrats Wolfgang Antes sitzen, der dem Schmiergeldsumpf an der Spree seinen Namen gab.

Mit der Detailkenntnis eines Insiders berichtet der Anonymus von Millionenschiebereien bei der Auftragsvergabe für den Bau eines Bettenhauses der »Alsterdorfer Anstalten«, eines Behindertenheimes. »Seit Jahren«, so will der Briefautor wissen, seien zwei Beamte der Baubehörde »geschmiert« worden, damit sie Preisabsprachen von Baufirmen und Scheinrechnungen deckten.

Drahtzieher im Hintergrund sei ein Hamburger Ingenieurbüro, das tatsächlich regelmäßig bei Bauvorhaben der Hansestadt mitwirkt. »Mindestens 15 bis 20 Millionen Mark« seien »durch die Mitwirkung« der Gesellschaft bei öffentlichen Bauten abgezweigt worden.

Die Firma verbreitet bereits fein formulierte presserechtliche Gegendarstellungen ("Richtig ist vielmehr, daß wir seit Jahrzehnten mit der Hamburger Baubehörde ... korrekt zusammengearbeitet haben"). Bausenator Wagner poltert: »Alles erstunken und erlogen.«

Alles wohl doch nicht. Daß das Bauvorhaben bei den Alsterdorfer Anstalten nicht seriös vorbereitet wurde, haben vorher schon andere gemerkt. Eine harte Rüge holte sich vor Jahren bereits die Wagner-Behörde vom Landesrechnungshof.

Der hatte bei der Prüfung der Alsterdorfer Pläne festgestellt, daß das Projekt um mehrere Millionen Mark zu teuer war. »Unzulänglichkeiten« bei der Planung, »unvollständige Bauunterlagen« seien schuld daran - die Baubehörde habe trotz Prüfung »nicht erkannt« daß Baukosten vollkommen falsch veranschlagt worden seien.

Zu solchen Vorwürfen paßt nicht nur das anonyme Schreiben ganz gut, sondern auch des Senators Umgang mit dem Brief. Wagner ließ die Vorwürfe hausintern - ergebnislos - prüfen, dann geschah fast vier Monate lang gar nichts. Erst in der vergangenen Woche, als die GAL eine Kopie des Briefs auf einer Pressekonferenz präsentierte, gab Wagner zu, den Vorgang zu kennen: »Wir haben den Brief an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.« Wann? »Heute.«

Was auch immer die Staatsanwälte ermitteln - in der Baubehörde wächst die Nervosität, weil Parallelen zum Berliner Antes-Skandal sich geradezu aufdrängen. Es gibt genügend Hinweise, daß sich in Hamburger Bauverwaltungen ein Geflecht von großen und kleinen Schiebereien entwickelt hat.

So sind vor wenigen Wochen erst Mauscheleien in der Bauverwaltung des Bezirksamts Nord ruchbar geworden, die tief ins Puff-Milieu führen.

Der Leiter der Hochbauabteilung des Bezirksamts, Günther Schlage, 61, und sein Bauleiter Hans-Joachim Trzepanski, 37, so entdeckte die Hamburger Polizei bei Routineermittlungen schon 1984, sind Teilhaber einer Firmengruppe, die in Hamburg und Lübeck Bordelle mit dem Namen »Sudfaß« unterhält.

Mitgesellschafter des Unternehmens sind St.-Pauli-Größen wie der Wirt der Reeperbahn-Bar »Zur Ritze«, Hans-Joachim Kleine. Einschlägig ist auch der frühere Firmensitz: Reeperbahn 140 a, zu diesem Gebäudekomplex gehört auch das »Palais d'Amour«.

Die Verstrickung der beiden Bauverwalter ins St.-Pauli-Milieu blieb so lange unter der Decke, bis die beiden auch noch wegen anderer Aktivitäten auffielen. Trzepanski soll mit Hilfe von Schlage, so bezeugen Bauunternehmer, jahrelang gegen Beteiligung am Gewinn einzelne Baufirmen bei der Auftragsvergabe für Bezirksbauten bevorzugt haben - und keineswegs die billigsten.

Staatsanwälte ermitteln nun auch im Bezirksamt, die beiden Bordellteilhaber und SPD-Mitglieder Schlage und Trzepanski haben vorerst ihre Schreibtische geräumt. Hochbauchef Schlage ("Ich habe niemals Schmiergelder bezogen") sieht sich durch sein Bordell-Engagement ("eine Eselei") in den sich nun offenbar ausbreitenden Bausumpf gezogen.

Er jedenfalls hat beschlossen, sich da möglichst schnell herauszuziehen. Schlage, so sein Anwalt Jens Vogler, will seinen Bordell-Anteil »verschenken«. In Hamburg hat sich bislang niemand gefunden, der beschenkt werden will.

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