WAFFENEXPORT Beweise genug
Lange plagten sich die Bonner Regierenden, wie sie eines der heikelsten außen- und innenpolitischen Probleme lösen könnten, das ihnen die sozialliberalen Vorgänger hinterlassen haben: den seit Jahren umstrittenen Export von Leo 2 an Saudi-Arabien. Jetzt haben sie einen Dreh gefunden: Ex-Kanzler Helmut Schmidt soll ihnen als Kronzeuge aus der Verlegenheit helfen.
Beim Studium der von Schmidt hinterlassenen Akten fanden die Gehilfen von Helmut Kohl heraus, daß die Vermerke über die Gespräche mit den Saudis äußerst vorsichtig abgefaßt sind. Eine präzise Zusage, stellten sie fest, könne niemand aus den nachträglich diktierten Niederschriften, vor allem über das Treffen zwischen Kanzler Schmidt und König Chalid im Juni 1980, herauslesen. Der Text sei vielmehr, so ein Kanzler-Beamter, »zweideutig«.
Auch sonst wurden Kohls Rechercheure fündig: Sie entdeckten, daß der Ex-Kanzler bereits dreimal Berichte des SPIEGEL über Zusagen an die Saudis dementieren ließ. Und in einem Interview mit der Kairoer Zeitung »Al-Ahram« beteuerte Schmidt letzte Woche, die Saudis könnten sich keinesfalls auf eine Zusage berufen.
Damit, meint Helmut Kohl, sei er rechtzeitig vor dem Besuch in Riad Anfang nächster Woche seine größte Sorge los. »Eine Verpflichtung«, sagt Regierungssprecher Peter Boenisch erleichtert, »liegt nicht vor. Wir können uns freier bewegen« - auch gegenüber der Panzer-Lobby im eigenen Land.
Seit der SPIEGEL Anfang 1981 das geplante Waffengeschäft aufdeckte, antichambrierten in Bonn die Befürworter des Leo-Exports. Und die Saudis, zahlungskräftige Kunden der deutschen Wirtschaft und spendable Kreditgeber der westdeutschen Regierung, drohten mit Repressionen, falls der Deal nicht zustande käme.
Vor allem die Leute von Krauss-Maffei führten bewegte Klage, ihre Kapazitäten seien nicht ausgelastet, sie bräuchten das 1,2-Milliarden-Mark-Geschäft dringend. Die Manager des AEG-Konzerns, der die komplizierte Leo-Elektronik liefern sollte, verwiesen darauf, komme der Handel nicht zustande, erschwere das die Konsolidierung des angeschlagenen Unternehmens.
Strauß gab Flankenhilfe: In schwierigen Zeiten solle die Regierung sich beim Thema Waffenexport nicht so kleinmütig stellen, erklärte er erst letzte Woche wieder im CSU-Vorstand, sonst machten die anderen die Geschäfte.
Doch die Entscheidung ist gefallen: Der Druck aus Jerusalem war stärker als die deutsche Lobby. Zwar schimpfen Kanzler-Vertraute über die »Schizophrenie« der Israelis, die gegen den Leo-Export Sturm gelaufen seien, aber hinnähmen, daß die Amerikaner den Saudis ihren M-1-Panzer liefern. Zwar nehmen die Bonner den Israelis nicht ab, daß sie aus Sorge um die eigene Sicherheit gegen das Geschäft seien, da sie sich auf eine wirkungsvolle Abschreckung verlassen könnten, ihre Atomwaffen.
Aber Kohl und Außenminister Hans-Dietrich Genscher glauben, sich einen
Affront der Israelis ohne Rückendeckung durch die Amerikaner nicht leisten zu können. Die aber wollen nicht nur ihre eigenen Panzer loswerden, sondern Washington hat auch keine Neigung, sich mit Jerusalem der Deutschen wegen anzulegen. Vor die Wahl gestellt, Israelis oder Saudis zu verprellen, schien es den Bonnern daher das kleinere Übel, die Araber zu enttäuschen.
Ohnehin, so die offizielle Sprachregelung, sei nicht recht einzusehen, warum es unbedingt der Leo 2 sein müsse. Kohl möchte König Fahd statt dessen anderes Kriegsgerät offerieren, etwa das Luftabwehrraketen-System »Roland« und den Flak-Panzer »Gepard«. Auch das Leo-Fahrgestell ohne die begehrte 120-Millimeter-Glattrohrkanone und Kriegsschiffe hat er feilzubieten. Boenisch: »Der Leo ist doch nur ein Prestige-Objekt wie der Rolls-Royce.«
Auf seinen Kronzeugen freilich sollte sich Kohl bei seinen Gastgebern lieber nicht berufen. Denn die haben die Gespräche mit dem Kanzler Helmut Schmidt ganz anders in Erinnerung. Ein Beamter des saudischen Außenministeriums zum SPIEGEL: »Wir haben genug Beweise, daß er uns die Panzer versprochen hat.«
Das fürchten auch Kanzler-Gehilfen. »Die Saudis sind überzeugt«, so einer von ihnen, »sie hätten eine Zusage. Und Teilnehmer sagen: Im Prinzip haben sie recht.«