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HOCHSCHULEN Birnen raus

Die Hochschule des Saarlandes steht vor dem Bankrott. Vorlesungen und Seminare müssen schon jetzt zuhauf ausfallen. Der Uni-Präsident will notfalls den »Laden dichtmachen.
aus DER SPIEGEL 29/1976

Im Hörsaal 111 der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes warteten knapp hundert Studenten auf Testfragen zum Handelsrecht. Doch das Lehrpersonal erschien nicht, die geplante Klausur fiel aus. »Da haben die«, weiß Jurastudent Peter Boettel, »wieder einmal keinen Assistenten gehabt, der die Aufsicht führt.«

An personelle Mangelerscheinungen sind die Kommilitonen von Saarbrücken längst gewöhnt -- der Etat der Hochschule ist praktisch aufgebraucht, Sparmaßnahmen lähmen Lehre und Forschung. »Wir sind«, gibt Uni-Präsident Hans Faillard unumwunden zu. »eigentlich pleite.«

Während Bonns Politiker hochfliegende Pläne zur weitgehenden Abschaffung des Numerus clausus erörtern, droht die Saar-Uni als erste bundesdeutsche Universität an Finanzmangel zugrunde zu gehen. Schon im Oktober, wenn zum letztenmal Rechnungen beglichen werden können, steht der Exitus an. »Falls kein Geld von außen kommt«, sagt Hausherr Faillard, »machen wir den Laden hier dicht.«

Vieles funktioniert in Saarbrücken, wo der Hochschul-Chef jüngst jede zweite Glühbirne herausdrehen ließ, schon jetzt nicht mehr richtig. Denn um den vorzeitigen Bankrott abzufangen, hatte Faillard an seinen Etat -- der zwar gegenüber dem Vorjahr nominell um 1,4 Prozent auf 102,8 Millionen Mark gestiegen, real aber geschrumpft war -- den Rotstift angesetzt.

Die von Kultusminister Werner Scherer (CDU) ohnehin um zehn Prozent gekürzten Mittel für Lehre und Forschung kappte Faillard »im Rahmen einer verantwortlichen Haushaltsführung« noch einmal um zehn Prozent. Stunden und Stellen für wissenschaftliche Hilfskräfte reduzierte er um knapp zwanzig Prozent.

Seither, befindet Margit Conrad, Jungsozialistin und Fachschaftsreferentin im Asta, »kann man hier nicht mehr von einem ordnungsgemäßen Studium sprechen«. Im Institut für Übersetzen und Dolmetschen etwa können weder genügend ausländische Tageszeitungen gehalten noch neue Lexika angeschafft werden.

Und weil von 225 Unterrichtsstunden 59 weggespart wurden, finden bislang fürs Diplom obligatorische Disziplinen wie »Handelskorrespondenz« und »Maschineschreiben« nicht mehr statt. Bei den Historikern wird die Bandbreite des angebotenen Stoffes demnächst auf knapp die Hälfte reduziert -- von elf Professoren treten im Wintersemester nur noch sechs an.

Bei den Medizinern gar ist die Finanzdecke so knapp geworden, daß die Bestattungskosten für die dreißig Bürger, die ihre Leichname für anatomische Studien zur Verfügung gestellt haben, aus den Professorenfonds bestritten werden müssen. Kurzum: »Wir sind«, so Wirtschaftsprofessor Wolfgang Stützel, der mit zweieinhalb statt fünf Assistentenstellen auskommen muß, »einfach ganz beschissen dran.«

Zwischen die Fronten verärgerter Studenten, Professoren, Ministerialer und Oppositionspolitiker ist Uni-Präsident Faillard geraten. Studenten unterstellen, es gehe ihm »mehr um seinen Job als um die Uni«. Landtagsabgeordnete wie der Sozialdemokrat Franz-Rudolph Kronenberger werfen ihm »mangelndes Management« vor.

Und Kultusminister Werner Scherer, der Faillard 1973 mit einem einsamen Beschluß als Präsidenten eingesetzt hatte, weil der keine ausreichende Mehrheit auf sich hatte vereinen können, schalt seinen einstigen Schützling letzten Montag in einem Gespräch unter vier Augen, man dürfe »nicht leichtfertig die Mittel für Lehre und Forschung einengen«.

Eine zusätzliche Bezuschussung der Hochschule könne, so der Minister, den Saarländern kaum mehr zugemutet werden, die mit 278 Mark neben den Berlinern die höchsten Pro-Kopf-Aufwendungen für ihre Universität haben. Ehe über Zuschüsse verhandelt wird, muß Faillard nach dem Willen seines Ministers »beweisen, daß er alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat«.

Das allerdings wird ihm schwerfallen. Denn schon beim ersten Hinsehen fiel Scherer, der neben dem Kultusministerium auch der Saar-CDU vorsteht, auf, daß Faillard einen Wagenpark unterhält, der »größer ist als der der Staatskanzlei«. In Faillards Verwaltungsapparat fanden die Ministerialen ebenfalls Überkapazitäten.

Und berechtigt klingt die Kritik auch der Studenten, die mittlerweile drei Institute wegen der Sparmaßnahmen bestreikt haben: Der eingesetzte Uni-Präsident sei »politisch abhängig« und habe sich mit geringen Mittelanforderungen das. Wohlwollen der Landesregierung erhalten wollen. Denn obwohl beispielsweise gerade die Bereiche »Lehre und Forschung« und »Wissenschaftliche Hilfskräfte« kräftig aufgestockt werden müßten, blieb Faillard in den entsprechenden Voranschlägen für den Haushalt 1977 noch weit unter seinen Forderungen vom Vorjahr.

So klafft nun fast zwangsläufig in den Büchern der Pleite-Hochschule ein Defizit von 1,2 Millionen Mark. »Er traut sich nicht«, spottet SPD-Hochschulsprecher Kronenberger, »das Geld zu fordern, gibt es aber trotzdem mit Grandezza aus.«

Der Sozialdemokrat, dessen Partei im saarländischen Landtag gerade die Nebentätigkeit von Professoren der Universitätsklinik untersucht, hat auch schon einen Deckungsvorschlag für Faillard und Scherer parat: »Die sollen den Professoren zwanzig Prozent vom Privat-Profit abnehmen, dann könnten sie die Uni leicht sanieren.«

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