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STÄDTE Bißchen Piazza

Ein Wandel im Städtebau scheint bevorzustehen: Allerorten wachsen autofreie Fußgängerzonen. Doch solche Projekte zielen bislang eher auf den Wohlstand der Geschäftswelt, weniger aufs Wohlergehen der Bürger.
aus DER SPIEGEL 52/1971

Im Jahre 1315 gab König Ludwig IV. seinen Münchner Untertanen den Marienplatz und ein paar gute Worte: »Daz der margt dest lustsamer und dest schöner und dest gemachsamer sey.«

Doch das Gemach- und Lustsame dieses Fleckens ging verloren. Im Zentrum des Verkehrsgetriebes. mit höllischem Lärm und pestilenzialischer Luft, büßte der Platz seine Schönheit ein. Nun aber will Münchens Regentschaft die alte Herrlichkeit wieder herstellen -- auf daß, so Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, die Bürger »in unserer City wieder ungestört spazieren und flanieren können, wie in früheren Jahrhunderten«.

Nach und nach für Autos sperren möchte die Stadt während der nächsten Jahre weite Flächen des Kernbereichs zwischen Stachus und Viktualienmarkt, Sendlinger-Tor-Platz und Hofgarten. Wie seit einiger Zeit schon in der Kaufinger- und der Neuhauser Straße, im Schatten der spätgotischen Frauenkirche, dürfen Fußgänger dann auf verfremdeten Fahrbahnen bummeln, ihre Maß Bier im Freien zwischen Topfbäumen leeren und auf den Kreuzungen, wo kein Rad mehr rollt, mit Sonntagsrednern über Angela Davis streiten.

Und nach Münchner Muster mühen sich derzeit Kommunalpolitiker überall in der Bundesrepublik. ihre unwirtlich gewordenen Innenstädte wieder »fußläufig« (Planer-Jargon) zu machen. Dieser »städtebaulichen Mode«, wie es der Münchner Soziologe Professor Burkart Lutz nennt, folgen neben vielen Mittelstädten fast alle Großstädte, so

* Hannover: Zwischen Hauptbahnhof und Kröpcke (dem Stadt-Mittelpunkt) wird ein Flanier-Boulevard angelegt, Auto-Sperrbezirke sind außerdem in der Oststadt und in der Altstadt vorgesehen;

* Hamburg: Die mit Waschbeton und Dauergrün belebte Fußgängerzone Spitalerstraße soll in den nächsten Jahren bis hin zum Binnenalster-Ufer ausgedehnt werden;

* Nürnberg: Nach der Sperrung der Zone Weißer Turm/Pfannenschmidsgasse sind komplette Fußgängerstraßen-Netze in der Nähe des schon autofreien Hauptmarktes und in der Altstadt geplant;

* Köln: Zwischen Dom und Hauptbahnhof, unweit des 1967 eingerichteten Fußgänger-Freiraums Hohe Straße/Schildergasse, entsteht gegenwärtig eine »Fußgängerplatte« mit Pavillons und Grünanlagen;

* Frankfurt: im Ebbelwei-Viertel Alt-Sachsenhausen soll vom nächsten Jahr an ein 75 Hektar großer Bereich vom Autoblech befreit werden;

* Kassel: In die 1961 angelegte Fußgängerzone, die seither anderen Städten als Vorbild dient, ist in der Vorweihnachtszeit mit der Wilhelmstraße eine weitere Haupteinkaufsstraße einbezogen worden.

Mit solchen Schritten scheint sich ein Wandel im westdeutschen Städtebau einzustellen. Denn jahrzehntelang waren die meisten Rathauspolitiker vor allem darauf bedacht, ihre Citys »autogerecht« zu gestalten. Dieser Maxime opferten sie Alleen und Anlagen. Parks und Plätze. Und unter der Verkehrslawine, der dann doch niemand gerecht werden konnte, gerieten die Stadtkerne allmählich zu menschenfeindlichem Ödland.

Zwar entstanden in etlichen Orten wie in Essen -- schon in den fünfziger Jahren Fußgänger-Reservate. Ein Trend zur autofreien Straße aber zeichnet sich erst ab, seit der Kraftverkehr nicht nur das Wohlergehen der Passanten, sondern auch den Wohlstand der Gewerbetreibenden bedroht.

In München beispielsweise empfing der Präsident des Bayerischen Einzelhandelsverbandes, Dr. Egon Pawlitzek, ein erstes »Alarmzeichen«, als sich Anfang der sechziger Jahre eine »Tendenz der Verlagerung innerstädtischer Einkaufsfunktionen in weniger belastete Stadtteile« bemerkbar machte. Und bald fragte Münchens OB Vogel: »Was würde passieren, wenn wir keine Fußgängerzonen einrichten würden? Dann müßte diese Innenstadt bald absterben. stranguliert und blockiert vom Verkehr ... und alles geht hinaus auf die grüne Wiese« -- wo längst vielerorts die Einkaufszentren sprießen.

Mittlerweile sehen auch andere Stadtpolitiker, so Hannovers Verwaltungschef Martin Neuffer, »die Grenze überschritten, bis zu der man noch unbefangen gern in die Stadt geht«. Neuffer: »Wer nach jedem Häuserblock wieder vor einer roten Ampel anhalten und warten muß, bis die nächste Welle stinkender und lärmender Automobile vorbeigebraust ist, dem vergeht bald die Freude am Einkaufen.«

Die legitime Lust am Einkaufsbummel weicht unterdessen auch in der Provinz dem Mißvergnügen am Kraftverkehr. Roland Iding, »Horten«-Manager im westfälischen Münster -- der es »nicht für die ideale Lösung« hält, »wenn Fußgänger den Prinzipalmarkt gegenwärtig nur unter Lebensgefahr überqueren können« -, forderte kürzlich die Kommune auf, »den Individualverkehr aus der Innenstadt zu verban-

* Oben: Spitalerstraße; unten: die benachbarte Mönckebergstraße.

nen«; ebenso Emil Allmendinger, Kaffee-Krämer zu Tübingen, der wegen der Abgase vor seinem Laden in der Neckargasse »am liebsten keine Tür mehr aufmachen« würde.

Die Freude am Konsum wiederherzustellen kostet den Handel wenig -- oft genügen, wie in Hamburgs Spitalerstraße, schon 24 Vitrinen, 28 Blumenkübel, zehn doppelarmige Leuchter, um bei den Kunden von Karstadt und Kaufhof den Eindruck zu erwecken, sie seien im »Paradies« ("Welt am Sonntag"). Und oft genug verzichten die Kommunen darauf, die Umbauarbeiten von den Geschäftsleuten nennenswert mitfinanzieren zu lassen, wie es in den USA üblich und auch in der Bundesrepublik möglich ist**.

Immerhin scheint der Einzelhandel »ganz phantastisch« (so ein Sprecher des Kasseler Einzelhandelsverbandes) von den Fußgängerzonen zu profitieren. Ein Anlieger der Kettwiger Staße in Essen: »Das ist heute so lukrativ, das glauben Sie gar nicht.« Ein Hamburger Schirmfachhändler: »Was Besseres konnte uns gar nicht passieren.«

Und die Hamburger Handelskammer fand kürzlich heraus: »Alles in allem gesehen hat sich der Umbau der Spitalerstraße für 29 Geschäfte gelohnt, für 12 war er ohne Einfluß, und nur drei glauben, er habe ihnen geschadet.«

Zufrieden zeigen sich, laut Handelskammer, auch die Passanten: 97 Prozent begrüßten bei einer Befragung die Einrichtung der Fußgängerzone, und 79 Prozent hatten »mehr Spaß beim Bummeln« -- kein Wunder, denn

* der »Dauerschallpegel« in der Spitalerstraße verringerte sich laut Baubehörde seit der Umgestaltung zur Fußgängerzone um zehn bis 15 Dezibel, was »mindestens einer Halbierung des Lautheitsempfindens entspricht«, und

* der Kohlenmonoxyd-Gehalt der Luft macht nur noch ein Zehntel der Menge aus. die in der benachbarten, von Autos befahrenen Mönckebergstraße gemessen wurde.

Trotz solcher Vorteile sind bislang in den meisten Citys nur wenige der großen Einkaufsstraßen für den Verkehr gesperrt worden. Denn wie die Geschäftswelt überall dort, wo sie sich Umsatzsteigerungen verspricht, Fußgängerzonen protegiert, leistet sie Widerstand, wann immer durch Fußgängerzonen Umsatzeinbußen drohen.

1964 wurde beispielsweise in Hamburg auf Drängen der Anlieger die Einkaufsstraße Neuer Wall für die Autos

* Skizze des Frankfurter Baudezernats zur Umgestaltung von Art-Sachsenhausen.

** Nach dem Kommunalabgabengesetz können die Gemeinden »behufs Deckung der Kosten für die Herstellung und Unterhaltung von Veranstaltungen, welche durch das öffentliche Interesse erfordert werden, von denjenigen Grundeigentümern und Gewerbetreibenden, denen hierdurch besondere wirtschaftliche Vorteile erwachsen, Beiträge zu den Kosten der Veranstaltung erheben« (Paragraph 9).

verboten, anderthalb Jahre später wieder freigegeben -- ebenfalls auf Wunsch der Anlieger. Die Nobel-Geschäfte hatten entdeckt, daß »die Limousinenkundschaft ausblieb« (Baudirektor Hans-Peter Siem) und Fußgänger die unzureichend ausgestattete, von sechs Straßenbahn-Linien gekreuzte Lauf-Straße nicht »annehmen« mochten.

Hamburgs Planer glauben aus den Erfahrungen am Neuen Wall die Regel ableiten zu können, daß Fußgängerstraßen in Einkaufsvierteln nur dann umsatzsteigernd wirken, wenn sie zwei Verkehrsschwerpunkte miteinander verbinden. Und auch andernorts ist die Kaufmannschaft oft skeptisch gegenüber Plänen, abseits jener Straßen, die zugleich Haupteinkaufs- und Hauptverkehrsadern sind, Fußgängerzonen einzurichten. Essen etwa möchte, so ein Stadt-Sprecher, »gern noch mehr Straßen vom Kfz-Verkehr befreien, aber das hängt auch von der Bereitschaft der anliegenden Geschäftsleute ab«.

Am Einspruch des Einzelhandels scheitern werden mutmaßlich Vorschläge wie der des renommierten Städtebau-Experten Peter M. Bode, nicht nur Hauptstraßen, sondern die gesamte Münchner Innenstadt »inmitten des Altstadtringes« zu sperren. Bodes Plan:

Innerhalb des Ringes dürfen nur noch verkehren: das Zentrum durchquerende Linienbusse, die von außen kommen und die draußen auf separaten Spuren fahren, sowie City-Busse, Taxis, Kollektivtaxis, Krankenwagen, Polizeiautos, Feuerwehr. Notärzte, Anlieger und natürlich Lieferautos zu bestimmten Zeiten. Was als Autoverkehr draußen bleibt, ist der private Einkaufsverkehr, der Berufs-, der Behörden- und der Touristenverkehr.

Ähnliche Pläne hat unlängst, kurz vor seinem Tod. Frankfurts Oberbürgermeister Walter Möller offeriert. Ihm schwebte vor, bis 1980 die Fußgängerzonen der Main-Metropole »auf die gesamte Innenstadt innerhalb der Wallanlagen auszudehnen«, mit Elektromobilen und Transportbändern auszustatten und eine »internationale Atmosphäre der geistig-kulturellen Kontakte, der einfachen und anspruchsvolleren Vergnügen« zu schaffen. Möller rechnete freilich damit, daß die »Proteste der Autofahrer und Geschäftsleute« gegen solche Vorhaben »mehrere Jahre« anhalten werden.

Denn auch in Frankfurt ziehen Geschäftsleute, wenn ihnen die Einrichtung von Fußgängerzonen keine sicheren Umsatzsteigerungen verheißt, konventionelle Lösungen vor: Sie plädieren für noch mehr Parkplätze und Parkhäuser und setzen auf Versuche, den motorisierten Berufsverkehr (Langzeitparker) mittels Parkuhren zugunsten des motorisierten Einkaufsverkehrs (Kurzparker) aus den Innenstädten zu Verdrängen -- eine Verkehrslenkung, die dem Einzelhandel zwar mehr kraftfahrende Kunden beschert, aber in die Zentren noch mehr Lärm, Abgase und Unfälle trägt.

Und nicht nur auf die Ausweisung, auch auf die Ausgestaltung von Fußgängerzonen versucht der Handel Einfluß zu nehmen. Während einsichtige Planer den Städten durch Einrichtung autofreier Bereiche

die urbane Eigenart zurückgeben und »zwischenmenschliche Beziehungen, Kommunikation« (Bundeswohnungsbauministerium) fördern wollen, sehen es die Laden-Leute nicht gern, wenn Passanten vom Schaufenster abgelenkt werden -- etwa durch Bänke, die zum Ausruhen einladen.

Gegen derlei »angewandte Psychologie« -- wie Baurat Wolfgang Wigger von der Hamburger Baubehörde die umsatzfördernde Gestaltung von Ladenstraßen nennt -- sind sich rechte wie linke Städtebau-Kritiker einig: in vielen Fußgängerzonen, bedauerte die »FAZ«, sei nicht der Mensch das »Maß aller Dinge«, sondern »sein Verbrauch an Waren«. Und in einer jüngst erschienenen Streitschrift* verurteilen auch sozialdemokratische Jung-Kommunalpolitiker die Einrichtung solcher »Fußgängerzonen, die allein dem Zweck dienen sollen, den Warenumschlag in diesem Bereich zu erhöhen, ohne daß sie zu Aktivitäten reizen würden, die über das Ökonomische hinausgehen«.

Kommt es in Westdeutschlands Einkaufsstraßen dennoch zu unökonomischen Aktivitäten, wird gewöhnlich durchgegriffen. Reisenden Pflastermalern und diskutierenden Schülern droht selbst in Großstädten, die sich für Weltstädte halten, Vertreibung.

In Hamburg, am Eingang zum Einkaufszentrum Spitalerstraße, wurde letztes Jahr ein stets von Jungvolk umlagertes Lichtsäulenmonument (Volksmund: »Gammlermahnmal") erst mit einem Bauzaun, dann mit Straßencafé-Stühlen verstellt, die, so Springers »Abendblatt«, »die Penner scheuchen

* Wolfgang Roth (Herausgeber): »Kommunalpolitik -- für wen?« Fischer Taschenbuch »erlag, Frankfurt: 202 Seiten; 3,50 Mark.

und die Properen locken« sollten. Denn trotz Umsatzsteigerungen hatten 13 der 44 Geschäfte an der Spitalerstraße über »zuviel Sehleute« und zehn über »ausbleibende Kunden wegen Gammlern« geklagt.

Und in Frankfurt gelang es kürzlich Geschäftsleuten aus der Steinwegpassage (Juwelen, Pelze, Kosmetika), die Stadt mit Beschwerden dazu zu zwingen, den Fußgängerbereich von jugendlichen Musikanten und Modeschmuckbastlern zu säubern -- eine Aktion, die Frankfurts liberale »Rundschau« spotten ließ: »Durch diese sich so teuer gebende Fußgängerstraße laufen sogar junge Menschen mit Tüten, aus denen sie ganz ungeniert Pommes frites essen ... Sie und Pflastermaler ... und Obstkarren und Gitarrespieler bedrohen die Exklusivität dieser goldigen Straße. Soviel Proletarisches auf einmal das kann man einfach nicht dulden.«

Doch selbst wenn die Polizei die Gammler auf dem Fußgänger-Pflaster sitzen läßt -- an der »öden Konsumenten. Orientiertheit« (so das Fachblatt »Baumeister") der westdeutschen Schaufenster-Straßen ändert das wenig. Spätestens am Abend, wenn sich nach Ladenschluß die zum Supermarkt entarteten Citys geleert haben, wird augenfällig, daß diese Städte mit Fußgängerzonen allein nicht wiederzubeleben sind.

Im größten Einkaufszentrum Europas zum Beispiel, einem »fußläufigen« Betonklotz an der Hamburger Straße in Hamburg (50 000 Quadratmeter Handelsfläche) gibt es keinen einzigen Strauch, keinen Spielplatz -- es darf nur gekauft werden. Die Monatszeitschrift »Schöner Wohnen« empfand das »rein kapitalistische« Bauwerk ("jeder Quadratmeter auf Rendite abgeklopft") als »Monument zum goldenen Kalb«.

An Einfällen von Architekten, die sich -- wie jüngst bei einem Wettbewerb zur geplanten Frankfurter Fußgängerzone Zeil -- bemühen, auch »unartikuliert gebliebene immaterielle Ansprüche der Öffentlichkeit« zu berücksichtigen (Ausschreibungsbedingung). mangelt es nicht.

Statt eintöniger Bürohäuser und Ladenfronten wünschen sich solche Neuerer bunte, »multifunktionale« Fußgänger-Freiräume in Innenstädten mit Brunnen und Boutiquen, vielen Blumen, Bäumen und Bänken, Bücherkarren, transparent überdachten Straßen. »Meckerwiesen« und »Lustgärten«, Spielplätzen, Rollschuhbahnen und Kinderhorten, Galerien, Alleen und Museen, Saunen, Seilbahnen und Straßentheatern, Volkshochschul-Filialen und Freizeitheimen, Ausstellungsräumen und Wohnhäusern -- ein bißchen Campus, ein bißchen Piazza, ein bißchen Tivoli.

»Die Stadt«, meint Frankfurts neuer Baudezernent Hanns Adrian, »wurde geprägt durch die Starken -- von Männern, die Auto fahren. Für Frauen und Kinder muß man nun etwas zurückgewinnen.« Immer mehr Menschen sehnten sich nach Städten. die nicht »in erster Linie kommerzialisiert« sind und in denen auch »Jux und Entspannung« (Adrian) geboten werden.

Bislang jedoch gibt es in Westdeutschland kaum Ansätze zu solcher Stadtgestaltung -- abgesehen etwa von München. Dort werden gegenwärtig am Sendlinger-Tor-Platz, im Anschluß an die City-Fußgängerzone, städtische Grünflächen für 340 000 Mark in ein »Freizeitzentrum für alle Altersgruppen« verwandelt. Es soll laut Baureferat »Ruhebereiche mit loser Stuhlmöblierung sowie einen Bereich ... mit Tischtennisplätzen, Skattischen und Bodenschach erhalten«.

In der Regel aber stehen allen Plänen, die Stadtkerne zu beleben, außer besorgten Kaufleuten das geltende Bodenrecht und die kommunale Geldnot

* Mittlerweile vertriebener Silberschmuck-Händler.

entgegen: Städte, die für einen City-Quadratmeter fünfstellige Summen zahlen müssen, können den Trend zur »Konsumopolis« ("Baumeister") schwer aufhalten.

Ausnahmen sind allenfalls Innenstadt-Teile, die unter Denkmalschutz stehen, in städtischem Besitz sind oder in denen andere Umstände eine radikale Kommerzialisierung verhindern -- so etwa die Straßenzüge inmitten der Münchner Fußgängerzone an der Frauenkirche. Denn wenn die Frauenkirche »nicht glücklicherweise in der Hand der Kirche wäre«, sagt Stadtvater Vogel, »würde sie nach den Gesetzen der Rendite sofort einem Warenhaus oder Bürogebäude weichen müssen«.

Weil sich aber zumeist »immer wieder die Nutzungen durchsetzen, die aus dem Grund und Boden den höchsten Profit herausholen« (Vogel), ist die Misere der westdeutschen Städte kaum allein durch Auto-Sperren zu beheben. Zur Debatte steht eine für Hannovers Neuffer ohnehin »auf die Dauer unausweichliche Kommunalisierung des gesamten innerstädtischen Grundeigentums«.

Vorerst freilich preist die Hamburger Baubehörde die Vorteile von Fußgängerzonen noch so: »Welche noch so kostspielige Werbung ist wohl (ebensosehr) geeignet, täglich 9000 Personen mehr an Müller-Wipperfürths Schaufenstern vorbeizuführen und die ganze Benutzercharakteristik, das heißt das Bewußtsein und Verhalten von Zehntausenden von Passanten, grundlegend umzukrempeln?«

Angesichts solcher Vorzüge höhnte denn auch der »Baumeister« über die große Zukunft autofreier Stadtbezirke: »Sie werden wachsen wie die Pilze nach dem Regen, alle werden sich freuen über solch humanen Städtebau und sich die Augen reiben und dann fragen: Wo ist denn eigentlich die Stadt geblieben?«

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