WERBUNG / SPIRITUOSEN Bitte um Pardon
Bei Vermeidung einer Geldstrafe in unbegrenzter Höhe« stoppte die 15. Zivilkammer des Hamburger Landgerichts die neueste Werbeoffensive von »Zinn 40«.
Auf Antrag der Flensburger Firma Herm. G. Dethleffsen (Balle, Bommerlunder) muß das Nieder-Olmer Spirituosenunternehmen Eckes (Chantré, Hulstkamp) künftig darauf verzichten, seinen weißen Weinbrand mit dem Slogan »Der große Milde aus dem Süden« vorzustellen. Die norddeutschen Schnapsbrenner faßten den Werbetext als Affront auf. Denn mit dem Slogan »Der große Klare aus dem Norden« war ihr Bommerlunder zur zweitgrößten Marke unter Deutschlands klaren Schnäpsen aufgestiegen.
Besonders ungehalten waren die Schleswig-Holsteiner darüber, daß die Zinn-40-Werber selbst den kleingedruckten Text ihrer Anzeigen abgeguckt hatten. Heißt es bei Bommerlunder: »Das Symbol echter nordischer Gastlichkeit. Seine Heimat ist der Norden. Seine Beliebtheit kennt keine Grenzen«, so war bei Zinn 40 zu lesen: »Das Symbol kultivierter Gastlichkeit. Die Heimat von Zinn 40 ist ganz Deutschland. Doch seine Beliebtheit kennt Grenzen.«
Urheber der seltsamen Bommerlunder-Parodie ist die Frankfurter Filiale der drittgrößten Werbeagentur der Welt, Young & Rubicam. Die Frankfurter wollen ihre Zinn-Werbung freilich nicht als »Plagiat« verstanden wissen, sondern mehr als »Reverenz« an die ausgezeichnete Bommerlunder-Werbung. Es sei ihnen lediglich um einen »Schmunzeleffekt« bei allen Beteiligten gegangen.
Das klingt glaubhaft, denn in den Vereinigten Staaten gehören derartige Werbe-Hangeleien beinahe zum guten Ton. So persiflierte der in Deutschland durch sein Buch »Ist die Werbung noch zu retten?« bekannt gewordene Werbeagentur-Chef Howard Gossage seinen Star-Kollegen David Ogilvy. Ogilvy hatte für Rolls-Royce den Slogan entworfen: »Bei 100 Stundenkilometern ist das lauteste Geräusch im neuen Rolls-Royce das Ticken der elektrischen Uhr.« Gossage machte daraus für seinen Kunden Rover: »Bei 100 Stundenkilometern ist das lauteste Geräusch in diesem neuen Land-Rover das Gedröhn der Maschine.«
Für derlei Scherze haben die Eckes-Chefs freilich keine Antenne. Geschäftsführer Willi Jung, der bei der Verabschiedung der Kampagne gerade im Urlaub war, hält die beanstandeten Zinn-Anzeigen für »schwachsinnig«. Denn: »So einen Gag verstehen doch höchstens 1000 Leute in Deutschland.«
Dem für die Aktion verantwortlichen Marketingleiter Wolfgang Köhler -- er ist seit dem 1. Oktober bei einer anderen Firma beschäftigt -- hätte Jung bei seiner Rückkehr am liebsten »einen Tennisschläger über den Kopf gehauen«.
Für den »Alleingang eines Marketingleiters« bat inzwischen auch Firmen-Senior Ludwig Eckes bei seinem Konkurrenten Dethleffsen reumütig um Entschuldigung: »Die Geschäftsleitung findet solche Gags geschmacklos.«
Die Konkurrenten Eckes und Dethleffsen beschäftigen nicht zum ersten Male Juristen. Vor zwei Jahren zogen die Bommerlunder-Manager zusammen mit Doornkaat, König und Schlichte die Zinn-40-Produzenten vor Gericht.
Damals hatte es den Norddeutschen nicht gefallen, daß in der Eckes-Werbung behauptet wird, »Zum Kippen zu schade« und »Was ist schon edler als Wein«. Die streitbaren Schnapsbrenner, deren Getränke auf Korn und Kartoffelsprit basieren, sahen darin eine Diffamierung. Das Verfahren ging über zwei Instanzen und endete mit einem Sieg von Eckes.
Diesmal einigten sich die Konkurrenten gütlich. Nachdem sich die Eckes-Geschäftsleitung bei Dethleffsen für den Fauxpas gebührend entschuldigt hatte, hielt es auch Young & Rubicam für angezeigt, die Werbeagentur der Bommerlunder-Hersteller -- Herbert Hecht in Hamburg -- uni Pardon zu bitten.
Mitte letzter Woche drückte Young & Rubicam-Geschäftsführer Alexander Peabody dem Kollegen sein Bedauern aus, »daß unsere Zinn-40-Anzeige Sie so verärgert hat«. Eine Kiste mit sechs Flaschen Zinn sollte den Zwei-Zentner-Mann Hecht milde stimmen.