Zur Ausgabe
Artikel 32 / 85

SUSY-CARD Bitte wieder lieb

aus DER SPIEGEL 46/1965

Vor sieben Jahren brach Susy Borowski-Forster mit vier Jahrhunderten geblümter und goldgeränderter deutscher Glückwunschkartentradition.

Das Ergebnis ihrer Revolte - die »Susy-Card« - war eine europäische Version der in den USA gebräuchlichen Studio-Card. Den Unterschied erklärt die Hamburger Verlagsinhaberin Schweizer Herkunft so: »In Amerika hat man einen saftigen Humor, aber der kommt bei uns nicht an. In Deutschland muß das Kartenmotiv süßlich sein und irgendwie zum Herzen gehen.«

Schon im Alter von zehn Jahren fühlte sich Susy ,eigener Version zufolge, beim Kartenschreiben hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, »etwas Liebes zu sagen«, und der Furcht, »sich etwas zu vergeben«. Klein-Susy nahm ihre Zuflucht zu kleinen Zeichnungen. Groß-Susy, 42, seit sie Schreibfaulheit und Einfallslosigkeit deutscher Grußversender kommerziell nutzt: »Der Empfänger ist sich über das, was gemeint ist, nicht klar und kann es auslegen, wie er möchte.«

Derart psychologisch untermauert, war die Gründung ihres Grußkartenverlags im Jahre 1958 in Hamburg denn auch ein Erfolg: Der Anteil der Susy -Cards am deutschen Glückwunschkartenmarkt »schwoll lawinenartig an« ("FAZ"), und der Umsatz der anfänglich im Ein-Frau-Betrieb gefertigten Susy-Erzeugnisse verdoppelte sich von Jahr zu Jahr (sechs Millionen Mark Umsatz bei jährlich zehn Millionen Karten). Susy Borowski-Forster: »Ich mache es den Menschen leichter, liebenswert zu sein, bin eben einfach eine Stütze für die Freundschaft.«

Daß Susy richtig lag, wurde auch an einem weiteren Indiz sichtbar: Nachahmer traten auf (Primus-Cards, Maxi -Cards) und schwammen im Fahrwasser des Erfolgs mit.

Im Forster-Verlag nimmt man die Bemühungen der Konkurrenz gelassen hin und verweist auf ein bekanntes Susy-Kartenmotiv (Mann mit langer Nase): ».. immer um eine Nasenlänge voraus.« Susy-Verkaufsleiter Biermann: »Als wir mit den Karten rauskamen, machten die anderen sie nach. Als wir die Karten in Zellophan-Hüllen verkauften, war es genauso.« Und auch das neueste Susy-Produkt (Karten im antiken Stil) »werden sie nachmachen, aber bis dahin haben wir schon wieder was Neues«.

Nicht nachgeahmt wurde bisher die Kartenserie »,Susy-Long«, Scherzkarten von einem halben Meter Länge. Susy-Biermann: »Die haben Angst, die Post werde die langen Dinger nicht mehr befördern.« Biermann aber weiß es besser: »Noch bis 1968 erlaubt.«

Die Nasenlänge, die das Susy-Unternehmen der Konkurrenz voraus ist, zeigt sich auch in der Größe des Angebots: 4000 Kartenmotive, von denen einige schon seit Verlagsgründung im Sortiment sind.

Das signaturfertige Programm bietet Hilfe bei schlechthin allen Anlässen, die den Bundesdeutschen andernfalls -zum Handschreiben nötigen könnten. So gibt es Susy-Karten außer für die klassischen Gratulationstermine unter anderem, auch für

- spezielle Freudentage ("Herzlichen Glückwunsch zum Führerschein«, »... zur Einberufung«, » ...zur Volljährigkeit"),

- Liebeskummer ("Warum gehst Du?«,

»Bitte wieder lieb"),

- kommerzielle Mahnung oder Drohung ("Lange nichts gehört von Ihnen«, »Gleich knallt's").

Einen weiteren Vorsprung sichert sich Susy durch ihr unkonventionelles Vertriebssystem: 25 hauseigene Vertreter machen sich unter Umgehung des Großhandels direkt an die Einzelhändler heran. Attraktive Verdienstspannen (75 bis 100 Prozent bei Endverkaufspreisen von 95 Pfennig und 1,80 Mark pro Karte) vertiefen die Markentreue.

Dabei ist der Kartenmarkt in Deutschland noch lange nicht ausgeschöpft: Mit neun Karten pro Kopf und Jahr gehört die Bundesrepublik zu den unterentwickelten Gebieten. Amerikas Grüßeversender bringen es jährlich auf 31, die Engländer auf 24, die Schweizer auf 15, die Franzosen,auf zwölf Karten. Lediglich Italiener, Belgier und Österreicher liegen unter bundesdeutschem Niveau.

Der Forster-Verlag versendet inzwischen auch Susy-Cards in fremden Sprachen. Die Neue Welt zeigt vor allem an herzigen Kartensymbolen Interesse: an Blümchen, Krippenmotiven, Tannenbäumen und viel Gold.

Wendigkeit zeigte die Chefin des inzwischen auf 150 Mitarbeiter angewachsenen Unternehmens auch bei der Erschließung neuer Verwendungsgebiete:

- Seit der Hannover-Messe 1964 konnte sich Susy einen hervorragenden Platz auch in der Kalender-Industrie erobern. (Biermann: »Susy-Kalender sind die einzigen, die nicht weiterverschenkt werden.")

- Die Spielwaren-, Glas- und Porzellan-Branche produziert seit einiger Zeit Susy-Figuren nach dem Vorbild der Walt-Disney-Kreationen.

Neuerdings werden Firmen und Behörden noch mit einem Spezial-Service bekannt gemacht: Susy-Anfangstexte, erhältlich von »A« wie Angebotsabgabe bis »V« wie Verkaufsprogramm, sollen zum Schreiben von durchschlagenden Geschäftsbriefen anregen. Für gänzlich Unbedarfte liefert Susy 'auch noch den Rest - komplett zum Abschreiben.

Verlegerin Susy Borowski-Forster

Karriere mit Karten

Susy-Cards: Bei Einberufung, Fahrprüfung und Liebeskummer...

...eine vorgedruckte Korrespondenz: Susy-Cards

Zur Ausgabe
Artikel 32 / 85
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren