Bitterer Nachgeschmack
(Nr. 6/1985, SPIEGEL-Titel: RAF-Mord in München) *
Kaltblütige Morde sind kein probates Mittel, um in der nur teilweise über die Zusammenhänge aufgeklärten Bevölkerung Sympathien zu bewirken. Trotzdem bleibt der bittere Nachgeschmack, daß diese Affäre der regierenden Spendenopfer-Koalition nur allzu gelegen kommt, von den Opfern einer Politik des täglichen Versagens abzulenken, deren Zahl zum Himmel stinkt: 2,619 Millionen Arbeitslose, sprich 10,6 Prozent. In diesem Fall »stiehlt« eine Horrormeldung der anderen »die Schau«!
München JÜRGEN SCHIPPERS
Wenn man sieht, wie groß unsere Arbeitslosenzahl, wie verschmutzt unsere Umwelt ist und wieviel Milliarden in die Rüstung fließen, da kann man verzweifeln, obwohl ich meine, daß Gewalt nicht der richtige Weg ist!
Much (Nrdrh.-Westf.) CLAUDIA SCHAUSEIL
Man kann das Verhalten der Terroristen, ihre Bombenanschläge und Tötungsaktionen, verurteilen. Man kann jedoch auch das Verhalten von Leuten verurteilen, die um des schönen Mammons beziehungsweise um einer florierenden Wirtschaft willen vom Schreibtisch aus für die (Teil-)Produktion von Waffen mitverantwortlich zeichnen, Waffen, mit denen sehr viele Menschen getötet werden.
München ECKHARDT KIWITT
Bei uns neigt man dazu, die RAF als Kommunisten einzuordnen, obwohl es keine Parteibuch-Kommunisten sind und von den KPdSU-hörigen Parteien grundsätzlich abgelehnt werden. Man kann die RAF wohl als extreme Klassenkämpfer bezeichnen. Es ist doch so: In den kapitalistischen Ländern der ganzen Welt gilt jeder, der die sozialen Mißstände kritisiert und dagegen protestiert, schon seit Jesus als ein Revoluzzer und heute allgemein als ein Kommunist. So werden bei uns in gleicher Weise auch die »Grünen« in die rote und terroristische Ecke diffamiert, auch wenn sie Christen sind. Ob Heinrich Böll, das Ehepaar Jens, Ute Ranke-Heinemann, ob Petra Kelly oder Lieschen Müller, sobald sie gewaltlos protestieren, tritt bereits die bundesdeutsche Rechtsgrundlage als widerwärtige Exekutive in Tätigkeit! Man kann den Terrorismus als Friedensfreund nicht billigen. Doch viel gemeiner und vollkommener ist der Terrorismus der Wahnsinnspolitiker, die heute schon mit ihren Anti-Kommunismus-Plänen den Mond vom Himmel holen wollen.
Ratingen (Nrdrh.-Westf.) HANS THIELEN
Nun schließen sich die Fronten der Geißlers, Todenhöfers und Zimmermanns. Nach der Diffamierung als Moskau-Kommunisten und den Nazi-Vorwürfen werden die »Grünen« (und nicht nur die) nun als kriminelle Elemente abgestempelt. Getreu dem Zimmermann-Ausspruch »Gewaltfreier Widerstand ist Gewalt« wird laut SPIEGEL das Blockieren von Schienensträngen für Munitionstransporte als Gewaltakt definiert. Doch damit nicht genug. Tier-, Natur- und Umweltschützer und Rüstungsgegner, so ist zu lesen, könnten sich zu einer »Öko-Guerilla« zusammenschließen.
Der SPIEGEL prägt den Begriff der GAF (Grüne Armee Fraktion). Der Oberdemagoge der Union läßt grüßen.
Wilhelmshaven (Nieders.) STEFAN AMANDI
Diesmal mußte die Partei-Wochenzeitung »Die Grünen« herhalten, um die These zu untermauern, Grüne, Friedens- und Frauenbewegung bereiteten durch inflationären Gebrauch des grundgesetzlichen Widerstandsbegriffs den Boden für RAF-Mordtaten. Abgesehen davon, daß der von Ihnen zitierte Aufsatz sich beim Einsatz von Waffen auf eine Situation wie die des 20. Juli 1944 bezog, dürfte inzwischen auch dem letzten Bundesbürger klar sein, daß Widerstand für Grüne immer Gewaltlosigkeit voraussetzt (allerdings unter Einschluß von Sabotage und Bruch von Gesetzen). Die Grünen verurteilen nicht nur das staatliche Gewalt-Monopol zur Durchsetzung von Nato-Aufrüstung und Atomfabriken per Polizeieinsatz, sondern verurteilen ebenso deutlich die »Hinrichtung« Ernst Zimmermanns durch das RAF-Kommando. Morde an einzelnen Menschen verändern das System nicht. Es ist nur durch eine friedliche, massenhafte Bewußtseinsänderung zu revolutionieren. Dafür und für nichts anderes stehen die Grünen und ihr Parteiorgan.
München SIEGFRIED HEIM Redakteur der Parteiwochenzeitung »Die Grünen«
Neben der gut recherchierten Berichterstattung zu den jüngsten »Aktivitäten« der RAF ist leider wieder eine Einordnung dieser »Bewegung« erfolgt, von der eigentlich seit den Zeiten der sogenannten »Baader-Meinhof-Gruppe« nicht mehr ernsthaft gesprochen werden kann. Barbara Meyer ist »Anarcho-Novizin«, RAF und »Action directe« sind anarchistisch? Schon in den ersten »Positionspapieren« der RAF war eindeutig nachzulesen, daß sie sich als »Kommunistische Kampforganisation« versteht. Die Belgier nennen sich ausdrücklich »Kämpfende Kommunistische Zellen«. Lediglich die französische »Action directe« erinnert in ihrem Namen an die von den Anarcho-Syndicalisten in aller Welt propagierte »direkte Aktion«, mit der die unmittelbare, von den Betroffenen selbst (!) gegebene direkte Antwort auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen in Form von (wilden) Streiks, Sabotage, Besetzungen und so weiter gemeint ist, die mehr und mehr Anwendung findet und Erfolge zeigt, auch wenn dies weder in der bürgerlichen noch der parteigebunden »linken« Presse Beachtung findet.
Köln DR. B. AKOUNINE
BRIEFE
Breit gestreut
(Nr. 8/1985, Panorama: »Das muß ein Superkunde sein") *
Es trifft nicht zu, daß die Deutsche Bank Anfang 1984 für mich Zanders-Aktien gekauft hat, die mir »zu einem Gewinn von 60 000 DM binnen drei Wochen verholfen haben«.
Es trifft weiter nicht zu, daß mir bei der Börseneinführung der Zanders-Feinpapier AG 1000 Aktien zugeteilt worden sind.
Richtig ist vielmehr, daß auf meine Rechnung für 12 500 DM 100 Aktien erworben worden sind. Nach Rückfrage bei der Deutschen Bank steht fest, daß ich dabei keinerlei bevorzugte Behandlung erfahren habe. Nach den Wünschen der Emittentin sollten die Aktien breit gestreut und möglichst an Privatkunden veräußert werden. Die Emission war nicht, wie der SPIEGEL behauptet, »auf fünf bis zehn Aktien je Kunde begrenzt«.
Wie ich angesichts meiner eindeutigen Erklärungen gegenüber Ihren Korrespondenten in den Verdacht gezogen werden kann, an diesen Aktien 60 000 DM verdient zu haben, ist mir unerfindlich.
Frankfurt/M. DR. WALTER WALLMANN Oberbürgermeister
BRIEFE
Flagranter Rechtsbruch
(Nr. 3/1985, SPIEGEL-Gespräch mit Generalbundesanwalt Rebmann über verdeckte Fahndung und Under-Cover-Agenten) *
Ihre Fragestellungen, in denen Sie auf Äußerungen, die ich getan haben soll, Bezug nehmen, erwecken den Eindruck, als würden der Generalbundesanwalt und ich zu den entsprechenden Fragen unterschiedliche Auffassungen vertreten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zur Verdeutlichung zeige ich nochmals die von mir immer vertretenen Voraussetzungen für den Einsatz verdeckter Ermittler auf: *___Es liegt eine schwere Straftat vor. *___Herkömmliche Ermittlungsmethoden führen mit ____vertretbarem Aufwand nicht zum Erfolg. *___Die Einsatzplanung darf nicht die Begehung von ____Straftaten durch den verdeckten Ermittler umfassen. Der ____verdeckte Ermittler darf sich nicht als »agent ____provocateur« betätigen. Er bleibt an das ____Legalitätsprinzip gebunden. *___Der Einsatz ist mit der Staatsanwaltschaft - soweit ____möglich - abzustimmen. *___An Auswahl und Ausbildung der verdeckt eingesetzten ____Beamten sowie an die dienstaufsichtliche Kontrolle sind ____besondere Anforderungen zu stellen.
Unter diesen im Bundeskriminalamt beachteten Voraussetzungen halte ich den Einsatz von verdeckt ermittelnden Beamten auf der Grundlage der bestehenden Gesetze für rechtlich zulässig. So sieht es offensichtlich auch der Bundesgerichtshof, wie zuletzt in seiner Entscheidung (1 StR 148/84) vom 23. Mai 1984 ausgeführt. Mit dieser Feststellung
möchte ich jedoch nicht ausgeschlossen wissen, bei sich verschärfender Kriminalitätslage weitergehende rechtliche Ermächtigungen zu fordern, die einer neuen Lageentwicklung angemessen sind. Eine Kapitulation des Staates vor dem Verbrechen darf es nicht geben.
Wiesbaden DR. BOGE Präsident des Bundeskriminalamtes
Seit mindestens einem Jahrzehnt steht das Problem der organisierten Kriminalität und ihrer zweckmäßigsten Bekämpfung im Raume. Die zaghafte Behandlung durch verantwortliche politische, polizeiliche und letztlich auch justizielle Stellen hat bisher keinen Fortschritt gebracht. Bei der effektiven Bekämpfung der Schwerstkriminalität kann auf den Einsatz verdeckt arbeitender Polizeibeamter nicht verzichtet werden. Deren Einsatz ist gesetzlich zu regeln, da es bisher an eindeutigen gesetzlichen Grundlagen mangelt.
Berlin WERNER THRONICKER Geschäftsführer des Bundes Deutscher Kriminalbeamter
Als Kriminalbeamter begrüße ich ausnahmslos alle Fragen an Generalbundesanwalt Rebmann. Aus eigener Erfahrung ist mir bekannt, daß nicht selten Angehörige einer kriminellen Gruppe (nicht unbedingt »Kriminelle Vereinigung") von einem neu zu integrierenden Mitglied die Begehung einer strafbaren Handlung geradezu als Zuverlässigkeitstest fordern. Ein Ausweichversuch, wie Herr Rebmann meint, würde den UCA (Under-Cover-Agenten) verdächtig machen; er hätte sich möglicherweise mit einer solchen Maßnahme schon enttarnt, denn auch Kriminelle, gleich welcher Couleur, haben ein ausgeprägtes sensibles Feingefühl für alles, was sich aus ihrer Sicht verdächtig macht. Aus dieser Kenntnis heraus wage ich zu bezweifeln, ob Herr Rebmann von der wirklichen Arbeit in und an der Szene Ahnung hat. Sein Interesse ist ausschließlich auf die Strafverfolgung ausgerichtet, wenn er sagt: »Das 'Ob' bestimme ich, das 'Wie' die Polizei.« Wohingegen der Polizei darüber hinaus die Aufgabe der Gefahrenabwehr zufällt. Daß beide Aufträge in den meisten Fällen auf einer Schiene gefahren werden müssen, übersieht er zwar nicht, hält dennoch ihre gesetzliche Regelung nicht für erforderlich. Die Frage bleibt: Warum eigentlich nicht? Armer UCA.
Troisdorf (Nrdrh.-Westf.) HEINZ NEUENHÖFER
Das präventive Einschleusen von UCAs bei der von den Konservativen so gefürchteten Friedensbewegung halte ich - im Gegensatz zu Herrn Rebmann - in der Tat für einen flagranten Rechtsbruch, auf welchen Gummiparagraphen er sich auch immer stützen mag. Hier wird, wie in diesem unserem Lande heutzutage gehäuft, in bedenklicher Weise machiavellistisch verfahren. Wehret den Anfängen? Zu spät, wie ich fürchte.
Nordhastedt (Schlesw.-Holst.) RAINER VOSS
BRIEFE
»WAAhnsinns-Projekt«
(Nr. 5/1985, Atommüll: Streit um atomare Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) in Wackersdorf oder Dragahn) *
Zahlreiche Zwischen- und Unfälle sowie Stillegungen im Ausland werden unter den Tisch gekehrt! Radioaktive Emissionen beziehungsweise skandalöse Überdosen, die zu Krebserkrankungen bei Kindern und Mißbildungen bei Tieren geführt haben (in Sellafield/England), werden ignoriert! Entscheidend für den Innenminister ist offenbar: Das Prestigeobjekt WAA darf nicht fallen; koste es, was es wolle!!!
Wichmannsburg (Nieders.) RONALD GOEDEKE
Gegen die Wiederaufarbeitung anstelle der direkten Endlagerung sprechen nicht nur sicherheitstechnische und ökonomische
Bedenken, sondern auch deren geringere Sozialverträglichkeit. Selbst wenn die Wiederaufarbeitung sicher und wirtschaftlich wäre, bliebe zu bedenken, daß sie erheblich stärkere Freiheitseinschränkungen erzwingt. Sie macht Plutonium, den Rohstoff für Atombomben, verfügbar und schafft dadurch qualitativ neue Möglichkeiten des Mißbrauchs, des Terrorismus und der Sabotage. Das größere Gefährdungspotential einer Wiederaufarbeitungsanlage erzwingt schärfere Sicherungsmaßnahmen. Das erforderliche Sicherungsniveau wird nur erreicht werden können durch noch strengere Arbeitsplatzkontrollen, Einstellungsüberprüfungen und Überwachungen der künftigen Persönlichkeitsentwicklung. Die Sicherungsmaßnahmen werden nicht nur die Freiheit der Beschäftigten einschränken, sondern sich auch auf die Freunde und Bekannten erstrecken, die sie beeinflussen könnten. Schließlich wird die Sorge vor Anschlägen dazu führen, die Sicherungslinie in die Gesellschaft hinein vorzuverlegen, um Gegner rechtzeitig erkennen zu können. Diese freiheitsgefährdende Entwicklung wird unsere Verfassung nicht verhindern können. Vielmehr wird der Sicherungsbedarf einer Plutonium-Wirtschaft die notwendigen Rechtsänderungen erzwingen und einen »radioaktiven Zerfall« der Grundrechte einleiten.
Heidelberg PROF. DR. JUR. ALEXANDER ROSSNAGEL
In Ihrem Artikel wird der Eindruck erweckt, Albrecht habe zumindest formal keinen Wortbruch begangen. Er habe 1979 erklärt, in Gorleben werde keine WAA gebaut, so daß er ohne Wortbruch im Jahre 1982 Dragahn, rund 25 Kilometer von Gorleben entfernt, als Standort habe benennen können. Es ist aber viel schlimmer. Albrecht hat sich nur eineinhalb Jahre vor seiner Option für Dragahn (im Landkreis Lüchow-Dannenberg) schriftlich festgelegt, daß er der Errichtung einer Wiederaufbereitungsanlage in Lüchow-Dannenberg auf keinen Fall zustimmen werde. Aber nicht nur Albrecht, sondern die gesamte CDU-Führung im Landkreis Lüchow-Dannenberg hat ihr öffentlich gegebenes Wort gebrochen. Der Oberkreisdirektor Poggendorf (CDU) hat zudem die Unwahrheit gesagt, wenn er Herrn Albrecht 1982 daran erinnerte, »daß der Kreistag des Landkreises sich in der Vergangenheit nicht gegen eine Wiederaufbereitungsanlage ausgesprochen hat«.
Zernien (Nieders.) DR. IVA SIMON
Beängstigend ist die Vehemenz, mit der CSU-Politiker die WAA nach Bayern holen wollen. Beschämend ist die Art, mit der das Argument »Arbeitsplätze« ins Feld geführt wird. Bedrückend die Apathie, mit der die zumeist konservativen Oberpfälzer all das über sich ergehen lassen! Im Klartext wird das dann als »stabile politische Verhältnisse« bezeichnet.
Kastl (Bayern) HERMANN FORSTER
BRIEFE
Erfolgreich aufgefordert
(Nr. 7/1985, Berlin: Springer-Zeitungen zensieren Apel-Anzeigen) *
Die Anzeigen des Berliner Senats zum Thema Behinderte sind keine Wahlkampfanzeigen gewesen. Die Anzeigen, die aus den dafür gesetzlich bestimmten Mitteln finanziert wurden, und in denen Arbeitgeber aufgefordert werden, arbeitslose Schwerbehinderte einzustellen, hatten überdies Erfolg. Zum Jahresende gab es zehn Prozent weniger arbeitslose Schwerbehinderte als zum Beginn des Jahres 1984.
Berlin ULF FINK Senator für Gesundheit, Soziales und Familie
BRIEFE
Geänderte Show
(Nr. 5/1985, SPIEGEL-Reporter Hans-Joachim Noack über die Angst der Homosexuellen vor Aids) *
Während langjähriger Arbeit in unserer Hamburger Beratungsstelle haben wir die Erkenntnis gewonnen, daß die allermeisten Homosexuellen eine feste Partnerschaft anstreben, eben nicht Hunderte wechselnde Partner im Jahr haben und sich in der Häufigkeit ihrer Sexualkontakte von gleichaltrigen heterosexuellen Männern eigentlich nicht unterscheiden. Des weiteren kann die in dem Artikel wieder durchschimmernde Behauptung, jeder dritte Homosexuelle sei mit HTLV-3 infiziert, nicht so stehenbleiben. Bei der fraglichen Untersuchung des Bundesgesundheitsamtes wurden in der natürlich nicht repräsentativen Testgruppe Homosexuelle mit und ohne Aids-Einzelsymptomen durcheinandergeworfen - so erklärt sich die ermittelte »Durchseuchungsrate« von 35 Prozent. In Wirklichkeit kennt niemand die tatsächlichen Zahlen.
Hamburg JÖRG ROWOHLT Zweiter Vorsitzender Verband von 1974 (Vv'74)
Natürlich sind die Schwulen-Selbsthilfeprojekte überfordert. Diese Gesellschaft ist es den Schwulen verdammt noch mal schuldig, sie materiell und moralisch zu unterstützen.
Aachen JONATHAN BRIEFS
Im April 1984 habe ich mit meinem Mann und zwei ehemaligen Künstlern das frühere Cabaret »Chez Romy Haag« übernommen. Die Show wurde von uns von einer reinen Transvestiten-Show in eine Revue - bei der unter anderem auch Sängerinnen und Tänzerinnen beschäftigt werden - geändert. Inzwischen haben wir uns unter großen Schwierigkeiten einen sehr guten Namen in Berlin und außerhalb geschaffen, da unsere Klienten zu 90 Prozent aus ganz »normalen« Bürgern bestehen. Sicher sind uns auch homosexuelle Gäste, die Show lieben, willkommen, doch sind wir auf keinen Fall, wie von Ihnen behauptet, ein »Homosexuellen-Treffpunkt«. Auch Ihr Magazin wird von dieser Gruppe
gelesen und sicher bezeichnet sich der SPIEGEL nicht als Schwulen-Blatt.
Berlin KARIN KOTULLA-NEGRI FILHO Dollywood
Die Tatsache, daß ich in einer Werbeanzeige für meine Versicherungsagentur auf die Möglichkeit hinweise, daß schwule Männer sich bei mir so krankenversichern können, daß ihnen auch im Falle einer eventuellen Aids-Erkrankung optimaler Schutz zuteil wird, bezeichnen Sie als makaber. Zugegeben, oberflächlich betrachtet ist sie es auch. Aber man darf wohl von Ihnen erwarten, daß Sie bei Ihrer Berichterstattung etwas mehr in die Tiefe gehen. Zumal ja gerade der SPIEGEL auf die erhöhte Gefahr, der Homosexuelle hier ausgeliefert sind, hinweist. Meine Aufgabe als Versicherungsagent ist es, meinem Kundenkreis hier Versicherungsschutz zu bieten, bevor eine solche Gefahr Realität geworden ist. Sie können mir glauben, daß gerade ich als Schwuler auf ein paar Mark Provision gerne verzichten würde, wenn es dafür diese Krankheit nicht gäbe.
Berlin ULRICH BAUMBUSCH
BRIEFE
Natürliche Folge
(Nr. 6/1985, Strafjustiz: Gerhard Mauz zum Urteil über Gustav Scholz) *
Ähnliche Verfahren, die nicht im Rampenlicht des öffentlichen Interesses stehen, werden selten ein so hohes Maß an Sorgfalt und Besonnenheit aufweisen und daher ein ungleich höheres Strafmaß zur Folge haben. Das Urteil gegen Gustav Scholz wird sich auf die weitere Rechtsprechung positiv auswirken.
München FARID ATTAR
Für gutsituierte, von Scheidung bedrohte Ehemänner gibt es nach dem Scholz-Urteil eine echte Alternative zu Abfindungen in Millionenhöhe, Unterhaltszahlungen bis zum Lebensende und möglicherweise dem totalen Ruin. Eine depressive Stimmung stellt sich bei solchen Aussichten automatisch ein. Tabletteneinnahme ist ebenfalls die natürliche Folge. Ein Jagdgewehr gehört in gehobenen Kreisen ohnehin zur Hausausstattung. Man leere zum geeigneten Zeitpunkt eine Flasche Whisky. Dann gilt es nur noch, den »aggressiven Durchbruch« abzuwarten.
Köln DR. HANS-DIETRICH KUCKUK