VERBRAUCHER Blanker Fakt
Das hatte es in der Geschichte der Branche erst einmal gegeben: 1934.
Damals, in der Hollywood-Liebeskomödie »It Flappened One Night«. war Clark Gable so fabelhaft gelungen, sein Hemd von der zwar spärlich behaarten. doch so männlichen Brust zu streifen, daß die Katastrophe nicht ausbleiben konnte: Der Umsatz von Herren-Unterhemden sackte ab, um ganze 75 Prozent.
1975 sehen sich Amerikas Fabrikanten von Herren-Unterwäsche einem ähnlichen Dilemma gegenüber, gewissermaßen ausgedehnter noch. Denn nicht allein der Verkauf von Hemden ist rückläufig -- auch der von Unterhosen.
Seit Jahrzehnten hatten die Männer der Vereinigten Staaten mit beruhigender Regelmäßigkeit jährlich um vier Prozent mehr Unterzeug gekauft. 1974 strichen die Trikoteinzelhändler 660 Millionen Dollar ein. Doch dann kam der Einbruch -- um 10 bis 15 Prozent sackten die Verkaufszahlen im ersten Quartal 1975 ab.
Seither rätseln die Industriellen. An nackte Männerbrüste haben sich Kinogänger hinlänglich gewöhnt. Daß der Griechenknabe Franck Protopapa seinen blanken Po hinhielt für die (französische) Wäschewerbung, ist immerhin schon acht Jahre her. Und von keinem
* In dem Film »It Happened One Night«, 1934.
Filmhelden der Gegenwart ließe sich sagen. er habe die Hosen so atemberaubend abgelegt, daß es ihm andere Herren gleichtun müßten.
Einige Branchenkenner geben Preiserhöhungen die Schuld an der Wäsche-Sparwelle. War vor wenigen Jahren eine Dreierpackung mit Baumwoll-Standardhosen noch für vier Dollar zu haben, so kosten sie jetzt 5,50.
Byron Reed hingegen, Präsident der Munsingwear Inc., tippt auf die Rezession. Männer, meint er, fingen am ehesten da an zu sparen, wo es nicht auffällt.« Wenn Amerika die Hosen runterließe«, rügt Reed, »käme eine ganze Menge schäbiger Unterwäsche zutage.« Zahlen vom US-Sockenmarkt stützen seinen Verdacht. Da ist der Umsatz um 18 Prozent rückläufig -- Löcher lassen sich mit Schuhen gut kaschieren. Männer mit Modebewußtsein wiederum wittern das Übel anderwärts -- in der eigentlichen Beschaffenheit der amerikanischen Durchschnitts-Unterhose. Fashionable Slips zum Stückpreis von fünf Dollar machen nur 15 Prozent des amerikanischen Marktes aus. Der Rest hat wahrlich das Attribut »unaussprechlich« verdient, denn US-Normalhosen sind länger, weiter, schlottriger noch als jene von deutschen Bundeswehr-Kleiderkammern ausgegebenen Schinkenbeutel, die das Düsseldorfer Modemagazin »Der Herr« in seiner jüngsten Nummer angewidert als »Hose der Nation« präsentiert.
Die berechtigte Sorge, daß derlei Großraum-Unterbekleidung unter hautengen Jeans auftrage, hat nach Ansicht des amerikanischen Modeschöpfers Bill Blass speziell die jüngere männliche Generation zum völligen Verzicht auf Dessous bewogen.
Dieser blanke Fakt ist den Produzenten nicht entgangen. »Einige Leute«, so Jack Wyss, Präsident der Firma Jockey International, »dürften ganz schön frieren.« Die Konkurrenzfirma Eagle Shirtmaker Inc. wollte dem Drunter-ohne-Trend gar schon Rechnung tragen: Mit dem Slogan »Samstags trägt der Cardin-Mann keine Unterwäsche« sollten Sechserpackungen superkleiner Cardin-Slips auf den Markt gebracht werden. »Aber wir haben uns dagegen entschieden«, berichtet Produktmanager Thomas Goetz.
Kurzfristig schien der gebeutelten Branche ein Hoffnungsstrahl aus Washington. Aber ein Antrag des Kongreßabgeordneten James Burke, der den Trikotagefabrikanten neue Wirk-Felder eröffnet hätte, fiel durch.
Im Rahmen des Energie-Sparprogramms, hatte Burke gemeint, müsse der Staat solche Verbraucher subventionieren, die sich durchringen, Wärmendes zu kaufen: lange Unterhosen. ·