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THW Blick geradeaus

Müssen die Männer des Technischen Hilfswerks künftig militärisch grüßen und marschieren lernen?
aus DER SPIEGEL 28/1977

Bevor Hans-Dietrich Genscher aus seinem Amt als Bundesinnenminister schied, hat er dem Technischen Hilfswerk (THW) noch »eine Uniform zum Geschenk gemacht": in taubenblau, mit Schirmmütze und schwarz-rot-goldener Bundeskokarde, Dienstgradabzeichen über der rechten Brusttasche. An diese Spende erinnert sich Günter Trautvetter, Hamburger Landesbeauftragter des THW, mit Dankbarkeit.

Weil so die mehr als 70 000 ehrenamtlichen Helfer der Bundesanstalt THW vom zivilen Haufen zu Uniformträgern avanciert sind, hält Hans Zielinski, Vizepräsident des Bonner Amts für Zivilschutz, es geboten, daß sie sich fortan »entsprechend benehmen« und nicht »wie eine Lämmerherde durch die Stadt marschieren«.

Das zu erreichen, unterfertigte Zielinski ein zehn Schreibmaschinenseiten umfassendes Reglement mit »Richtlinien über die Antrete-, Marsch- und Grußordnung im THW« -- nicht sehr frei nach dem »Reibert«, der Bibel für den deutschen Kommiß.

Fast ein Vierteljahrhundert lang ist die Helfer-Organisation, die sich bei Sturmfluten und Erdbeben, Feuersbrunst und Wassersnot im In- und Ausland Meriten erwarb, ohne militärisches Dekor ausgekommen. Der Umgang war formlos, die Kluft zivil: derbe Arbeitskleidung, die »nach dem dritten Waschen unansehnlich« wurde, ergänzt aus »Restbeständen von anderen Organisationen«, halt »mehr oder weniger so ein Behelf« (Zielinski).

So war es wohl auch gedacht, als der damalige Bundesinnenminister Gustav Heinemann 1950 den Auftrag zur Gründung des Technischen Hilfswerks gab. Sozialdemokraten und Gewerkschaften leisteten dennoch heftigen Widerstand, denn zum Chef des THW wurde Otto Lummitzsch bestellt, ehemals Gründer der Technischen Nothilfe, die in der Weimarer Republik unter Genossen als »Streikbrecherbrigade« verschrien war.

Zum Jubiläumsjahr 1975 verlangte die auf mehrfache Divisionsstärke angewachsene Hilfs-Einheit nach mehr äußerem Glanz, ohne vielleicht zu ahnen, daß darauf das Reglement folgen würde. Nun dürfen sie nicht mehr grüßen, wann und wie und wen sie wollen, leger oder stramm -- jetzt soll es zackig zugehen; nämlich so:

Der Gruß in Dienstbekleidung wird durch Anlegen der rechten Hand an die Kopfbedeckung erwiesen. Hierzu wird die Hand mit ausgestreckten, geschlossenen Fingern dicht über der Schläfe so an die Kopfbedeckung gelegt, daß der Handrücken nach oben zeigt. Der Ellenbogen wird dabei angehoben, Unterarm und Hand bilden möglichst eine Linie. Das Grüßen in Dienstbekleidung ohne Kopfbedeckung erfolgt sinngemäß durch Anlegen der Hand an die Schläfe.

Nun fügen nicht mehr Zufall oder Gewohnheit, wie die Männer einer Gruppe oder eines Zuges herumstehen, nun wird stramm angetreten, und wenn in mehreren Reihen, dann beträgt der »Abstand von Glied zu Glied ... etwa 80 cm«; diesen erreicht man, »wenn die Helfer des hinteren Gliedes ihre Hand bei ausgestrecktem Arm auf die Schulter des Vordermannes legen können«.

Und dann wird »Grundstellung« befohlen, darauf »steht der Helfer still. Seine Füße stehen mit den Hacken aneinander, die Fußspitzen sind leicht auswärts gerichtet. Die Füße bilden nicht ganz einen rechten Winkel. Der Oberkörper ist aufgerichtet, der Blick geradeaus«.

Ungezählte Jahrgänge deutscher Jünglinge und Männer haben nach solchem Reglement die Knochen zusammengerissen und getrachtet, den nicht ganz rechten Winkel zu erreichen. Im »Reibert« der Bundeswehr lebt er fort, und Vize Zielinski hat im »Reibert«-Jargon festlegen lassen, was Kommandos ("lösen bestimmte Verrichtungen und Bewegungen« aus) und was Befehle ("klar und deutlich zu geben") sind, wie das »Antreten, Ausrichten, Rewegen, Anhalten und Auflösen (Wegtreten)« exakt vor sich geht oder wie Wendungen ("auf dem linken Hacken als Drehpunkt") ausgeführt werden.

Kein Zweifel für Hamburgs THW-Chef Trautvetter, daß dies alles »dann auch geübt werden« muß, wenn auch vielleicht »nicht unter dem Gesichtspunkt des Drills«. So wird die Techniker-Truppe nach Uniform und Dienstreglement vielleicht auch bald Exerzierplätze bekommen. Einen Orden, das 1975 gestiftete Ehrenkreuz' hat sie auch schon.

Nur eine Fahne hat sie noch nicht.

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