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Briefe

Blick über den Tellerrand
aus DER SPIEGEL 50/1997

Blick über den Tellerrand

Nr. 48/1997, Universitäten: Studentenproteste gegen die Sparwut an den Hochschulen

Ihrer Kritik, daß Studenten »wieder die alten antikapitalistischen Ressentiments« entwickeln und nicht zu radikalen Veränderungen bereit seien, muß ich widerspre- chen: Eine Ausrichtung des Lehrbetriebs auf Anforderungen des Marktes mag für Juristen oder Betriebswirte noch nachvollziehbar sein, für jeden Geisteswissenschaftler ist diese Aussage eine Farce. Die Freiheit der Berufswahl wird beeinträchtigt, wenn Studierende nur noch in Fächer drängen, die ihnen beste Berufsaussichten bieten; kleinere Disziplinen ohne starke Nachfrage des Marktes werden so ver- nachlässigt und sterben schließlich aus. Die Universität der Zukunft muß möglichst viele Studienfächer anbieten, um Studierende möglichst breit ausbilden zu können. Der Blick über den Tellerrand ist gefragter denn je.

BAD NAUHEIM ULRICH NEURATH

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Wir Studenten fordern weit mehr als Geld und Mitbestimmung. Wir sind gegen das neue Hochschulrahmengesetz, das durch ungerechte Leistungskriterien geisteswissenschaftliche Studiengänge benachteiligt. Es ist Zeit für eine gesellschaftliche Umverteilung: Es kann nicht angehen, daß Großkonzerne Rekordgewinne verbuchen und hier keinen Pfennig davon versteuern. Bildungspolitik darf nicht nur Standortpolitik sein; eine Demokratie braucht Bildung als Bürgerrecht.

MARBURG OLAF SOSATH

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Während den Universitätsbibliotheken gerade mal 40 Millionen aus Länderkassen angedient werden, machen die Bundesländer allein für den Religionsunterricht der Großkirchen Jahr für Jahr an die 4000 Millionen locker, also das Hundertfache! Eine Frage der Option - und der richtigen Lobby. Gotteslämmer grasen eben am liebsten auf Nachbars Wiesen.

MÜNSTER PROF. DR. HORST HERRMANN

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Wir als »Kunden des Konzerns Hochschule« fühlen uns in der Tat überfordert, wenn es darum geht, Konzepte für die »Ausrichtung des Lehrbetriebes auf die Anforderungen des Marktes« zu präsentieren. Dies war und ist allerdings niemals Sinn und Zweck des Protestes. Vielmehr ist er ein Aufschrei, der sich genau gegen die Umstrukturierung der Universitäten zu elitären Betrieben mit markt- und standortgerechtem Ausbildungsprogramm richtet.

MAINZ SIBYLLE RATHMANN

MAINTAL ANDRIKO KONSTANTINIDIS

kleinau
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