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BOMBEN AUF KATANGA NACH PLAN C

aus DER SPIEGEL 43/1962

Der amtierende Uno-Generalsekretär, der Burmese U Thant, läßt im Kongo insgeheim neue militärische Operationen vorbereiten, um das separatistische Katanga zur Rückkehr in den kongolesischen Staatsverband zu zwingen. Damit soll die Weltorganisation von ihrer schwersten Bürde befreit werden, denn ohne die Finanzquellen Katangas bleibt die Kongo-Republik stets auf Uno-Hilfe angewiesen. In einem Geheimmemorandum, das Anfang Oktober unter den höchsten Beamten der Uno-Bürokratie zirkulierte, schilderte U Thant Einzelheiten seines Projektes und die Pläne des militärischen Uno-Oberkommandos im Kongo. Zwar bestritt der Generalsekretär inzwischen offiziell, daß eine militärische Offensive geplant sei, doch bestätigt bisher der Ablauf der Ereignisse - U Thant kündigte bereits eine Resolution des Weltsicherheitsrates an, die Katanga mit dem Boykott seines Exports bedroht - den Inhalt des geheimen Dokuments, das hier, unwesentlich gekürzt und zum besseren Verständnis durch einige Zusätze in Klammern ergänzt, veröffentlicht wird:

AIDE MEMOIRE GEHEIM

I.

Das Beratende Komitee der Vereinten Nationen für den Kongo (Advisory committee), das aus den Vertretern der 19 Nationen besteht, die Truppen für die Uno-Operation im Kongo zur Verfügung gestellt haben, wird in der Woche nach dem 8. Oktober zusammentreten, um einen Bericht des Generalsekretärs über die Situation im Kongo entgegenzunehmen*.

Der Generalsekretär wird bei dieser Gelegenheit darüber berichten, daß der Versöhnungsplan der Uno gescheitert ist. Das Komitee wird dann seine Beratungen um eine Woche vertagen; danach wird der Generalsekretär eine Sitzung des Weltsicherheitsrates einberufen. (Der Vertreter der Sowjet-Union, Walerian Sorin, ist für den ganzen Monat Oktober Vorsitzender des Rates.)

Daß (der kongolesische Ministerpräsident) Cyrille Adoula nicht die geringste Bereitschaft zu einem Kompromiß gezeigt hat und sich weigerte, den Entwurf der kongolesischen Verfassung (dem Katanga-Präsidenten) Moise Tshombé zugehen zu lassen, wird dabei keinesfalls erwähnt werden.

Ceylon wird (im Uno-Sicherheitsrat) eine Resolution einbringen, die sich augenblicklich im Stadium des Entwurfes befindet. Diese Resolution wird

Tshombés Unnachgiebigkeit bestätigen und kritisieren;

- den Entschluß der Uno wiederholen, die Einheit des Kongos herzustellen;

- die fortgesetzte Anwesenheit von Söldnern (mercenaries) in der katangesischen Gendarmerie feststellen;

- die Uno-Streitkräfte im Kongo beauftragen, unverzüglich die Bergwerkszentren Katangas zu besetzen sowie die Grenzübergangsstellen nach Katanga unter ihre Kontrolle zu bringen;

- die belgische Regierung auffordern, alle belgischen Techniker abzuberufen und alle Zahlungen an jene Verwaltungsbeamten und Techniker einzustellen, die sich weigern, das Land (Katanga) zu verlassen;

- die belgische Regierung ersuchen, alle Sabena-Flüge nach Katanga zu stoppen, um alle Personen, die nach Katanga reisen wollen, zu zwingen, den Weg über Léopoldville zu nehmen;

- die Bergwerksfirmen (vor allem die »Union Minière du Haut-Katanga") zwingen, alle Steuerzahlungen ausschließlich an die (kongolesische) Zentralregierung zu leisten,

Diese Resolution wird im Sicherheitsrat vermutlich von Großbritannien, vielleicht auch von Frankreich abgelehnt werden (beide Mächte können als ständige Ratsmitglieder ihr Veto einlegen). Sie wird dann vor die Vollversammlung gebracht werden, wo sie ohne ernste Schwierigkeiten angenommen werden wird.

II.

Das Uno-Militärkommando hat drei Pläne für eine neue militärische Aktion im Kongo ausgearbeitet.

Plan A: Eine Luftwaffenoperation gegen jene Punkte (in Katanga), die später besetzt werden sollen, vor allem gegen das Zentrum der Bergwerksindustrie in Kolwezi und die wichtigsten Grenzstationen. Ein vorbereitender Bombenangriff (preliminary bombardment) auf die katangesischen Garnisonen soll jede spätere Gegenaktion ausschließen. (Die Uno hat soeben im Kongo ein eigenes Luftwaffenkommando unter Leitung eines indischen Offiziers errichtet.)

Die USA werden sich - wie stets in der Vergangenheit - verpflichtet fühlen, der Uno-Entscheidung zu folgen; sie werden daher die notwendigen Transportflugzeuge und Hubschrauber zur Verfügung stellen.

Nach Ansicht des Uno-Kommandos hat dieser Plan A folgende Schwächen:

- Es ist schwierig, eroberte Positionen inmitten einer feindlichen Bevölkerung unbegrenzt lange zu halten, zumal bedeutende Verluste an Menschenleben bei den Uno-Streitkräften eintreten können.

- Die Streitkräfte der Uno sind für eine derartig umfangreiche Operation wahrscheinlich unzureichend.

- Die Haltung der Nachbargebiete Rhodesien und (Portugiesisch-)Angola gibt zu Zweifeln Anlaß.

Die Vereinten Nationen würden im Falle eines Erfolgs erklären, daß sie nicht die Absicht haben, den Bergwerksbetrieb zu stören, sondern daß sie ihn, nur kontrollieren wollen. Katangesische (Erz-)Exporte würden nur dann gestattet werden, wenn die entsprechenden Steuern an die Zentralregierung (in Léopoldville) gezahlt werden.

Plan B: Dieser Plan ist eine verkürzte Version des Plans A; die Besetzung (Katangas) durch militärische Uno-Kräfte bleibt auf Positionen entlang der Grenze beschränkt.

Plan C: Nach diesem Plan würde die Uno ihre Operationen auf die Bombardierung der (katangesischen) Verbindungs- und Nachschublinien (Straßen, Brücken, Tunnel und Eisenbahnlinien) beschränken:

Der ungünstige Eindruck (einer solchen Aktion) auf die öffentliche Meinung wäre gering, denn die Uno könnte behaupten, daß fast nur unbewohnte Gebiete bombardiert würden, also kaum Verluste unter der Zivilbevölkerung eingetreten seien.

Das Uno-Militärkommando ist davon überzeugt, mit dem Plan C Katangas Exporte unterbrechen zu können, ohne daß dazu größere Truppenmassen oder große Gefechte mit der Gendarmerie Tshombés erforderlich sind. Das Uno-Kommando will Verluste an Menschenleben auf seiten der Uno-Truppen möglichst \ vermeiden, besonders innerhalb der Kontingente Irlands und Schwedens, weil diese Staaten im Falle größerer Verluste der Uno ihre militärische Unterstützung entziehen könnten.

Nach Schätzungen des Uno-Kommandos würde es mindestens ein halbes Jahr dauern, bis die beschädigten Verkehrslinien wieder zu benutzen sind. Falls Katanga dann noch immer nicht kapituliert hat, könnte weiter nach Plan C (Bomben auf Verkehrswege) verfahren werden.

Trotzdem findet das Uno-Kommando zwei Schwächen in diesem Plan:

- Er bringt der (kongolesischen) Zentralregierung kein Geld.

- Wenn für Katanga

jede Ausfuhr unmöglich gemacht wird, kann es auch nichts einführen, nicht einmal die dringend notwendigen Nahrungsmittel. Tshombé könnte dann behaupten, die Uno

versuche, die Bevölkerung Katangas auszuhungern. Das würde Pro-Katanga-Sympathien in der ganzen Welt hervorrufen, (denn) die Uno ist sich wohl bewußt, daß Bombardements nicht populär sind.

III.

Es versteht sich von selbst, daß jede Uno-Aktion von gleichzeitigen Operationen der Truppen der Zentralregierung im Norden Katangas unterstützt werden würde. Wie der Uno-Nachrichtendienst erfährt, hat die Zentralregierung jetzt 15 000 Mann an den Grenzen dieser Region stehen. Die Inder unterhalten allein 4000 Mann (unter Uno-Befehl) in Katanga:

IV.

Die Mission des amerikanischen Unterstaatssekretärs George McGhee war ein völliger Fehlschlag*. Er vermochte nicht einmal Adoula dazu zu bringen, an Tshombé den Entwurf der kongolesischen Verfassung zu senden.

Die amerikanische Regierung würde gern einen Kompromiß ausarbeiten. Aber das State Department stützt seine Politik auf die Vereinten Nationen und wird unter keinen Umständen seine Verpflichtungen einer Uno-Resolution gegenüber verletzen.

Jonathan Dean, der (den Uno-Beauftragten) Hoffacker in Elisabethville abgelöst hat, hält es für möglich, Tshombé zu einer grandiosen Geste zu veranlassen - zum Beispiel dazu, einen bedeutenden Geldbetrag an die Zentralregierurng zu überweisen, sozusagen als Garantie für ein später abzuschließendes Abkommen über die Teilung der Steuern und Abgaben (im Verhältnis von 50 zu 50)*.

Das Programm für Katanga sieht daher augenblicklich folgendermaßen aus:

Woche nach dem 8. Oktober: U Thant berichtet vor dem »Advisory Committee«.

Woche nach dem 15. Oktober: Vertagung der Beratungen, um den Eindruck zu erwecken, die Uno warte darauf, von Tshombé zu hören.

Woche nach dem 22. Oktober: Sitzung des Sicherheitsrates.

Die Russen werden darauf dringen, daß eine Entscheidung erreicht wird, bevor die Amtsperiode Sorins als Vorsitzender des Sicherheitsrates (am 31. Oktober) abläuft. Die Amerikaner werden demgegenüber versuchen, die Diskussion hinauszuziehen, so daß keinerlei Entscheidung vor den (Kongreß-)Wahlen am 6. November gefaßt werden kann. Präsident Kennedy fürchtet ungünstige Wirkungen auf die öffentliche Meinung, glaubt jedoch, nach dem 7. November freie Hand zu haben.

Den indischen Truppen im Kongo ist bereits der Befehl zugegangen, ab 12. November kampfbereit zu sein.

* U Thant erschien am 12. Oktober vor dem Komitee und forderte dessen Mitglieder auf, eine bereits vorbereitete Resolution des Weltsicherheitsrates, die Katanga mit Boykott bedroht, zu unterstützen.

* Unterstaatssekretär McGhee hielt sich vom 4. bis 7. Oktober in der Katanga-Hauptstadt Elisabethville auf, um Tshombé zur Rückkehr in die Kongo-Republik zu bewegen. Zuvor hatte McGhee in Leopoldville mit dem Ministerpräsidenten der kongolesischen Zentralregierung, Adoulta, verhandelt.

* Am 11. Oktober hat Tshombé der kongolesischen Zentralregierung in einem Brief zwei Millionen US-Dollar (acht Millionen Mark) zugesagt; das Angebot wurde jedoch von Adoula als ungenügend zurückgewiesen, denn die »Union Minière« zahlt jährlich 42 Millionen Dollar an Steuern und Abgaben in die Staatskasse Katangas.

Uno-Diplomaten U Thant, Sorin: Ab 12. November kampfbereit

Julius Epstein

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