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Bonn: Touristen sollen werben

aus DER SPIEGEL 31/1978

Für eine Million Mark möchte die Bundesregierung die Deutschen zum Nachdenken und zur Werbung für ihr Land anregen. In einer Anzeigenserie, just zur Ferienzeit in den meistgelesenen Illustrierten plaziert, hat das Bonner Presse- und Informationsamt vier Vorurteile beschrieben, die im Ausland den Bundesbürgern immer noch anhängen. Die Notwendigkeit zur Aufklärung hatten die Beamten von Presse-Staatssekretär Klaus Bölling erkannt, als sie Anfang des Jahres die Ergebnisse einer Umfrage über das Deutschlandbild im Ausland studierten. Die Befragten, die in den USA und in sieben europäischen Ländern einvernommen wurden, hatten eine Menge zu beanstanden: Ihnen ist die Bundesrepublik wirtschaftlich zu stark und zuwenig für die Entwicklungsländer engagiert; sie schützt die Menschenrechte nicht und verhängt »Berufsverbote«; vielen sind die Deutschen einfach »nicht sympathisch«. »Mit Abstand am häufigsten wird die NS-Vergangenheit genannt«, heißt es in der Untersuchung.

In der PR-Serie werden die Touristen animiert, einige dieser »ziemlich langlebigen Vorurteile« zu entkräften. Letzte Woche konnten die Leser des »Stern« sich mit dem ersten Vorurteil bekannt machen, den »sturen Deutschen, die nur die Arbeit lieben und sonst nichts auf der Welt«. Als Anleitung fürs »Gespräch mit den Nachbarn« werden sie daran erinnert, daß nur an fünf Tagen der Woche gearbeitet wird und 750 000 Bürger vorzeitig in den Ruhestand gingen.

Das nächste Thema heißt »Deutsch-Mark, Deutsch-Mark über alles«. Ohne falsche Bescheidenheit ("eine der stärksten Wirtschaftsnationen") sollen die Urlauber ihren Nachbarn im Ausland verklickern, daß auch sie von unserem Fleiß leben, »zum Beispiel durch Auslandsurlauber ...«.

Deutsche Gründlichkeit wird am Beispiel von Sandburgenbau und Radikalenerlaß sehr selbstkritisch veranschaulicht, »mehr Toleranz und Gelassenheit« wird gewünscht. Der Beitrag über »Besserwisserei« liest sich, als ob Kanzler Helmut Schmidt gemeint sei. Merksatz: »Man mag Besserwisser nicht besonders -- ob sie recht haben oder nicht. Die Urlauber sollen »das Bild vom Schulmeister Europas« zurechtrücken -- aus dem Text wird freilich nicht klar, wie.

Zu den meistgenannten Vorbehalten gegenüber den Deutschen, ihrer NS-Vergangenheit, gibt es freilich überhaupt keine Anzeige und intern nur eine merkwürdige Erklärung: Der SPD-nahen Are-Agentur und dem von ihr engagierten Zeichner Pit Flick (Honorar 100 000 Mark) sei es nicht gelungen, das Thema überzeugend ins Bild zu setzen.

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