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Erich von Däniken »Botschaft vom Unbekannten«

Anfang März erreichte die Weltauflage der Däniken-Bücher die Neun-Millionen-Marke, in 26 Sprachen. Sogar in Maos China wird neuerdings Dänikens Botschaft von den Göttern verbreitet, die Astronauten waren. In 24 Moskauer Kinos läuft, heftig applaudiert, der Däniken-Film. In Amerika wurden nach einer TV-Sendung in 24 Stunden 350.000 Bücher verkauft. Der Däniken-Erfolg - Wahn, Schwindel und Geschäft - ist ein Welt-Phänomen geworden.
aus DER SPIEGEL 12/1973

Er wollte immer mehr hören.« Mit einem Unterton von Spott und Selbstmitleid erinnert sich Juan Móricz eines Gesprächs mit Erich von Däniken, 37, vor etwa einem Jahr. Am Samstag der ersten Märzwoche 1972 speiste Móricz mit Däniken im zehnten Stock des »Atahualpa«-Hotels in der ecuadorianischen Hafenstadt Guayaquil. Es wurde für den strapazengewohnten Abenteurer Móricz einer der anstrengendsten Tage seines Lebens. »Stundenlang hat er mich ausgequetscht«, stöhnte Móricz, als er von SPIEGEL-Redakteur Bindernagel befragt wurde.

Gleichgültig, was Móricz in Guayaquil aus sich herausquetschen ließ - es steht fest, daß jenes Gespräch für Däniken einem Offenbarungsakt nahekam. In Móricz begegnete er zum ersten Male einem leibhaftigen Menschen, der das Wirken außerirdischer Astronauten bezeugte.

Der Mann berichtete von Höhlen, gefährlichen Abstiegen in ungeheure Tiefen, von unheimlichen Wächtern und von geheimnisvollen Dokumenten. Angefeuert von den entzückten Ausrufen Dänikens (»Das gibt es doch nicht«), lieferte er immer phantastischere Geschichten.

Wahrscheinlich nahmen während dieses Gesprächs jener goldene Zoo und jene Metallbibliothek Gestalt an, die Erich von Däniken zwei Tage später in einem »Saal« gesehen haben will, der - so er selbst - 240 Meter unter der ecuadorianischen Erde am Osthang der Kordilleren liegt.

Freilich wird das Entstehen dieser phantastischen Story erst dann vollends begreiflich, wenn man weiß, daß Däniken seit langem einen solchen Fund erwartet hatte, der - wie er meint - »das Wissen von der Schöpfung« enthüllen könnte. Nun »sah« er etwas, von dem ihm geheimnisvolle Stimmen und Gestalten schon lange gewispert hatten: den Zugang zu den Rätseln des Universums und der Menschwerdung. Er sah die Bibliothek, bestehend aus »einigen tausend millimeterdünnen Metallfolien ... gleichmäßig wie von einer Maschine bedruckt«, geschrieben vor »mehreren tausend Jahren« von einem »großen Unbekannten« für die Menschen des Raumfahrt-Zeitalters.

In zwei Büchern - Bücher von unerhörtem Erfolg: »Erinnerungen an die Zukunft« und »Zurück zu den Sternen« - hatte der schweizerische Hotelier längst Bekanntes auf phantasievolle Weise neu interpretiert und umgedeutet. Unter seiner Feder hatten sich die Schriften der biblischen Propheten, die Bücher tibetanischer Lamas, die steinernen Zeugen der Mayas und Inkas, die Höhlenzeichnungen Nordafrikas und die Figuren der Oster-Inseln in »Tausendundeine Nacht« des Raumfahrt-Zeitalters verwandelt.

Indes, am 6. März 1972 überschritt Däniken den bis dahin respektierten Limes seines teils spaßigen, teils anregenden Phantasiereichs. Aus dem Plauderer wurde der Prophet. Er hatte »gesehen«, obwohl Móricz beteuert: »Wir haben ihm diese Dinge nicht gezeigt.« Wie weiland Moses vom Berge Sinai schritt Däniken von seinem geheimnisvollen Höhlenort herab, das Wissen von den neuen Gesetzestafeln eines kosmischen Bundes in sich tragend.

Wer gemeint hatte, daß dieser eher komische denn ernst zu nehmende Schritt vom Bestseller-Autor zum Seher die schier unglaubliche Erfolgskurve seiner Bücher zum Absturz bringen würde, sah sich getäuscht. Unentwegt strebt sie neuen phantastischen Auflagenrekorden entgegen - eben jetzt die Neun- Millionen-Ziffer (Weltauflage) erreichend, demnächst vielleicht die Zehn- Millionen-Marke.

Der unaufhaltsame Aufstieg des Erich von Däniken ist längst kein literarisches oder persönliches Phänomen mehr. ist vielmehr längst zu einem Indikator des Zustands der technischen Gesellschaft geworden, einer Gesellschaft, deren Wissens- und Forschungshorizont sich immer tiefer in den Makro- und Mikro-Raum des Universums ausweitet und deren Sehnsucht nach Sinn, nach dem großen Schlüssel des Lebensrätsels, immer heißer wird.

Umrankt von Geschäft und Skandal, verstrickt in Lügengespinste und pathologische Vorstellungen. beäugt von Psychologen und Soziologen, von cleveren PR-Managern und Hilfsschreibern manipuliert, sagen Dänikens Erfolge mehr als über ihn selbst über die Gesellschaft aus, die - ob kapitalistisch oder kommunistisch - seine Bücher und Filme in unvorstellbaren Mengen konsumiert. Sie faszinieren Deutsche wie Tschechen, Russen wie Amerikaner, und neuerdings auch Maos blaue Ameisen.

Fünf Monate nach dem Sinai-Erlebnis in den Kordilleren - vier Jahre nach »Erinnerungen an die Zukunft« und drei Jahre nach »Zurück zu den Sternen« - erschien der dritte, der »goldene« Däniken (Verlagsprospekt): »Aussaat und Kosmos«, der Bericht über die angeblichen Höhlenerlebnisse des Autors. Mit einer Startauflage von 100.000 Exemplaren Mitte August auf den Markt gebracht, erreichte das neue Buch schon nach sechs Wochen den ersten Platz in der SPIEGEL-Bestseller-Liste. Bereits 14 Tage später wurden weitere 50.000 Exemplare gedruckt, und Anfang März registrierte der Düsseldorfer Econ-Verlag die 300.000 Bestellung.

Auf knapp zwölf Seiten schildert Däniken in dem 288-Seiten-Werk seine angebliche Höhlenfahrt durch den geheimen Eingang am Santiago-Fluß in der Provinz Morona Santiago, im Dreieck Gualaquiza - San Antonio - Yaupi, am Osthang der Cordilleras de los Andes.

Die Móricz-Höhle nie betreten.

An Seilzügen ging es in die Tiefe. Als er angelangt war, blitzten »Helmscheinwerfer und Taschenlampen« auf. Ein »großes Glücksgefühl« überwältigte ihn. Dann wieder glaubte er sich »von etwas Unheimlichen beobachtet«. Schließlich wurde er, wie er gesteht. von Gelächter geschüttelt.

Er sah Gold, einen ganzen Zoo goldener Tiere: Saurier, Elefanten, Kamele, Bären, Affen, Schnecken und Krebse. Er sah in einem »namenlosen Saal«, der so groß war wie drei Fußballfelder« »Tisch und sieben Stühle«, und er sah »die Bibliothek«, vor vielen tausend Jahren geschrieben, auf dünnen Metallplatten, »um noch in Ewigkeiten lesbar zu bleiben«: die »Biblioteca metálica«. wie Móricz sie nennt.

In dieser »Bibliothek«, davon ist Däniken überzeugt, haben Besucher von anderen Sternen vor vielen tausend Jahren den »kosmischen Plan«. den wirklichen Schöpfungsbericht« hinterlassen. Hier könnte, meinte er, der Schlüssel liegen für das Entstehen der menschlichen Intelligenz. Mit diesem Fund würde er, Däniken, die »so fragwürdige Weltordnung völlig auf den Kopf stellen« und dem Christentum. den Religionen überhaupt, den Garaus machen. Der Glaube ist passe, denn das »Wissen von der Schöpfung« kann nun endgültig enthüllt werden.

Vier Monate nach Erscheinen seines Buches gestand Däniken im kleinen Konferenzraum des Innsbrucker Holiday-Inn-Hotels zwei SPIEGEL-Redakteuren, daß er niemals in der von ihm genannten Gegend Ecuadors gewesen sei. Er habe nur durch einen Seiteneingang in der Nähe der Stadt Cuenca, 100 Kilometer von dem »geheimen« Höhlentor entfernt, die Höhlen für sechs Stunden betreten. Er räumte auch ein. daß das von ihm beschriebene Gebiet niemals mit einem Jeep in 24stündiger Fahrt das hatte er berichtet - erreicht werden könne.

Doch er blieb unentwegt bei seiner Schilderung des Saales, des goldenen Zoos und der Metallbibliothek. Dieser Saal mit seinem »heiligen Buch« ist für ihn der Ort einer kosmischen Offenbarung, Fixpunkt seines Glaubens, der »Mutterleib« (»Süddeutsche Zeitung«), in den er immer fliehen will, die Katakombe, in die ihm niemand folgen kann.

Ist Erich von Däniken ein Scharlatan? Oder gehört er, wie Robert Neumann schrieb, zu »jener Spezies paranoider Phantasten, die je nach Schicksal oder Zufall Führer oder Propheten. Heilige, Märtyrer oder Hellseher« werden«? Oder ist er »der bedeutendste und genialste Satiriker der deutschen Literatur seit mindestens hundert Jahren«, wie der Geologe Professor Wunderlich meint (»Wohin der Stier Europa trug«), oder ist er nur ein bloßer Plagiator von Science-fiction-Autoren?

Aber wie erklärt sich dann der Erfolg Dänikens? Durch cleveres Management« durch die gekonnte Promotion und Praxis eines erfahrenen Verlegers oder durch eine aufwendige Werbekampagne? Nichts spricht dafür.

Als Däniken im Frühjahr 1967 seine »Erinnerungen an die Zukunft« den Lektoren des Düsseldorfer Econ-Verlags zu lesen gab, gab es nur unfrohe Urteile. »Das Produkt eines emotionalen Nichtschriftstellers«, befand Erwin Barth von Wehrenalp, der Chef des Hauses.

Nur widerwillig ließ sich der Büchermacher von der Besessenheit des Autors anstecken. Daß es, wie Däniken stereotyp behauptete, ein »Weltbestseller« werden würde - von der Art wie Werner Kellers bei Econ verlegtes Buch »Und die Bibel hat doch recht« (7,5 Millionen Weltauflage) -. erwartete der Verleger nicht. Mit ganzen 6000 Exemplaren schickte er den Däniken-Erstling ziemlich lustlos auf die Reise.

Nur so viel tat er: Er ließ das Werkchen umschreiben - von Wilhelm Utermann, einem in Roggersdorf nahe München lebenden Schriftsteller. der als Drehbuchautor und Filmproduzent der fünfziger Jahre den Publikumsgeschmack kannte. Utermann alias Roggersdorf »arbeitete«, wie sich Däniken in einem Brief an seinen Verleger mokierte, »jeden Satz wieder durch«, um das Manuskript überhaupt druckreif zu machen.

Die erste Überraschung für den ungläubigen Verleger kam aus der Schweiz. Die Züricher »Weitwoche« begann zwei Tage nach Erscheinen der Buchausgabe - Anfang März 1968 - mit einem Nachdruck. Die Wochen-Häppchen machten die Schweizer lüstern. Immer noch zögernd folgte Econ: im März mit zwei kleinen Auflagen, erst 6000. dann 8000, und im April mit nochmals 6000.

Doch schließlich wurde den stutzigen Düsseldorfern klar, daß sie in der Schweiz auf eine Goldader gestoßen waren. Wie eine Epidemie breitete sich die »Dänikitis« (»Handelsblatt«) von der Schweiz über den Süden nach dem Norden der Bundesrepublik aus. Am 22. Juli 1968 tauchten Dänikens »Erinnerungen« zum erstenmal auf der SPIEGEL-Bestseller-Liste auf. Am 9. Dezember 1968 standen sie auf Platz eins.

Am Jahresende 1968 hatte Econ 171.000 Exemplare drucken lassen, ohne daß der Verlag, außer einigen Anzeigen am »Börsenblatt« und zwei dürftigen Plakaten. für das Buch des Schweizer Hoteliers geworben hatte.

Soviel ist sicher: Dänikens Erfolg war kein Produkt eines raffinierten Managements. Er glich eher einem Naturereignis. Eine Flut von Leserbriefen (17.000 bislang) ergoß sich in die Econ-Büros. obwohl die meisten Rezensenten das wunderliche Buch- Phänomen mit allenfalls gütigem Spott, meist aber mit Verriß bedachten.

Dessenungeachtet: Das »Märchenbuch für Erwachsene« (Hessischer Rundfunk) war nahe dran, alle Rekorde des Buchmarktes zu brechen. Anfang März registrierte Verleger Wehrenalp eine deutsche Gesamtauflage von 1,2 Millionen Exemplaren einschließlich Lesering- und Taschenbuch-Ausgaben und eine Weltauflage von über 5,5 Millionen Exemplaren. Die englischsprachige Ausgabe erreichte 3.4 Millionen Exemplare, in Brasilien wurden 235.000 Bücher verkauft . »Erinnerungen an die Zukunft« wurde in 26 Sprachen übersetzt, darunter Bengali, Marathi, Kanaresisch, Malajalam, Hebräisch und Chinesisch.

»Konkret« erklärte sich das Ausbreiten der »Dänikitis« als »Krise der untergehenden Bourgeoisie«. Indes, der Däniken-Boom überrannte auch diese Theorie. 400.000 Tschechen und Slowaken verschlangen das Buch genauso wie die Ausgebeuteten des kapitalistischen Systems. Chinas Verlage vertreiben in freilich unbekannter Auflage »Erinnerungen an die Zukunft« genauso wie israelische, jugoslawische oder indische.

Auf der Rollbahn des Erstlings hatten die nachfolgenden Daniken- Bücher es leicht. »Zurück zu den Sternen« erreichte bislang rund 850.000 Exemplare, im Ausland über zwei Millionen. Für das dritte Däniken-Werk («Aussaat und Kosmos«) verkaufte Econ bislang 14 Lizenzen.

Eine 1969 von der Terra Filmkunst GmbH nach den »Erinnerungen« gedrehte Kino-Dokumentation läuft in fast allen Ländern der Erde in Moskau und in Warschau. (Nach jeder Vorstellung wird applaudiert.)

Anfang Januar sendete die amerikanische Fernsehgesellschaft CBS eine Kurzfassung des Kinofilms. Innerhalb der nächsten 24 Stunden wurden 350 000 Däniken-Bücher beim New Yorker Bantam-Verlag bestellt.

Dänikens Wanderpredigten - arrangiert vom Züricher Tourneetheater - von Elmshorn bis Brixen brachten bisher über 100.000 Gläubige und Neugierige auf die Beine. In Hamburg war das Auditorium maximum der Universität (1800 Sitzplätze) überfüllt - mehr als 500 Leute mußten, ohne Däniken gehört zu haben, nach Hause gehen. Im Innsbrucker großen Stadtsaal gab es eine Stunde vor Beginn eines Däniken-Vortrags nur noch Stehplätze zum Preis von 20 Schilling.

Nichts half gegen den Däniken-Wahn: keine wissenschaftlich fundierte Kritik, wie sie der Publizist Ernst von Khuon in seinem Sammelband »Waren die Götter Astronauten?«, der Berliner TU-Student Gerhard Gadow in seinem Fischer-Taschenbuch »Erinnerungen an die Wirklichkeit«, der Archäologe Joachim Rehork in »Faszinierende Funde« oder Pieter Coll in »Geschäfte mit der Phantasie« übten. Keine den Märchenerzähler Däniken entlarvende Fernseh-Dokumentation - wie die von Roman Brodmann im Ersten Programm -, kein Plagiatsvorwurf (Bourquin/Golowin: »Die Däniken-Story«) vermochten den Erfolg zu erschüttern.

Mit Ironie oder Tiefsinn versuchten andere der »Dänikitis« beizukommen: »In unserem von der Wissenschaft verunsicherten Zeitalter hat man wieder etwas, woran man sich halten kann. eine simple Lehre«, schrieb »Die Zeit«, Und die »Süddeutsche Zeitung« vermerkte zu Däniken und seinem Erfolg: »Dieser an der Grenze der realen Welt lebende Mann wird zum Propheten einer »neuen Wissenschaft. in der es nicht mehr um Beweisbares, nur noch um Glaubhaftes geht.«

Die Bibel - ein Report über Astronauten.

Glauben muß der Däniken-Anhänger in der Tat, nämlich:

  • daß vor rund 10.000 Jahren fremde Lebewesen aus einer fernen Milchstraße - möglicherweise nach einer intergalaktischen Schlacht - die Erde besucht haben;

  • daß die »Sternen-Söhne« den »intelligenten Menschen« durch Veränderung der Gene von Affen »nach ihrem Bilde« geschaffen haben;

  • daß die fremden Astronauten wegen ihrer unbegreiflichen Technologie von den Menschen als »Götter verehrt« wurden;

  • daß zahlreiche, bislang nicht identifizierte, archäologische Funde Erinnerungsstücke an den Astronauten-Besuch sein könnten und

  • daß die Mythen. die Bibel und andere »heilige Bücher« Berichte vom Erden-Aufenthalt der »Götter« sind.

Wo immer Däniken die Bibel aufschlägt, für ihn wird alles zur Reportage über die Astronauten-Götter. So habe Moses mit Hilfe der Bundeslade, die er nach Anweisung der Götter bauen mußte und die in Wirklichkeit eine Wechselsprechanlage war, in ständiger Verbindung mit einem göttlichen Raumschiff gestanden. Die Vernichtung der sündigen Städte Sodom und Gomorrha erklärte er für das Werk einer »göttlichen« Atombombe und das Buch Hesekiel für die Reportage von Landungen fremder Astronauten - damit sogar die technische Phantasie eines Nasa-lngenieurs entzündend (SPIEGEL 1/1973).

Nicht viel anders treibt es Däniken mit dem sumerischen Gilgamesch-Epos. in dem nach seiner Meinung eine Reise zum Raumfahrt-Zentrum der »Götter« beschrieben wird, und mit der Legende vom »Himmelsflug« des sumerischen Königs Etana. Aus dem »Popol Vuh« (Buch des Rates) der Quiché-Mayas entnimmt Däniken den Bericht einer intergalaktischen Schlacht, deren Verlierer sich auf die Erde retteten - und Erbauer des ecuadorianischen Tunnelsystems gewesen sein sollen.

Freilich, ähnliches oder gar dasselbe hatten vor Däniken auch schon andere Autoren behauptet: so der Naturwissenschaftler Jacques Bergier und der Philosoph Louis Pauwels in ihrem 1960 in Paris erschienenen Buch »Aufbruch ins dritte Jahrtausend«, das der Scherz-Verlag im Jahre 1962 auf deutsch herausbrachte.

Oder der französische Schriftsteller Robert Charroux, dessen »Phantastische Vergangenheit« 1963 ebenfalls in Paris erschien und der mit seiner deutschen Ausgabe 1966 bei Herwig in München - nur kümmerliche 58.000 Exemplare erreichte.

Ist Däniken »ein paranoider Phantast«?

Jedoch, das »Phänomen Erich von Däniken« (Wehrenalp) wird dadurch kaum plausibler. Warum gelang Däniken der Erfolg und nicht Pauwels/Bergier oder Charroux oder anderen? Warum blieben seine vielen Epigonen auf der Strecke, etwa Peter Kolosimo (»Sie kamen von einem anderen Stern«, 28.000 Exemplare) oder Karl F. Kohlenberg (»Enträtselte Vorzeit«, 20.000 Exemplare) oder Eric Norman (»Bibel, Götter, Astronauten«, 42.000 Exemplare)?

Ist Däniken jener »paranoide Phantast«, für den ihn Robert Neumann hält? Und ist sein Erfolg vielleicht dadurch zu erklären, daß die Gesellschaft selber paranoische Züge hat - ein Zusammenhang, wie ihn Max Horkheimer und Theodor W. Adorno in ihrer »Dialektik der Aufklärung« beschrieben haben: »In den Hingegebenen selber (der Gesellschaft) spricht das Paranoische auf den Paranoiker ... an ... dem sie dankbar sind«? Das »Problem Däniken« wäre dann also nichts anderes als die Affinität einer paranoiden Gesellschaft zu einem Paranoiker. Dann läge das Geheimnis des Däniken-Erfolges zur einen Hälfte im Zustand der Gesellschaft und zur anderen in der Person Dänikens selbst.

»Erich war von klein auf ein bißchen Abenteurer«. so sieht Otto von Däniken. seinen am 14. April 1935 in Zofingen im Kanton Aargau geborenen Bruder. Für die Mutter war er »kein schwieriges Kind ... gut zu erziehen, er hatte auch keine Schulschwierigkeiten«.

Seine geringe Körpergröße - schon seit langem trägt er Schuhe mit hohen Absätzen - versuchte er durch besondere Tatkraft auszugleichen. Bei Spielen und Streichen war er der »Ideenmann«. bei »Mutproben« der erste.

Unvergessen blieb für Däniken ein Kindheitserlebnis, das seine Phantasie nicht mehr losließ. Im Februar 1944 sah er, wie ein amerikanisches Bombenflugzeug notlanden mußte. Aus der riesigen, unheimlichen Maschine stiegen acht Männer und gingen stumm an ihm vorbei - »wie Wesen aus einer anderen Welt« - von einem anderen Stern. Der Vorgang ist, so scheint es, typisch für Dänikens Erlebnis- und Erkenntnisweise. Drohendes, Massives, Unheimliches, Archaisches sensibilisiert ihn, und die in solchen Augenblicken gewonnenen Eindrücke verdichten sich dergestalt, daß sie ein schon vorgegebenes Überzeugungssystem bestätigen. Er selber berichtet in seinen Büchern über solche plötzlichen Aha-Erlebnisse.

Er überfliegt - um ein Beispiel zu nennen - die Nazca-Ebene in Peru, sieht riesige, geometrisch angelegte Linien und Konturen überdimensionaler Tierfiguren und hat plötzlich das Raumfahrtzentrum seiner »Götter« vor Augen. Er betrachtet Höhlenzeichnungen in der Sahara oder die Riesenstatuen auf den Oster-Inseln und erkennt die Bilder fremder Astronauten. Glücksgefühl durchströmt ihn in solchen Augenblicken, Lachzwang überwältigt ihn, und er beginnt eine fieberhafte Tätigkeit des Vermessens, Photographierens und Deutens. Dabei kommt es dem auf ziemlich unbegreifliche Art plötzlich Erhellten gar nicht so sehr auf die Details an, sondern vielmehr auf den Bestätigungswert seiner »Entdeckungen«. Das Blech und Messing, das er auf dem Hinterhof der Armenkirche Maria Auxiliadora des Paters Carlo Crespi findet, ist für ihn Gold - und es ist, subjektiv, für ihn in diesem Augenblick wirklich Gold. Däniken ist kein Betrüger. Gleichwohl kann er später, ohne Bedenken und ohne die Besorgnis, unglaubwürdig zu werden, den Hinweis auf den blechernen Sachverhalt wegwischen: »Mir ist es Wurscht, ob das Gold ist oder nicht, wichtig sind die eingravierten Zeichen.«

Er will 240 Meter tief unter der Erde gewesen sein und war es, eingestandenermaßen, nicht. Er will bei den Höhlen am Rio Santiago gewesen sein und war es, eingestandenermaßen, nicht. Er will aber in den Saal gelangt sein, durch einen Nebeneingang, der rund 100 Kilometer von jenem erstgenannten Eingang entfernt ist - und bemerkt nicht, daß er dann die 100 Kilometer zum »Saal« unter der Erde hätte zurücklegen müssen.

Hat er die goldenen Tiere im »Saal« gesehen? Er hat. Subjektiv natürlich. Seine Wahrnehmungen sind Zündungen, die zwischen seinem Überzeugungs-System von der Existenz der Astronauten und sehr beliebigen, stets aber irgendwie aufgeladenen, geheimnisvollen Details stattfinden.

Zündungen dieser Art blenden ihn ab gegen Einwendungen und Zweifel, ja gegen Lächerlichkeit. Roggersdorf putzte die Höhenfahrt-Geschichte Dänikens mit einem Lichteffekt auf. Er ließ Däniken berichten, daß dessen Führer - Juan Móricz - vor Betreten des Saals die Lampen löschen ließ, um sie dann mit einem Schlag wieder anzuschalten. Obwohl dieses Arrangement niemals stattfand, hatte Däniken nichts einzuwenden. Im Gegenteil, er billigte ausdrücklich die Schönung.

Vom Jesus- zum Astronautenglauben.

Wie erklärt sich das? Däniken ist beherrscht von der zwingenden Vorstellung einer stabilen, ja starren kosmischen Ordnung. In der Strafanstalt Regensdorf, in die er wegen Unterschlagung eingewiesen worden war, schrieb er 1970 für die Gefangenen-Zeitschrift eine Kurzgeschichte, in der er ein allwissendes, Vergangenheit und Zukunft kennendes (phosphoreszierendes) Wesen vorstellte, das er »Bioco« (Kürzung von Biotronischer Computer) nannte - eine Maschine also, in der alle Gewißheit des Universums versammelt ist: Jehova in Gestalt eines Computers. Hauptfunktion dieses Apparates: in allen Kriminal- und Rechtsfällen blitzschnell das gerechte Urteil zu fällen. Was er in einer Geschichte beschrieb, war ein gerechter Gott - freilich in Gestalt eines toten Apparates. Das Universum ist - so sagt er selber - ein Uhrwerk, eine riesige Apparatur. Es kommt darauf an, hinter ihr Geheimnis zu kommen.

Die Angst vor einer ungewissen und deshalb unheimlichen Welt ist offenkundig das innerste, bewegende Motiv Dänikens. Wahrscheinlich beruht seine bezaubernde, vielleicht sogar behexende Wirkung nicht zuletzt darauf, daß er - unter eigenem psychischen Zwang - dort Ordnung anbietet, wo keine mehr ist.

Er selber sieht es so: »Ein wesentlicher Grund«, sagt er, »für den Erfolg meiner Bücher liegt auch in der religiösen Unsicherheit.« Die religiös verunsicherte Weltgesellschaft und der religiös verunsicherte Däniken sind kongruent.

Im Frühjahr 1949 brachte der streng katholische Vater den damals 14jährigen Erich in das ehemalige Fribourger Jesuitenkolleg Samt-Michel. Seine Schulfreunde erinnern sich an den »geistig zu beweglichen Typ«, der »vielleicht immer etwas zu schnell war«, »außerordentlich belesen«, aber »vom Innersten her rastlos«. Seine Hobbys waren Jazz und Astronomie.

Dazu erzogen, den Geboten der katholischen Kirche zu glauben, verursachten Glaubenszweifel eine offenkundig tiefreichende Krise. Mag sein. daß er, der aus der religiösen Sicherheit Verstoßene, neue Bindungen suchte. Als »Jungfeldmeister« wurde er für seine Pfadfindergruppe der »sorgende Papa«. dessen »Hilfsbereitschaft bis zur Aufopferung ging«.

Diese »Hilfsbereitschaft« verleitete ihn zu seiner ersten kriminellen Handlung. Um der Mutter eines Freundes zu helfen, griff er in die Pfadfinderkasse und deckte das Defizit durch einen weiteren Diebstahl ab. Er wurde festgenommen und später vom Kantonsgericht Obwalden zu vier Monaten Gefängnis mit Bewährung verurteilt - wie einst Karl May« der als Absolvent eines Lehrerseminars zu Gefängnis verurteilt wurde: Er hatte Wachsreste aus Leuchtern gesammelt, um daraus Weihnachtskerzen zu machen.

Die Wandlung Dänikens vom Jesuszum Astronautenglauben begann mit einer Vision, mit einem Vorgang außersinnlicher Wahrnehmung. den er später »Espern« nannte - nach der amerikanischen Abkürzung für Extrasensory Perception.

Dieses erste ESP-Erlebnis im Frühjahr 1954 habe, so stellt Däniken es heute dar, ihm die Gewißheit von der prähistorischen Astronauten-Landung auf der Erde gegeben. Nun konnte, nun mußte er nach den Spuren seiner Götter suchen.

Däniken selbst beschreibt das Espern als eine Art Zeitreise. Er trete dabei »aus der Zeit heraus« und sehe »alles gleichzeitig, das Vergangene, das Gegenwärtige und das Zukünftige«. Er spreche mit »Leuten aus der Vergangenheit«, die die »gleiche Fähigkeit« wie er besitzen, er wisse, wann er sein nächstes Buch schreiben und wie er sterben werde.

50 Millionen Zivilisationen im All?

»Diffuse Identifikationserlebnisse«, wie sie von den Psychologen genannt werden, sind erst in den letzten Jahren von dem Amerikaner J. B. Rhine und dem Freiburger Parapsychologen Hans Bender näher untersucht worden, ohne daß bislang für ihr Auftreten eine wissenschaftlich befriedigende Erklärung gegeben werden konnte. Die Psychiatrie stuft solche Halluzinationen unter paranoider Schizophrenie ein. Zu diesem Krankheitsbild gehört. daß der Patient »Stimmen« hört, sich »beobachtet« fühlt, ihm »unheimlich« ist.

Im Sommer 1954 verließ Däniken das Internat. Er war nicht versetzt worden und wurde Hotellehrling im »Schweizerhof« in Bern.

Den sozialen Abstieg kompensierte er durch Studien in der Lehrlingskammer. Er machte sich daran, die Welt der Kirche und der Wissenschaft, die sich ihm verweigert hatte, hinterrücks zu überholen und zu beschämen. Er las Bücher über Astronomie und Archäologie und immer wieder Mythen, Sagen und die Bibel. »Somnambul saugte sein Gedächtnis auf, was sein Thema anging«, er »war manisch von seiner Idee besessen« (Roggersdorf).

Über Nacht verließ Däniken seine Lehrstelle und fuhr nach Ägypten. Er mußte sehen, worüber er bislang nur gelesen hatte: die Pyramiden und die Sphinx.

Woher hatte er das Geld? Monsieur Jacques, sein Vorgesetzter im »Schweizerhof«, hatte es dem zierlichen Jungen mit dem kastanienbraunen Haar nach und nach zugeschoben. Am Ende waren es 12.000 Schweizer Franken. Und ein befreundeter Arzt hatte ihm ein mit Brillanten besetztes Armband und dazugehörige Ohrclips mitgegehen. Däniken sollte den Schmuck - er war das Pfand für ein vom Arzt gegebenes Darlehen an eine befreundete Ägypterin in Alexandrien einlösen.

Nach seiner Rückkehr hatte er weder Geld noch Schmuck - Ergebnis: 16 Monate Gefängnis, und neue Rastlosigkeit: Stellungen in Ascot und Davos, als Schiffssteward zwischen Rotterdam und New York, als Barmann im Grand-Hotel Rigi-Kaltbad, als Hilfsarbeiter in der Suppenfabrik Knorr, als Maitre d'Hôtel in Kanada - und schließlich als »stiller Pächter« und Geschäftsführer des Davoser Hotels »Rosenhügel«.

Die Gäste im »Rosenhügel« waren von dem fiebrig unterhaltsamen Gastgeber entzückt. Er war »wie ein Sprengkörper, in ihm explodierte es«, beschreibt ihn Francois Auberson, Finanzdirektor der Züricher TWA-Niederlassung. »Er versäumte keinen Tag, »seine Botschaft' jemand ins Ohr zu flüstern« Wenn die Gäste zu Bett waren, schrieb er an seinem Manuskript, bis vier Uhr in der Früh, gequält von einem »fürchterlichen Druck im Nacken und Kopfschmerzen«.

»In seiner Zielbesessenheit räumte er jedes Hindernis, und sei es durch Schuldenmachen, aus dem Weg«, bemerkte Max Zürcher, ein Fernseh-Journalist: 1965 waren es 74000 Franken. Dazu wuchs seine Unruhe. Er eilte - nochmals - nach Ägypten, dann in den Libanon, dann nach Nord- und Südamerika, mit Hilfe neuer Schulden und auf der Suche nach den Astronauten. Seine »Füße«, so Auberson, »begannen im Sumpf zu kleben, der Kopf stieß in die Wolken«.

Die Schulden betrugen nun 142 000 Franken. Doch das Manuskript »Erinnerungen an die Zukunft« war abgeschlossen. Er hatte wahr gemacht, was er im Januar 1963 einem Freund geschrieben hatte: »Wenn ich von meiner Ansicht überzeugt« bin, »werde ich mich nicht darauf beschränken, unter meinesgleichen Vorträge und Predigten zu halten. Es wäre dann meine Lebenspflicht, meine Ansicht auch anderen verständlich zu machen.«

Die »Lebenspflicht« kostete: 500 000 Franken Schulden und dreieinhalb Jahre Zuchthaus, wegen wiederholter und fortgesetzter Veruntreuung, wiederholten und gewerbsmäßigen Betruges und wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung - wiederum wie Karl May« der wegen Hochstapelei ins Zuchthaus Waldheim kam.

Das Urteil war hart. Als es gesprochen wurde, war Däniken bereits ein reicher Mann, seine Schulden waren bezahlt. Mehr als 1,25 Millionen Mark hatten ihm Autorenhonorare und Lizenzen eingebracht. »Erinnerungen an die Zukunft« und »Zurück zu den Sternen« verkauften die Buchhändler besser denn je.

Dänikens erstes Buch war - das trug zum Erfolg bei - zu einem günstigen Zeitpunkt erschienen, Im August 1968 begannen die Vorbereitungen für Apollo 8, das den Mond umkreisen sollte. Im Dezember sahen Millionen Fernsehzuschauer zum erstenmal auf ihren Bildschirmen eine leuchtende Kugel: die Erde, aufgenommen aus dem Weltraum. Die Raumfahrt hatte begonnen - und damit der Einbruch eisiger kosmischer Ferne in das Menschenleben. »Der Mensch unserer kleinen Erde«. schrieb Ernst von Khuon, fühle sich »einsamer denn je«. Könnte es sein, daß er sich deshalb nach »Geschwistern im All« sehnt?

Führende Astronomen und Astrophysiker der USA kamen 1962, bei einem Symposion in Green Bank, zu der Ansicht, daß allein in unserer Galaxie bis zu 50 Millionen Zivilisationen denkbar seien. Knapp eineinhalb Jahre später gelangten russische Raumforscher in Eriwan zu einem ähnlichen Ergebnis.

Von solchen Schätzungen ist der Schritt zur Hypothese nicht sehr groß, fremde Intelligenzen könnten schon vor Tausenden von Jahren einen technologischen Stand erreicht haben, der sie befähigte, die Erde zu erreichen. Die Möglichkeit. daß Bewohner anderer Planeten die Erde vor einigen tausend Jahren aufgesucht hätten, »findet heute weitgehende Anerkennung«, behauptet Ernst Stuhlinger, Associate Director for Science der Nasa. Und auch Wernher von Braun möchte »diese Möglichkeit nicht abstreiten«.

Beim Jahrestreffen der »American Astronautical Society« im Jahre 1966 erklärte Professor Carl Sagen: »Unser winziger Winkel des Universums kann während der vergangenen paar Milliarden Jahre Tausende von Malen besucht worden sein. Wenigstens einer dieser Besuche mag in historischer Zeit stattgefunden haben.«

Freilich, Beweise gibt es nicht: weder für die Milliarden zivilisierter Planeten noch für den Erdenbesuch fremder Astronauten, noch für die - von Däniken behauptete - gewollte oder zufällige Erschaffung menschlichen Lebens durch kosmische Raumfahrer.

Dänikens Phantasiewelt liegt in der Grauzone zwischen dem wissenschaftlich Denkbaren und der Sehnsucht einer verängstigten Menschengemeinde nach absoluter Gewißheit. Zehn Jahre bevor Däniken mit seinen phantastischen Behauptungen auftrat, hat der Psychologe und Kulturkritiker Carl Gustav Jung versucht, eine der »Dänikitis« verwandte Erscheinung zu analysieren: die Ufologie« den Glauben an unbekannte Flugobjekte außerirdischen Ursprungs.

Jung kam zu dem Ergebnis, daß »derartige Phantasie-Impulse, namentlich wenn sie in so ernsthafter Form auftreten, auf einer darunter- und dahinterliegenden Ursache, nämlich einer vitalen Notlage und einem dementsprechenden Bedürfnis beruhen«.

Im Mittelpunkt steht eine Gaunerkomödie.

Technik, gleich, ob sie als alles zerstörende Wasserstoffbombe, als luftverpestendes Auto und Düsenflugzeug oder als Flüsse und Meere verseuchender Industriemüll auftritt, bedroht den Lebensraum des Menschen. Er versucht daher. diesem »Gefängnis zu entfliehen«, das durch die lawinenartig anschwellende Bevölkerungszahl über kurz oder lang zu eng wird. Eskapismus also, Flucht vor der schlechten Realität in die Welt der Science-fiction. Jedenfalls, das ist sicher, keine Dekadenzerscheinung kapitalistischer Gesellschaften, sondern Orientierungsschwierigkeit der postreligiösen Gesellschaft ganz allgemein.

Die Welt wird eng und dreckig auch in den Reichen Maos und Breschnews. Kein Marx, kein Lenin, so scheint es, auch kein Gottessohn Jesus, kann diesen Fortschritt verhindern, Hilfe also wird »im außerirdischen Bereich gesucht, da die Erde sie nicht gewährt« (Jung).

Es sei, meinte Jung, am Ufo-Glauben zu beobachten. »wie in einer schwierigen und dunklen Zeit der Menschheit eine Wundererzählung von einem versuchsweisen Eingriff oder wenigstens einer Annäherung außerirdischer »himmlischer' Mächte sich bildet«.

Doch kann das durch die Zerstörung religiöser Kosmos-Vorstellungen entstandene Dilemma nicht einfach dadurch aufgehoben werden, daß an die Stelle der Religion die Wissenschaft tritt. Denn die Wissenschaft, so sieht es der Skeptiker Arnold Gehlen, vermag das »primäre und instinktiv arbeitende Deutungs- und Erklärungsbedürfnis«, das »Bedürfnis der Sinngebung oder Sinnfindung« nicht zu befriedigen.

So mag es sein, daß, wo kein Sinn mehr ist, sich »Nebensinn« ansiedelt: Paranoia. Und daß Sensible Gehör finden, die den Zustand der Sinnlosigkeit nicht ertragen und ihn umsetzen in fiebrige Suche nach dem alles erklärenden Schlüssel-Geheimnis - zum Beispiel wie Dänikens Biblioteca metálica.

Däniken ist wehrlos gegen sein eigenes Konzept, wehrlos auch gegenüber jenen, die ihn mit Hilfe dieser seiner eigenen Zwangsvorstellung auszunutzen versuchen, ihn steuern und behumsen. So steht im Mittelpunkt der Geschichte des Däniken-Falls eigentlich eine Gaunerkomödie, die des argentinischen Glücksritters Juan Móricz.

Ebensowenig wie Däniken hat Móricz jemals den Goldenen Zoo und die Biblioteca metálica gesehen. Doch im Unterschied zu Däniken hat Móricz wahrscheinlich niemals wirklich an deren Existenz geglaubt. Einen »Schwindler, einen Abenteurer« nennt ihn Hernán Crespo Toral, der Direktor des archäologischen Instituts von Quito. Und sogar der uralte Pater Crespi hat für ihn nur einen verächtlichen Schnaufer: »Geschäftemacher!«

Doch die Legende vom Goldenen Zoo, nebst Drum und Dran, ist älter noch als das Gaunerstückchen des Juan Móricz. Erstmals soll sie vor 30 Jahren erzählt worden sein - von einem verrückten Hauptmann namens Jaramillo.

Gleichwohl steht Däniken-Verleger Barth von Wehrenalp tapfer - Geld und Geschäftigkeit nicht scheuend - zu seinem Autor. Professor Oberem, Amerikanist in Bonn, soll, finanziert von Econ, in diesem Jahr das Geheimnis der Höhlen klären - ein Geheimnis, das niemals eines war, das aber immer noch ein lohnender Wahn ist. Ober drei Millionen Mark kassierte allein Erich von Däniken.

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