Zur Ausgabe
Artikel 18 / 133

STASI-AKTEN Brisante Liste

aus DER SPIEGEL 14/1999

Akribisch ist die Aufklärung »sensibler Ziele« in der Bundesrepublik durch partisanenähnliche »Einsatzgruppen« des Ministeriums für Staatssicherheit von der DDR betrieben worden.

Mehrjährige Nachforschungen in den zerstreuten Akten der »Arbeitsgruppe des Ministers/Sondereinheiten« förderten jetzt Details über Erich Mielkes 3500 Kämpfer starke Untergrundarmee zutage. Gauck-Mitarbeiter Thomas Auerbach: »Jede Art von Terror bis hin zur Beschädigung von Kernkraftwerken war im Detail vorbereitet.« Das Ergebnis von Auerbachs Recherchen über die »Einsatzkommandos an der unsichtbaren Front« erscheint Mitte April im Berliner Christoph Links Verlag.

Der »Friedensstaat DDR« bildete nicht nur Einzelkämpfer für Sabotageaufträge ("Sprengung der Okertalsperre im Harz«, »Zerstörung der Richtfunkstrecke Berlin") aus, er unterhielt neben den Spionen der Hauptverwaltung Aufklärung auch ein bislang unbekanntes Netz von Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) im Westen. IM »Siegfried« sollte »eine 380 kV-Hochvoltleitung von Koblenz nach Mannheim bei der großen Rheinüberspannung 5 km nördlich der Stadt Worms angriffsmäßig aufklären«. Im »Bereich des Aktionsvorschlages« hinterlegte er in einem »Toten Briefkasten« Zünder und Sprengstoff.

Die jetzt aufgefundenen Akten zeigen, daß praktisch die gesamte Infrastruktur der Bundesrepublik detailliert und »tagesaktuell« ausgeforscht war. In der Jahresliste von 1981 sind 346 »Zielobjekte« erfaßt, darunter acht Atomkraftwerke und Anlagen, sämtliche Relaisstationen der Radiosender und Fernmeldedienste, U-Bahn-Depots genauso wie Redaktionsräume von Nachrichtenagenturen, sogar Schleusen und »neuralgische Punkte« wie der »Absperrschieber Gas im Ortsnetz Dortmund«.

Geschult wurden Mitarbeiter bis zum Ende der DDR an »schnellwirkenden Herzgiften, Narkosestoffen für Geschoßfüllungen, Krampfgiften, tödlichen Nerven- und Kontaktgiften, toxischen Substanzen, die sich in Speisen und Getränken auflösen lassen«.

Die konkrete Liste der Angriffsziele ist im Buch von Auerbach nicht enthalten. Der Grund: Seit Monaten prüft das Innenministerium, ob sie nicht immer noch zu brisant ist, um veröffentlicht zu werden.

Zur Ausgabe
Artikel 18 / 133
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren