Zur Ausgabe
Artikel 35 / 85

UNTERNEHMEN / TIEFKÜHLKOST Brüderlich im Eis

aus DER SPIEGEL 46/1969

Der Holländer Nicolaas Hendricus Marie Blonk machte eine rhetorische Anleihe bei Deutschlands Alt-Kanzler Kurt Georg Kiesinger: »Wir wollen sicher in die siebziger Jahre.«

Anders als Kiesinger jedoch, fand der Chefmanager der Hamburger Eiskrem- und Tiefkühlkost-Firma Langnese-Iglo (Eigentümer: der britischniederländische Unilever-Konzern) mit seiner Sicherheitsparole die gewünschte Resonanz: Blonks härtester Konkurrent, die zum Schweizer Nestlé-Konzern gehörende Findus-Jopa GmbH in Frankfurt, will sich an Langneses Kühlkost-Marsch in die siebziger Jahre beteiligen.

In einem 21-Zeilen-Kommunique zeigten am vorletzten Wochenende die Unilever N. V. in Rotterdam (Umsatz 1968: über 20 Milliarden Mark) und die Nestle Alimentana AG in Vevey am Genfer See (Umsatz 7,1 Milliarden Mark) ihren verdutzten Kunden an, daß sie ihre Töchter Langnese-Iglo und Findus-Jopa unter dem Dach einer gemeinsamen Firma vereint hätten. Kommentierte die »Frankfurter Allgemeine": »Eine der größten Überraschungen der Nachkriegszeit.«

Künftig wollen die beiden bedeutendsten Lebensmittel-Konzerne Europas auf dem deutschen, italienischen und österreichischen Markt gemeinsam vorgehen. In der Bundesrepublik rechnen sie mit einem Speiseeisanteil von 40 Prozent und einem Kühlkostanteil von 50 Prozent. Langnese-Chef Blonk: »Wir machen alles sehr brüderlich.«

Unilever übernimmt bei dem neuen Handels-Koloß freilich eindeutig die Führung. Der Konzern soll am Kapital des noch namenlosen Gemeinschaftsunternehmens zu 75 Prozent, Nestle dagegen nur zu 25 Prozent beteiligt werden. Und auf den neuen Chef-Sessel wechselt Langnese-Boß Blonk hinüber. Die beiden Findus-Geschäftsführer Helmut Maucher und Hansulrich Caspar Schweizer durften das Angebot entgegennehmen, »in das neue Management einzutreten« (Maucher).

Den Entschluß der Nestlé-Manager, Findus-Jopa der Regie ihres Hauptkonkurrenten zu unterstellen, hatten Branchenkenner in diesem Jahr am allerwenigsten erwartet. Denn erstmals konnten die jahrelang glücklos operierenden Frankfurter Froster hoffen, in die Gewinnzone vorzustoßen: Gegenüber 1968 steigerten sie die Findus-Umsätze um 30 Prozent.

Aber nicht einmal die Prognose der Marktforscher, der Konsum von Eiskrem und gefrorenen Lebensmitteln (derzeitiger Branchen-Umsatz in Westdeutschland: zwei Milliarden Mark) werde in den nächsten sieben Jahren auf das Doppelte ansteigen, hielt die Schweizer davon ab, als Junior-Partner mit Unilever zusammenzugehen.

Der Grund: Durch die Fusion hofft Nestle seine Vertriebskosten drastisch senken zu können, die bei Tiefkühlprodukten fünfmal so hoch sind wie bei normalen Artikeln der Lebensmittelbranche. So wollen Langnese und Findus ihre teuren Tiefkühlketten, von den Fabriken über die Kühlhäuser bis zu den Händler-Truhen, in einer gemeinsamen Organisation aufgehen lassen. Außerdem planen sie, aus ihren Lieferprogrammen doppelt geführte Kaltprodukte zu streichen.

Beide Konzerne hoffen zudem, daß sie Eindringlinge leichter gemeinsam aus dem zukunftsträchtigen Markt boxen können. Schon jetzt lauern potente Gruppen auf einen günstigen Zeitpunkt für den Start:

>ln Worms gründete Wurst-König Karl Ludwig Schweisfurth zusammen mit der Firma Kiel-Frost die neue Tief kühl-Union;

* der US-Konzern International Telephon and Telegraph Corporation (ITT) legte sich mit der holländischen Kühlkostfirma Groko einen Stützpunkt nahe dem deutschen Markt zu;

* der britische Tabak-Gigant Imperial Tobacco kaufte sich in eine englische Firmengruppe mit Kühlkostprogramm ein und studiert aufmerksam die deutsche Froster-Branche.

Ein Neuling auf dem kalten Markt machte den Firmen Langnese und Iglo schon vor der Fusion zu schaffen: Oetker. Dem Bielefelder Pudding- und Reederei-Konzern gelang es in nur zwei Jahren, mit Hilfe kostenlos gelieferter Kühltruhen bei Einzelhändlern Im ganzen Bundesgebiet Fuß zu fassen. Das Bündnis Unilever-Nestlé nahmen die Westfalen -- nun auf Platz zwei der Branche -- gelassen hin: Firmensprecher Peter von Eckardt: »Wir fühlen uns als der deutsche David, der gegen den ausländischen Goliath kämpft.«

Besorgt beobachten dagegen Westdeutschlands Lebensmittelhändler den Bund in der Tiefkühltruhe. Sie fürchten, daß ihnen der neue übermächtige Lieferant schon bald härtere Preisverhandlungen aufzwingen wird. Werner Stark, Lebensmittel-Zentraleinkäufer bei Karstadt: »Mir ist die ganze Sache gar nicht sympathisch.«

Zur Ausgabe
Artikel 35 / 85
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren