GROSSBRITANNIEN Bürokraten verschulden BSE-Desaster
Die in den Londoner Ministerien verbreitete »Kultur der Geheimhaltung« ist die Hauptursache für das Ausbrechen der menschlichen Variante des Rinderwahns in Großbritannien. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchungskommission, die klären sollte, warum es nach dem Diagnostizieren der ersten BSE-Fälle bei Rindern Ende 1986 fast zehn Jahre dauerte, bis die konservative Regierung erstmals einräumte, dass BSE auch für Menschen gefährlich sei. Allerdings übte die Kommission nur sehr vorsichtige Kritik an den Verantwortlichen. Selbst dem Tory-Landwirtschaftsminister John Gummer, der 1990 seine vierjährige Tochter vor laufenden Kameras mit einem Beefburger fütterte, um sein Vertrauen in britisches Rindfleisch zu demonstrieren, wird keine vorsätzliche Täuschung der Öffentlichkeit vorgeworfen. Das kollektive Versagen, das bisher 80 Briten das Leben kostete, hat nach Ansicht der Kommission vielmehr strukturelle Gründe: Verantwortlich sei das Geflecht aus bürokratischer Ignoranz, mangelnder Kommunikation und Geheimhaltung, um den Rindfleischabsatz nicht zu gefährden. Der einzige Trost für die Angehörigen von BSE-Opfern: Die Labour-Regierung sagte ihnen umfangreiche Unterstützung und Entschädigung zu. Die Schätzungen über die Zahl der Briten, die der Krankheit insgesamt zum Opfer fallen werden, schwanken zwischen wenigen hundert und über hunderttausend.