PARTEIEN / NPD Bumm, erledigt
Im alten oldenburgischen NS-Gaumusterdorf Dötlingen, wo die Nationaldemokraten nach der CDU die zweitstärkste Fraktion im Gemeinderat stellen, unterbreitete NPD-Chef Adolf von Thadden seinen niedersächsischen Getreuen, was ihn -- nach den schweren Wahlniederlagen im Bund und in sechs Ländern -- »am meisten bewegt«.
»Es geht darum«, so Thadden, »welches Bild wir alle in der Öffentlichkeit machen. Davon hängt ab, ob es uns gelingt, eine Wende herbeizuführen.«
Das Bild, das die Thadden-Partei zur selben Stunde am Sonnabend vorletzter Woche bot, war freilich wie gehabt: In Essen bahnten motorisierte NPD-Kämpfer dem nationalen Gedanken eine Gasse, indem sie unter dem Runenzeichen der »Aktion Widerstand« ihren Autokorso in die Mauer gewerkschaftlicher Gegendemonstranten lenkten.
Es gab Prügel und zerbeultes Blech, und die Szene gemahnte an NPD-Auftritte im letzten Bundestagswahlkampf, von denen Thadden fernab in Dötlingen gerade Abstand nahm:« Im vorigen Jahr sind wir untergegangen, weil wir uns auf ein Gefechtsfeld begeben haben, auf dem wir gegen die geballte Macht des DGB unterlegen bleiben mußten.«
In der Frühzeit der Bewegung hatten es die Nationaldemokraten noch als werbewirksam empfunden, wenn Zusammenstöße zwischen Nationalen und Demokraten zu Schlagzeilen führten. Doch als vor der Bundestagswahl nachgerade jede ihrer Großkundgebungen in Krawall und Aufruhr endete, als der NPD-Sicherheitschef Kolley in Kassel sogar die Pistole zog und als die Partei, wie im Frankfurter Cantate-Saal, SA-Typen als Ordner einsetzte, wurden Wähler wach: Aus Recht und Ordnung, dem Bannerspruch der Partei, war weithin Unrecht und Unordnung geworden. Thadden heute: »Die berühmten Bilder unserer Frankfurter Ordner sind für uns einfach tödlich gewesen.«
Die Bilder waren derart tödlich, daß die Bundestagswahl verlorenging (4,3 Prozent) und danach von der NPD kaum noch jemand Notiz nahm: Sang- und klanglos flog sie dieses Jahr aus den Landtagen in Niedersachsen, Hessen und Bayern, kam sie in die Parlamente Hamburgs, des Saarlands und Nordrhein-Westfalens gar nicht erst hinein.
Aus der »Vorwärtsbewegung«, die bei der Bundestagswahl laut Thadden »drastisch gestoppt« wurde, war eine Rückwärtsbewegung geworden. Der baden-württembergische NPD-Chef Martin Mußgnug: »Der Genosse Trend ist in Urlaub.« Der saarländische NPD-Chef Karl Lawall: »Wir sind auf Ration drei Prozent gesetzt.«
Damit war kein Staat zumachen. Die Parteiführung sah sich zu einer »sehr sorgfältigen Überprüfung ihrer bisherigen Taktik« gezwungen, und dabei kamen ihr die Ost-Verträge der Bundesregierung wie gerufen. Nun ging es der NPD plötzlich »nicht um Parteien, nicht um Mandate mehr«, wie NPD-Sprachrohr Hans-Joachim Richard kündete, »sondern allein um die ... Pflicht eines jeden von uns, Schaden von unserm Volk zu wenden«.
»Über alle Parteigrenzen hinweg« appellierte der Parteivorstand »an alle volkstreuen und staatsbewußten Kräfte«, und Adolf von Thadden machte den Mitstreitern klar, wo die Pflicht »nunmehr« zu erfüllen sei: »im Am 5. Dezember in Essen.
Rahmen der von uns voll unterstützten »Aktion Widerstand.«
Der eingetragene Widerstands-Verein war Anfang Oktober in München-Schwabing von Rechts-Aktivisten wie dem einstigen SS-Mann Erich Kernmayr, dem früheren SS-Hauptsturmführer und NPD-Präside Waldemar Schütz sowie dem vormaligen Leiter der Hauptabteilung Ost im NS-Außenamt, Peter Kleist, NPD-Hausautor wie Kernmayr, gegründet worden -- eine, so Kernmayr, »Zweckehe von Gruppen und Verbänden der sogenannten heimatlosen Rechten, etwa wie die Apo der heimatlosen Linken«.
Sich an die Spitze der Widerständler zu setzen, gab der NPD-Führung Gelegenheit, über innerparteiliche Schwierigkeiten hinwegzukommen, den schon resignierenden älteren Mitgliedern durch die lang ersehnte Möglichkeit zu vaterlandsrettender Betätigung neuen Schwung zu verleihen und dem radikalen Tatendrang der »wachsenden Zahl« (Thadden) junger Parteigänger ein Ventil zu schaffen.
Der NPD-Chef: »Selbstverständlich hat die politische Lage dazu geführt, daß immer mehr unserer Leute sagen: Man muß doch etwas machen. Und dem Drang dieser Leute müssen wir irgendwelche Wege schaffen.«
Damit beginnt von neuem jener Drahtseilakt, bei dem die bundesdeutschen Rechten noch immer die Balance verloren haben. Allemal hat ihnen bei dem Versuch, sich so national wie irgend möglich, so demokratisch aber nur wie gerade nötig aufzuführen, Radikalität einen Strich durch die Rechnung gemacht -- angefangen hei der Sozialistischen Reichspartei der Doris und Remer, die das Bundesverfassungsgericht verbot, bis zu Einzelkämpfern, die Hakenkreuze an Synagogen pinselten und damit dafür sorgten, daß Thaddens Deutsche Reichspartei »bumm, erledigt« (Thadden) war.
Und schon beim ersten öffentlichen Akt der »Aktion Widerstand« Ende Oktober in Würzburg ging das Gleichgewicht verloren: Wo die paar tausend Teilnehmer In der Frankenhalle sechs Stunden lang wie zum Offenbarungseid immer wieder drei Finger zum »W« in die Höhe spreizten, entrollten »Hornviecher« (so Thadden) ein Transparent mit der Ferne-Parole »Hängt die Verräter«. Thadden: »Es gibt eben nur sehr mittelbare Möglichkeiten der disziplinierenden Einwirkung.«
So ist es. Zwar mag der NPD-Chef noch im Griff behalten, was von der eigenen Parteibasis nach oben drängt: »Das Sagen hat nun mal der Vorstand, aber in den Landesverbänden wirkt sich schon aus, was in den Kreisverbänden noch heftiger ist.« Zwar mag er auch mit NPD-Jungfaschisten fertig werden, die nach Ermittlungen des Verfassungsschutzes bereits mit Stadtguerilla-Methoden zu operieren gedenken: »Da muß dazwischengefahren werden, die werden hinausexpediert.«
Doch per »Aktion Widerstand« hat er es nun mit Anhängern zu tun, die er als NPD-Chef und »konservativer Scheißer« (Zwischenruf in Würzburg) nicht unter die Parteifuchtel zwingen kann: Leute wie die Geheimbündler der »Europäischen Befreiungsfront« die an Rhein und Ruhr schon Waffen gesammelt hatten, um Deutschland zu befreien, Leute wie in Würzburg, die Scheel und Brandt an die Wand stellen wollen, Leute vor allem, die in der NPD eine Sammlung von schwächlichen Konservativen sehen und im alten SRP-Vokabular gegen eine »finstere Reaktion« für eine nationale »Umverteilung des Volkseinkommens« streiten -- so Bernhard Christian Wintzek, 27, mit seinem »Aktionskreis Mut«.
Anhänger solcher Sorte hatte Thadden von seiner NPD bislang wohlweislich ferngehalten. So schlug er beispielsweise vor der Bundestagswahl, als über der Partei das Damoklesschwert des Verbots hing, das Angebot auf Zusammenarbeit aus, das ihm Gerhard Frey, der Herausgeber der »Deutschen National-Zeitung« ("DNZ"), machte. Thadden: »Eine Sammlung von Überschriften aus dieser »DNZ', und die NPD wäre sofort in der Rue de Kack gewesen.«
Denn: Verfassungswidrig sind laut Grundgesetz auch Parteien, deren Programm und Satzung zwar keine Verbotshandhabe bietet, deren Anhänger aber »darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen«. Der Parteichef weiß Bescheid: »Das ist der wunde Punkt der NPD.«
In Gefahr, auf diesen Punkt zu kommen, geriet die Partei zwangsläufig, nachdem CDU und CSU bei den Landtagswahlen »mit entliehenen Forderungen der NPD« (Thadden) und zählbarem Erfolg selbst rechte Sammlung betrieben hatten. Bayerns NPD-Führer Pöhlmann über Bayerns CSU-Führer: »Strauß ist mit unseren Vorstellungen herumgereist.«
Aber schon erhoffen die Nationaldemokraten, was ihre »Deutschen Nachrichten« vorletzte Woche als Schlagzeile plakatierten. » Die CDU« CSU fällt um.« Denn, so die Unterzeile: »Keine Ablehnung der Kapitulation vor Rot-Polen -- Bestenfalls: Stimmen-Enthaltung.« Und auch Felix Buck vom NPD-Vorstand sieht es so: »Die Leute, die von der NPD zur CDU gingen, werden sich noch wundem.«
Und eine weitere Enttäuschung soll dem Wahlvolk« so hoffen die Rechten, nicht erspart bleiben. Obwohl von den Parteimitgliedern »einige abgeschlafft« sind (so Baden-Württembergs NPD-Chef Mußgnug), und obschon der NPD-Bezirksvorsitzende von München-Oberbayern, Siegfried Pültz, registrieren muß, in Traunstein beispielsweise kämen von 150 Mitgliedern »nur noch an die fünf Leute zusammen, schauen sich an und sagen: Wir sind noch da«, glauben sie an die Zukunft ihrer Partei. Der saarländische NPD-Chef Karl Lawall: »Die NPD wird noch einmal kommen, nämlich dann, wenn die Regierung das Wirtschaftswunder nicht halten kann.« Und Bremens NPD-Vorstand Karl-Heinz Vorsatz: »In der Rezession waren wir doch schon damals stark.«
In welchem Zustand sich aber die NPD befindet, wenn es dahin kommen sollte, steht dahin. Schon überlegt der Düsseldorfer SPD-Regierungschef Heinz Kühn, ob die Essener Aktion des neuen Widerstands nicht Anlaß genug wäre, das Damokles-Schwert vom letzten Jahr erneut zu ziehen: »Wenn sich herausstellt, daß hinter der Aktion Widerstand NPD-Politiker stehen, muß man ernsthaft den Gedanken prüfen, einen Verbotsantrag gegen die NPD zu stellen.«
Die Herausstellung fällt nicht schwer. Im hannoverschen NPD-Kontor des Adolf von Thadden hängen auf dem Flur statt wie bislang stets NPD-Plakate seit kurzem Posters der »Aktion Widerstand«. Thadden dazu beiläufig: »Da zur Zeit keine Wahlen anstehen, haben wir unser Heim insofern geschmückt.«