Hausmitteilung Bundestagswahl / Bundestagswahl / Bundestagswahl

Brüderle, Rösler
Foto: HC PLAMBECK / DER SPIEGELSo langweilig das Rennen, so spannend das Finale. Die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag zeichnete sich am Ende durch Überraschungen und Rekorde aus: Die FDP fiel auf ein historisches Tief - und aus dem Bundestag -, die Union erhielt so viele Stimmen wie seit 1990 nicht mehr. Die Euro-Gegner von der AfD, erst im Frühjahr gegründet, beeinflussten den Urnengang stärker als je eine junge Partei zuvor, und die Piraten erlitten Schiffbruch trotz einer öffentlichen Konjunktur ihrer Themen. Nie zuvor entfielen zudem so viele Stimmen (15,7 Prozent) auf Gruppierungen, die den Sprung in den Bundestag schließlich nicht schafften (zum Artikel ).
Für diese Ausgabe des SPIEGEL, die im Zeichen der Bundestagswahl 2013 steht, waren rund 50 SPIEGEL-Journalisten unterwegs, um Sieger und Verlierer zu treffen und um zu ergründen, wie und von wem die Republik denn nun in den kommenden vier Jahren regiert werden soll. Richtig glückliche Gesichter gab es am Sonntagabend vor allem in der CDU-Zentrale, wo jubelnde Jugendliche in orangefarbenen T-Shirts »Angie«-Sprechchöre anstimmten und Deutschlandfähnchen schwenkten, als die alte und neue Kanzlerin die Bühne betrat. Im Willy-Brandt-Haus hingegen, wo die SPIEGEL-Redakteure Horand Knaup, Barbara Schmid und Gordon Repinski den Sozialdemokraten beim Verlieren zuschauten, saß der Frust tief. In Peer Steinbrücks Büro sah man Tränen fließen, und auf den Fluren machte unter den Gegnern einer Großen Koalition bereits das Wort von der »Schwarzen Witwe« Merkel die Runde, die ihre politischen Partner umzubringen pflege - 2009 die SPD, 2013 die FDP. Melanie Amann wiederum erlebte auf der Wahlparty der AfD, wie die Stimmung innerhalb einer Stunde von Euphorie zu bitterer Enttäuschung kippte. Nur 0,3 Prozent trennten die Anti-Euro-Partei vom Einzug in den Bundestag. »Einen halben Meter vor der Ziellinie zu stürzen«, sagte Bundesvorstand Konrad Adam zur SPIEGEL-Redakteurin, »das ist viel schmerzhafter, als 50 Meter davor zu scheitern« (zum Artikel ).
Vier weitere Jahre Merkelismus also: Einer, der sich darob überraschenderweise unglücklich zeigt, ist der konservative Pädagoge Bernhard Bueb, langjähriger Leiter des Internats Schloss Salem und gern als »strengster Lehrer Deutschlands« bezeichnet. Im Gespräch mit den SPIEGEL-Redakteuren Katja Thimm und Alfred Weinzierl spricht Bueb weiten Teilen der Politik Merkels jene Tugenden ab, die Thema seines neuen Buches sind: Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit. Merkel sei eine Meisterin des Uneindeutigen und des Ungefähren, und auch dies sei eine Form der Lüge. Thimm fiel beim Gespräch auf, »wie schwer es Bueb fiel, sich von seinem positiven, alten Merkel-Bild zu verabschieden« (zum Artikel ).