Byzantinismus
(Nr. 19/1971, SPIEGEL-Interview mit Professor Ruhm)
Ist es nicht ein bißchen zuviel Ehre für und ein bißchen zuwenig Mitleid mit dem CSU-Freund, wenn Sie Herrn Rubin so ausführlich zu Wort kommen lassen?
Berlin OTTO SCHILY
Rechtsanwalt
Gibt es nicht »Das Interview des Jahres«? Ich würde das mit Rubin dafür vorschlagen. Herr Ruhm kann sich über Spottgedichte auf seine Person »einfach kaputtlachen«, ja was glaubt er denn, was ein Großteil der Bevölkerung bei seinen Aktionen macht? Die lachen auch, nur nicht so kaputt!
Heidelberg KARL LOGEMANN
SPD-Mitglied
Nehmen Sie den Mann etwa ernst?
Berlin Dr. WALTER JACOBI
Erkläre mich bereit zu stiften: Steinmeißel und Hammer bei Mauerdurchbruch von östlicher Seite aus, beschrifteten Rubin-Heim bei Demonstration gegen Deutschlandstiftung. Farbbeutel hei Wurf gegen Amerika-Haus oder Springer-Verlag. Bindedraht bei echter Entführung. Sprungstiefel bei Absprung in Griechenland, Spanien oder Portugal. Honorar für erste Sprechstunde bei Psychiater. Erwarte gerne entsprechende Rechnung, bitte aber, von vorgetäuschten Aktionen abzusehen.
Stuttgart HANS G. HAGN
Wenn Herr Rubin meint, seine wissenschaftliche Beschäftigung mit Byzanz färbe »natürlich etwas« auf sein politisches Engagement ab, so scheint mir sein byzantinischer Demokratie-Begriff eher umgekehrt dafür zu sprechen, daß hier ganz bestimmte politische Vorstellungen in die byzantinische Geschichte projiziert werden. So behauptet er doch allen Ernstes, die byzantinische Despotie sei »nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ... demokratischer gewesen als die heutige Demokratie«, weil der Despot als Sklave und Diener Gottes unter einem »viel härteren Zwang als etwa die demokratischen Führer von heute« gestanden habe. Nicht nach dem heutigen Stand der Wissenschaft, sondern nach Herrn Rubins politischem Vorverständnis oder besser Mißverständnis von Demokratie, mußte es richtiger heißen. Im übrigen ist dieses angeblich demokratischere Herrschafts-Modell nicht erst von Herrn Rubin der »heutigen Demokratie« gegenübergestellt worden. Vor ihm hat es bereits ein wirklicher Tyrann und Despot -- allerdings nicht als byzantinische, sondern als »die wahrhaftige germanische Demokratie« -- gegen den »heutigen demokratischen Parlamentarismus« geltend gemacht, indem er die Devise »Autorität jedes Führers nach unten und Verantwortlichkeit nach oben« ausgab und für sich selbst in Anspruch nahm, Sklave, Diener und Werkzeug der »Vorsehung« zu sein. (Nachzulesen in Adolf Hitler, Mein Kampf. Seite 95 ff, 500 ff, passim).
Berlin PROFESSOR Dr. REIMER HANSEN
Eigentlich schade, daß er der Gruppe Baader-Meinhof nicht tatsächlich in die Finger geraten ist, dann wären wir vielleicht für alle Zeiten von einem derartigen »Phänomen, das neue Methoden der politischen Wirksamkeit in die Welt einbringt«, befreit worden.
Gießen GÜNTHER DÖNHOFF